«Wollt ihr Erfolg?» - «Ja, Mann!»
Die Business Academy verspricht in Verkaufsshows das schnelle Geld. Reihenweise fallen junge Leute darauf herein, buchen teure Seminare und verpflichten sich, selbst auf Kundenfang zu gehen.
Veröffentlicht am 29. August 2006 - 08:02 Uhr
Breitbeinig stehen sie vor dem Eingang des Hotels Spirgarten am Lindenplatz in Altstetten ZH. Rund zehn Männer, alle gleich gekleidet, wie geklont: Nadelstreifen, polierte Lackschuhe, polierte Schädel. Die Gruppe strahlt nervöse Spannung aus. Wer ins Gebäude will, wird abgefangen. «Wer hat dich geschickt?» Man nennt den Namen der Person, die einem Business Academy empfohlen hat. Einer der Männer nickt. Drinnen müssen die Teilnehmer einen Zettel ausfüllen, Handynummer und Adresse angeben, Geburtsdatum - sogar, ob sie in einer Beziehung leben. Vor dem Üetlisaal warten bereits 40 bis 50 Leute, kaum einer älter als 25, gestylt, als stehe heute Abend eine Party an. Durch den Saal dröhnt Technomusik. Das Infomeeting der Business Academy GmbH mit Sitz in Adliswil ZH beginnt.
«Ich ging hin, weil ich gehört hatte, dass man bei der Business Academy viel Cash machen kann», erinnert sich Simon Brotschi. Ein Arbeitskollege habe ihn überredet und ihn im Februar an ein «Infomeeting» nach Ostermundigen BE geschleppt. «Der Saal war voll, zirka 100 Leute. Wie ein Star betrat der Motivationstrainer die Bühne. Wir standen auf und klatschten im Takt der Musik», so der 24-Jährige, der als Strassenbauer arbeitet und im solothurnischen Horriwil wohnt. Die Stimmung sei mitreissend gewesen, enthusiastisch.
«Gefesselt von den Worten»
Auch im Üetlisaal in Altstetten geht die Post ab. Vorne steht Gerd H., Motivationstrainer und Sprecher der Business Academy. Er fragt: «Seid ihr zufrieden mit eurem Leben?» Ein lautes «Nein» röhrt ihm entgegen. «Wollt ihr Erfolg, wollt ihr mehr verdienen?» - «Ja, Mann!», schreit die Masse. «Wir haben die Lösung für euch», sagt H.. Sein Blick wandert über die Köpfe, streift die Gesichter und macht bei einem Halt. «Was unterscheidet dich von den Erfolgreichen?» Schulterzucken. «Die Erfolgreichen haben den Willen, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen», sagt der Showmaster. Die meisten Menschen seien Gefangene eines bequemen Angestelltendenkens. «Befreit euch davon», fordert H..
«Ich war gefesselt von den Worten», sagt Simon Brotschi. Vielleicht habe sich manchmal die Skepsis leise gemeldet. Er habe aber nicht hingehört.
Im Üetlisaal vertraut H. nicht allein auf die Wirkung der Worte. Auf der Leinwand hinter ihm erscheint das Bild eines dünnen Mannes, der bedrückt wirkt. Um ihn herum lachende, vor Kraft strotzende Menschen. H. vergleicht das Männlein mit einer faulen Frucht in einer Fruchtschale. Innert kürzester Zeit greife die Fäulnis auch auf die frischen Früchte über. «Umgebt euch nicht mit negativen Menschen. Die stecken euch an», rät er und heimst einige Lacher ein. «Haltet euch an die Erfolgreichen.» H. deutet auf sich und präsentiert das «Erfolgswissen» - einen Ordner von 400 Seiten. Während sechs Seminartagen können Business-Academy-Kunden das Wissen unter der Anleitung von «erfolgreichen Trainern» verinnerlichen. Ein Abschlussdiplom ist garantiert. Kostenpunkt: 6800 Franken.
Wieder leuchten auf der Leinwand Bilder auf: ein Ferrari, eine Villa, eine Jacht. «Mit eurem Lohn werdet ihr euch das nie leisten können», erklärt H. «Investiert in die Seminare, und ihr investiert in eure Träume», ruft er. Das Geld sei übrigens schnell wieder reingeholt. Wer bei der Business Academy als «Empfehlungsgeber» einsteige, könne innert weniger Monate Tausende von Franken verdienen. Locker. «Ihr müsst uns nur euren Freunden und Verwandten weiterempfehlen.» Pro neuen Kunden gebe es 1000 Franken Provision. «Wer will, kann sich zum Gruppenleiter hocharbeiten und somit höhere Provisionen kassieren», ergänzt H.
Wer bei der Business Academy mitmachen will, kann gleich zwei Verträge unterschreiben: einen so genannten Ausbildungsvertrag für das 6800 Franken teure Weiterbildungspaket sowie einen Agenturvertrag, der einen zum Vertriebspartner des Unternehmens macht. Wer Kunden bringt, dem werden hohe Provisionen versprochen. Und wenn die Kunden ihrerseits Vertriebspartner anwerben, kassiert man bei deren Provision mit. Je höher in der Hierarchie, umso fetter die Provision. So können die Firmenchefs auch den stolzen Preis des Ausbildungspakets rechtfertigen.
Illegales Schneeballsystem?
Zwei Haken hat das Ganze. Erstens: Ist der Bekannten- und Verwandtenkreis ausgeschöpft, wird es schwierig, Kunden zu gewinnen. Die kassierten Provisionen reichen häufig nicht einmal, um alle Kosten für das Seminarpaket zu begleichen. Zweitens: Es riecht nach illegalem Schneeballsystem.
«Die Business Academy dürfte nach unseren bisherigen Erkenntnissen in der Grauzone operieren und nach einem System funktionieren, das schneeballähnliche Züge aufweist», sagt Reto Brand, Leiter der Sektion Lotterien und Wetten des Bundesamts für Justiz. Aufsichtsfunktion haben die Kantone. «Wir werden jedoch nur dann aktiv, wenn jemand Strafanzeige erstattet», so Hansjost Zemp, stellvertretender Statthalter von Zürich. Selbst dann werde es schwierig, gegen solche Firmen vorzugehen. «Wenn die Möglichkeit besteht, den Einsatz von 6800 Franken tatsächlich zurückzuverdienen, liegt kein lotterierechtlicher Tatbestand vor», erklärt Zemp. Die Business Academy weist alle Vorwürfe von sich: «Business Academy ist ganz klar kein Schneeballsystem», schreibt die Geschäftsleitung.
«Natürlich seid ihr skeptisch», sagt H. im Üetlisaal und breitet die Arme aus. «An eurer Stelle wäre ich das auch.» Wieder hat er die Lacher auf seiner Seite. «Versucht trotzdem, offen zu sein für das, was wir euch anzubieten haben. Unsere Philosophie ist die von Robin Hood.»
Damals in Ostermundigen unterschrieb Simon Brotschi den Vertrag für das Ausbildungspaket und liess sich auch als Vertriebspartner anwerben. Die beiden Verträge durfte er nicht mitnehmen. Zu Hause kamen die Zweifel. Im Beratungszentrum des Beobachters rufen regelmässig Ratsuchende an, die aus den Verträgen aussteigen wollen. Brotschis Kündigung wurde von der Business Academy akzeptiert. Allerdings verlangte die Firma einen Restbetrag von 4600 Franken: für den «Erfolgswissen»-Ordner sowie für die Seminare, die Brotschi zwar nicht besucht, aber die er mit seiner Unterschrift bereits «gekauft» hatte. Vor einer Strafanzeige schreckt er zurück.