Strassenverkauf: Mit Lautsprechern übers Ohr gehauen
Aufgepasst vor Strassenhändlern, die lauthals Lautsprecherboxen feilbieten: Bei genauem Hinhören entpuppt sich die angeblich einmalige Gelegenheit als doppelter Reinfall.
Veröffentlicht am 24. Juni 2002 - 00:00 Uhr
Der 21-jährige Michael Hottinger (Bild) freute sich auf einen freien Nachmittag. Auf dem Weg nach Hause glaubte er, zwei Männer wollten ihn nach dem Weg fragen. Doch diese suchten nicht nach einer Strasse, sondern nach einem Käufer für ihre Lautsprecher. Sie hätten, behaupteten sie, mehr Boxen mitgenommen, als sie einem Kunden liefern mussten, und wollten die Dinger unter der Hand loswerden, statt sie dem Chef zurückzugeben – selbstverständlich zu einem «Superpreis». Erst verlangten die beiden Händler 1600 Franken für ein Paar Lautsprecher. Als sie den Preis um die Hälfte reduzierten, konnte Michael Hottinger nicht mehr widerstehen.
Zu Hause angekommen, traute er seinen Ohren nicht: Statt satter Bässe und vollen Klangs gabs nur Geschepper. Hottinger erinnerte sich an sein siebentägiges Rückgaberecht und forderte von der Firma Landing Distributors, Inc. (LDI) mit Sitz im bernischen Zollikofen den Kaufpreis zurück. Erst nachdem er mit einem Anwalt gedroht hatte, bekam er sein Geld zurück. Die Firma LDI lässt sich gern bitten; das zeigen weitere Fälle, die allesamt lange auf eine Rückerstattung warten mussten.
Die Boxenverkäufer betonen in ihren Gesprächen zwar immer wieder, dass sie zufällig einige Boxen übrig hätten. Doch in Tat und Wahrheit hat diese Verkaufsmasche System. Die Firma LDI in Zollikofen ist die Filiale einer amerikanischen Muttergesellschaft, die – ausgestattet mit 1000 US-Dollar Aktienkapital – international tätig ist. Vor dem Jahr 2000 liefen die Geschäfte in der Schweiz noch über die Firma Republic Distributors GmbH (RDI) mit Sitz in der Stadt Bern. LDI übernahm von RDI nicht nur die Verkaufsmethode, sondern auch gleich die Faxnummer.
In China für 20 Dollar zu haben
Nach Informationen von Szenekennern importiert die Firma LDI die Boxen mit der Bezeichnung «Dynalab» oder «audioline» containerweise. Kenner schätzen, dass in der Schweiz pro Woche gegen 100 Paare solcher Boxen verkauft werden. Der Hi-Fi-Experte und Musiker Hans Jürg Baum prüfte die Boxen auf Herz und Nieren. Sein Fazit: «Die Lautsprecher sind so schlecht, dass sie gar nicht verkauft werden dürften.» Bei der Produktion sei an allen Ecken und Enden gespart worden. Auf dem chinesischen Markt würden solche Boxen für 20 US-Dollar angeboten.
Der Untersuchungsrichter Kaspar Good, der gegen eine ähnlich operierende Firma ein Verfahren geführt hat, ist überzeugt: «Gaukeln die Verkäufer vor, die Boxen seien viel mehr wert, als sie es tatsächlich sind, so ist dies klarer Betrug.»
Die Firma LDI wollte gegenüber dem Beobachter zu den Vorwürfen keine Stellung beziehen. Für wie wertvoll sie ihre eigenen Produkte hält, lässt sich daraus ersehen, dass Michael Hottinger noch immer im Besitz der Boxen ist. LDI hat sie bis heute nicht abgeholt.
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Haustürgeschäfte: Sieben Tage Rücktrittsrecht
Verträge müssen grundsätzlich eingehalten werden. Eine Ausnahme sind so genannte Haustürgeschäfte. Dazu zählen auch Verkäufe auf öffentlichen Strassen und Plätzen. Wer also Lautsprecher oder Ähnliches auf der Strasse kauft, kann innerhalb von sieben Tagen von diesem Vertrag zurücktreten und sein Geld zurückfordern. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen, am besten mit einem eingeschriebenen Brief.