Geduldige müssen zahlen
Bei fast allen 0900-Telefonnummern kostet bereits das Warten. Deutschland will diese Praxis bald verbieten – die Schweiz sieht keinen Anlass dazu.
Veröffentlicht am 6. Juli 2010 - 08:38 Uhr
Als ob das Ausharren in einer Telefon-Warteschleife nicht schon Strafe genug wäre! Mozart dudelt, man wird mit «Wir sind gleich für Sie da!» vertröstet. Und damit machen viele Betreiber von 0900-Nummern auch noch Profit, denn meist tickt der Gebührenzähler bereits in der Wartezeit.
In Deutschland ist das bald vorbei. Wirtschaftsminister Brüderle will per Gesetz vorschreiben, dass Warteschleifen kostenlos sein müssen. Nicht so in der Schweiz. Der Bundesrat finde, dass die Konsumenten «ausreichend geschützt» seien, hiess es Ende 2009 auf eine Frage des Waadtländer Ständerats Luc Recordon, und laut Bundesamt für Kommunikation (Bakom) gilt diese Haltung der Regierung weiterhin. Es genüge, dass verlangt werde, die Kosten der Wartezeit «unabhängig von ihrer Höhe anzukündigen».
Nur: Wurden Sie je darauf aufmerksam gemacht, dass das Warten kostet? Bakom-Sprecherin Caroline Sauser erklärt, dass «noch nie» ein Verfahren gegen einen 0900-Nummern-Betreiber eingeleitet wurde, weil er sich nicht an die entsprechende Vorschrift hielt.
Seit 2007 ist eine kundenfreundliche Lösung kein Problem. Swisscom offeriert den Anbietern von erhöht kostenpflichtigen Nummern die «flexible Tarifierung»: Die Warteschleife (und das computergesteuerte Auswahlmenü à la «Drücken Sie 1 für Deutsch») kann vom eigentlichen Gespräch getrennt werden. «Aber nur sehr wenige Anbieter nützen diese Möglichkeit auch», sagt Swisscom-Sprecherin Myriam Ziesack.
In der Tat: Der Beobachter befragte mehr als ein Dutzend Betreiber von 0900-Nummern, vom Kinoreservationssystem über die Schlüsselfundstelle bis zu Hellseher Mike Shiva. Das Resultat: Einzig bei der Schweizerischen Patientenorganisation und der Stiftung für Konsumentenschutz, die für Nichtmitglieder kostenpflichtige Beratungsnummern betreiben, kostet das Warten nichts.
Nicht so bei grossen Anbietern solcher Servicenummern. SBB-Sprecher Roman Marti verweist auf technische Probleme: Die «flexible Tarifierung» funktioniert nicht bei Prepaid-Handys. Wenn dieser Mangel gelöst sei, prüfe die SBB eine Umstellung, so Marti. Ticketcorner argumentiert, dass 80 Prozent aller Anrufenden gar keine Tickets kaufen würden, sondern nur eine Auskunft wollten. Das verursache Kosten – und die werden auf alle Wartenden abgewälzt.
4 Kommentare