Fürs Essen stehen Menschen gerne an. Das gemeinsame Warten in einer zwei Häuserblocks langen Schlange gibt ihnen das Gefühl, genau das richtige Restaurant ausgewählt zu haben. Das Phänomen lässt sich besonders gut in San Francisco beobachten. Im Herbst 2016 fand man dort die längsten Warteschlangen vor den Restaurants Cockscomb und Jardinière. Für den Hype verantwortlich war ein neues Produkt, das dort erst seit Kurzem auf dem Menü stand: der Impossible Burger. Ein komplett veganer Burger, der gemäss seinen Erfindern, einem 180 Millionen Dollar schweren Start-up aus dem Silicon Valley, den Fleischmarkt revolutionieren, oder besser: pulverisieren würde.

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Der Burger blutet

Was den Impossible Burger von anderen Fleischalternativen wie zum Beispiel Tofu unterscheidet: Er blutet. Der Trick dabei ist eine spezielle Zutat mit der träfen Bezeichnung Häm. Ein Hämburger besteht aus Weizen, Kartoffeln, Kokosöl und eben jenem eisenhaltigen Baustein des Lebens, der in Tieren und Pflanzen vorkommt und dort für die Bindung von Sauerstoff verantwortlich ist. Vereinfacht gesagt, handelt es sich um eine Art Blumen-Hämoglobin.

Auf der Webseite von Impossible Foods heisst es, die «magische Zutat» mache aus dem Impossible Burger einen «Traum für Karnivoren». Nach fünf Jahren Forschung ist das Team aus Wissenschaftlern, Köchen und Bauern jetzt in der Lage, die vielleicht amerikanischste aller Speisen auf rein pflanzlicher Basis zu imitieren.

Das Resultat, so heisst es bei Impossible Foods, sei ein unglaublich leckerer «game changer» von einem Burger. Ein Game Changer deshalb, weil man sich – ganz so, wie sich das für ein Unternehmen aus dem Silicon Valley gehört – nicht damit begnügt, einfach nur stinkreich zu werden, sondern auf dem Weg dorthin auch noch die Welt retten will. Oder in Start-up-Sprache ausgedrückt: «To make the world a better place.»

Nerds hacken Hackfleisch

Und es stimmt ja auch: Kühe sind nun mal eine Umweltkatastrophe. Sie benötigen jede Menge Platz, trinken viel zu viel Wasser und produzieren mehr Treibhausgase als sämtliche Autos dieser Welt zusammen. Die Zeit ist überreif für etwas Disruption im Kuhstall. Nerds aus dem Silicon Valley haben das Taxiwesen gehackt, die Hotellerie ebenso, nun hacken sie halt das Hackfleisch.

Wir haben Schwein und bekommen die letzten beiden Tickets für den Impossible Burger im Jardinière, die Nummern 31 und 32. Mehr liegt für die Küche nicht drin an einem Abend. Besitzerin des Jardinière ist die amerikanische Star-Köchin Traci Des Jardins. 85 Prozent der Leute würden keinen Unterschied zu einem «normalen» Burger feststellen, lässt sich die Promiköchin, die nebenbei als Beraterin bei Impossible Foods tätig ist, auf der Online-Gastroplattform «Eater SF» zitieren. Nun denn: Möge das Testessen beginnen!

Unverschämt saftig

Optisch macht der Hämburger einen tadellosen Eindruck. Der Fleischersatz schimmert in authentischem «Medium rare»-Rot und sieht unverschämt saftig aus. Clever: das Kokosöl in der Rolle des Fettes. Weniger gefällt das etwas zu trocken geratene Kartoffelbrötchen. Da man aber schon lange die Marotte kultiviert, als erste Handlung vor dem Verspeisen eines Burgers stets den überflüssigen Deckel neben dem Teller zu entsorgen, fällt dies nicht so sehr ins Gewicht.

Schön, wie uns jetzt die frische Avocado entgegenlacht, begleitet von karamellisierten Zwiebeln und ein paar knackigen Salatblättern. Zusammengehalten wird die ganze Belegschaft von einer veganen Dijonnaise. Obwohl etwas gar luftig geraten, überzeugt der Burger auch mit seiner Konsistenz.

Bauern sollten sich Gedanken machen

Der erste Eindruck passt: Ist das hier tatsächlich der neue Stern am Fast-Food-Himmel? Fast. Würde Traci Des Jardins etwas grosszügiger salzen und ihre Dijonnaise eine Spur kräftiger anrühren, merkte man womöglich tatsächlich nicht sofort, dass für den Impossible Burger keine Tiere sterben mussten. So zubereitet aber dominiert der Buchweizengeschmack. Wer auf Vollkorn steht, sollte damit keine Probleme haben. Wir mögens einfach beefiger.

Dass Traci Des Jardins ihren Hämburger nicht in einer den Gaumen betäubenden Sauce ersäuft, rechnen wir ihr dennoch hoch an. Es zeigt, dass sie an das Unmögliche glaubt: Dass Tiere schon bald keine Rolle mehr spielen werden bei der Fleischproduktion. Nach dem Verzehr des Impossible Burger halten wir fest: Noch können die Kühe nicht aufatmen. Aber die Bauern sollten sich langsam ein paar Gedanken machen.

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Jasmine Helbling, Redaktorin
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