Käufer kalt erwischt
Ein neuartiges Heizsystem versprach die Levellab AG ihren Kunden. Hinter der inzwischen konkursiten Firma steht ein Mann mit wenig Fachkenntnis und politisch abstruser Gesinnung.
Veröffentlicht am 16. April 2013 - 08:59 Uhr
Wenn sie könnten, würden heute die Kunden der Levellab AG alles anders machen. «Hätte ich damals geahnt, was mir an Ärger droht, hätte ich eine andere Firma ausgesucht», sagt ein Solothurner Hausbesitzer. «Nie wieder!», echauffiert sich eine Hausbesitzerin aus der Romandie. Und Hedwig Balsiger sitzt an ihrem Küchentisch und schüttelt bloss noch den Kopf.
Auf Anraten ihres Elektrikers entschied sich die 82-jährige Besitzerin eines Mehrfamilienhauses in Mühlethurnen BE im Herbst 2009 für einen Ersatz ihrer alten Ölheizung. Für den stolzen Preis von 326'000 Franken sollte ein «Kleinkraftwerk» der Levellab AG aus Forst-Längenbühl bei Thun montiert werden – eine Art eierlegende Wollmilchsau für die Energieversorgung, bei der Solarzellen, die sowohl Strom als auch Warmwasser produzieren, zugleich Batterien im Keller und eine Wärmepumpe antreiben sollten. Damit, so versprach Levellab-Inhaber Martin Frischknecht, würden die Stromkosten deutlich gesenkt. Und natürlich sicherte die Firma eine «sach- und termingerechte Ausführung» zu.
Martin Frischknecht? Da klingelt es bei Beobachtern des rechten Randes der Politlandschaft. Der Elektroingenieur, der ein Tonstudio betreibt, fiel in den neunziger Jahren gemäss Rechtsextremen-Spezialist Jürg Frischknecht als «Esoteriker der Schweizer Demokraten» auf. Für die Rechtsaussenpartei vertrieb Martin Frischknecht damals auch Broschüren, in denen der Grossvater des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush als «Ur-Initiant» des Konzentrationslagers Auschwitz bezeichnet wurde. Heute vertreibt der Unternehmer ein Gerät zur «TENS-Frequenz-Therapie» und ist Zentralpräsident des Alpenparlaments Schweiz. Diese «Gruppe von Freidenkern» steht ein «für den lange überfälligen Wandel in eine gute Richtung für das Wohl aller Menschen dieser Erde».
Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die Freidenker jedoch nur allzu oft als Anhänger von Verschwörungstheorien aller Art. Auf dem von Frischknecht ins Leben gerufenen Internet-TV-Kanal Alpenparlament.tv treten regelmässig Geistheiler oder Aidsleugner auf. Moderator ist ein deutscher Filmemacher, der durch einen revisionistischen Film über Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess von sich reden machte.
Energiefragen gehörten bis zum 3. November 2009 nicht zu Martin Frischknechts Kernkompetenzen. Dann aber änderte er den Firmenzweck der Levellab AG. Statt «Herstellung und Vervielfältigung von Ton- und Videoträgern aller Art» lautete dieser plötzlich «Forschung, Entwicklung und Produktion neuer Energietechnik» – und das Unglück nahm für Frischknechts Kunden seinen Lauf.
Bei Hedwig Balsigers Haus etwa funktionierte die Anlage so gut wie gar nicht. Statt eines ökologischen Energiesystems erhielt die Rentnerin ein stromfressendes Ungetüm, das laut einer Expertise «grundsätzliche Mängel» aufwies und gar nicht richtig funktionieren konnte. Schäden am Dach und undichte Leitungen kamen dazu. Auf Rat von Fachleuten blieb nur eine Möglichkeit: die Anlage herausreissen und eine konventionelle Heizung mit Wärmepumpe und Fotovoltaikanlage erstellen. Kostenpunkt: nochmals 250'000 Franken.
Die investierten 326'000 Franken kann Hedwig Balsiger abschreiben. Auch die anderen Levellab-Kunden, die sich mit nicht funktionierenden Heizungen herumschlagen, dürften ihr Geld nie wieder sehen. Angesichts von drohenden Schadenersatzklagen in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken deponierte Frischknecht, der auf Anfragen des Beobachters nicht reagierte, die Bilanz. Im Dezember 2012 ist die Firma offiziell in Konkurs gegangen.
«Unsere Kunden erlangen Unabhängigkeit, übernehmen Eigenverantwortung, mutieren zu Pionieren und setzen Vertrauen in unsere Gruppe», heisst es in einer Dokumentation. Zumindest mit Letzterem dürfte es bei Frischknechts Kunden endgültig vorbei sein.