Neues Gesetz soll Schweizer Hotels schützen
Das Preisdiktat von Booking.com & Co. hat ein Ende: Der Bundesrat soll ein Gesetz ausarbeiten, das es den Hotels erlaubt, günstiger zu sein als die grossen Online-Buchungsplattformen.
Veröffentlicht am 20. September 2017 - 12:02 Uhr,
aktualisiert am 20. September 2017 - 11:51 Uhr
Für Andreas Züllig, Präsident von Hotelleriesuisse, war der Montag ein erfolgreicher Tag: «Wir sind sehr erleichtert», freute er sich.
Der Grund: Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat entschieden, dass die Schweizer Hotels ihre Preise wieder selber bestimmen sollen. Hotelanbietern ist es heute nämlich vertraglich verboten, ihre Zimmer auf der eigenen Webseite günstiger anzubieten als bei Buchungsplattformen wie Booking.com oder Expedia. Damit soll bald Schluss sein, die sogenannte Preisparitätsklausel wird verboten. Die Schweiz folgt so dem Beispiel vieler anderer europäischer Länder. Der Entscheid geht zurück auf eine Motion von CVP-Ständerat Pirmin Bischof.
Kritiker haben befürchtet, dass das Portal bald so stark sein könnte, dass die Existenz der Hotelbranche davon abhängt. Ausserdem stossend: Schweizer Hotels bezahlen Kommissionen von bis zu 25 Prozent auf jede auf einer Online-Plattform getätigten Buchung – das sind schätzungsweise 150 Millionen Franken pro Jahr. Dabei landet die grosse Mehrheit bei Booking.com – «ein Unternehmen, das in der Schweiz keine Mehrwertsteuer bezahlt», wie Züllig in einem Interview mit 20 Minuten süffisant anmerkt. Aus diesen Gründen sei nun der Zeitpunkt für eine staatliche Intervention gekommen und seien diese Knebelverträge zu unterbinden.
Es ist das erste Mal, dass das Parlament im Zusammenhang mit der Digitalisierung eine derartige Intervention beschlossen hat. Wie wirkungsvoll diese allerdings ist, wird sich zeigen müssen. Eine Untersuchung der wichtigsten Kartellbehörden der EU von 2016 zeigte, dass rund 79 Prozent der Hotels trotzdem keine unterschiedlichen Preise über verschiedene Buchungsplattformen anbieten. Ausserdem habe die Marktmacht von Booking.com in Europa trotz der neuen Regelung weiter zugenommen, schreibt der Tages-Anzeiger (Artikel nicht online).
Unter anderem gilt:
- Hotels, die eine höhere Provision bezahlen, werden in der Trefferliste weiter oben angezeigt.
- Hotels ist es verboten, den auf Booking.com angegeben Preis auf der eigenen Webseite zu unterbieten.
- Hoteliers dürfen ihre letzten verfügbaren Zimmer nicht für die eigenen Verkaufskanäle aufsparen. Sie müssen diese auch auf der Online-Plattform offerieren.
Ein weiterer Trick von Booking.com: künstliche Verknappung. In Deutschland ist es dem Unternehmen verboten worden, dem Kunden anzuzeigen, dass «nur noch 1 Zimmer verfügbar» sei. Booking.com hat darauf reagiert und zeigt nun: «Nur noch 1 Zimmer auf unserer Seite verfügbar». Trotzdem ist nicht ersichtlich, ob mit einer Mengenangabe wie beispielsweise «nur noch 3 Zimmer verfügbar» nun drei Zimmer der gewählten Kategorie, drei Zimmer des gewählten Hotels oder drei Zimmer dieses Hotels explizit auf Booking.com gemeint sind. Die künstliche Verknappung ist ein beliebtes Marketing-Instrument, das vor allem der Modeverkäufer Zalando anwendet.
Aber warum ist die Schweizer Hotellerie überhaupt auf diese Knebelverträge eingegangen? Innerhalb von 20 Jahren hat sich Booking.com zu einem Unternehmen entwickelt, das den Markt dominiert. Und dies so stark, dass es sich Hoteliers schlichtweg nicht mehr leisten konnten, auf diesen Vertriebskanal zu verzichten. 27 Prozent aller Logiernächte in der Schweiz wurden 2016 im Internet gebucht, die grosse Mehrheit davon via Booking.com – Tendenz stark steigend.
Ursprünglich wollte Booking.com den Hotels sogar vorschreiben, dass sie bei keiner Konkurrenzplattform günstigere Preise anbieten dürfen – doch die Wettbewerbskommission Weko schritt vor rund zwei Jahren ein und untersagte diese Regelung. «Weil dieser Halbentscheid der Weko für uns unbefriedigend war, war es notwendig, den politischen Weg zu versuchen», ist Züllig überzeugt.
Diesen Weg kritisiert Bundesrat Johann Schneider-Ammann: «Das Parlament sendet mit diesem Entscheid ein schlechtes Signal aus. Ein Signal, dass innovative, neue Ideen in der Schweiz voreilig verboten werden.» Der Wirtschaftsminister hätte es bevorzugt, die Prüfung der Sachlage weiterhin der Weko zu überlassen. Diese sah sich aber noch nicht veranlasst, entscheidend zu intervenieren – so, wie es beispielsweise das Kartellamt in Deutschland schon 2015 getan hat.
Die Argumente von Booking.com fanden ebenso kein Gehör: «Das Parlament bremst den Wettbewerb und die nötige Transparenz bei den Zimmerangeboten. Den Konsumenten drohen höhere Preise», liess das Unternehmen in einer Medienmitteilung verlauten. Kleine und mittelgrosse Hotels wären besonders stark betroffen: «Auf sie entfällt die grosse Mehrheit der Buchungen über Online-Reiseplattformen. Sie verfügen oft über bescheidene Mittel für Marketing und erhalten durch Online-Reisebüros einfach und kostengünstig Zugang zu Gästen aus aller Welt.»
Hotelleriesuisse-Präsident Züllig gibt denn auch zu, dass Buchungsplattformen Märkte erschliessen würden, an die man sonst gar nicht kommen würde: «Vor allem für kleine Betriebe ist das eine riesige Chance. Unfair ist es aber, wenn Plattformanbieter diesen Betrieben die Preisgestaltung und die Handlungsfreiheit einschränken.» Er geht davon aus, dass viele Schweizer Hotels tatsächlich tiefere Preise auf der eigenen Website bieten werden, wenn die Motion umgesetzt ist.
Nimmt man ihn beim Wort, dann sollte es letztlich vor allem einen Gewinner geben: die Hotelgäste.
Schon jetzt kann profitieren, wer für die Buchung direkt beim Hotel anfragt, anstatt bei Booking.com zu buchen. Da Hotels häufig nicht alle ihre Zimmer auf ihrer Webseite oder bei Booking.com aufschalten, lohnt sich oft ein Anruf direkt beim betreffenden Hotel: Eine Stichprobe des Beobachters bei 16 zufällig ausgewählten Hotels in Spanien, Italien, Griechenland und Kroatien hat ergeben, dass fast jedes zweite bereit war, den Preis von Booking.com um 10 bis 20 Prozent zu unterbieten.
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