Diesen Spruch kennen wohl alle Teenager-Eltern: «Alle anderen dürfen länger als ich.» Auch Sibylle Gisin aus Rothenfluh BL bekam ihn von ihrem 15-jährigen Sohn zu hören, als sie für den Freitagabend die Zeit bestimmt hatte, an der ihr Sohn wieder zu Hause sein sollte. «Für alles Mögliche - zum Beispiel für Taschengeld - gibt es Tabellen, an die man sich halten kann. Wenn es aber um das Thema Ausgang geht, fehlen solche allgemeinen Richtlinien», sagt Sibylle Gisin.

Viele Eltern sind verunsichert, wenn sie bestimmen sollen, wie lange sich ihre Kinder abseits des Elternhauses verlustieren dürfen. Pfannenfertige Rezepte wie im Kochbuch gebe es keine, sagen Erziehungsexperten übereinstimmend. Es gelte, Zeitpunkt und Dauer des Ausgangs auf die Persönlichkeit des Kindes abzustimmen. «Der Abend richtet sich nach dem nächsten Morgen», meint Camille Büsser von der Familien- und Erziehungsberatung Basel. «Wenn das Aufstehen unter der Woche Schwierigkeiten bereitet, war der Ausgang sicher zu lang.» Büsser empfiehlt Eltern von Teenagern, sich etwa an einem Elternabend über die praktizierten Ausgangsregelungen auszutauschen.

«Ausgang unter der Woche sollte für schulpflichtige Kinder die Ausnahme bleiben», ergänzt Linda Furrer von der sozialpädagogischen Familienbegleitung der Pro Juventute. Eltern müssten sich aber in jedem Fall informieren, wohin und mit wem ihr Kind in den Ausgang geht und wie die Heimkehr organisiert ist. Furrer: «Die Kinder sollten ermutigt werden, ihre Freunde und Bekannten nach Hause zu bringen. So können sich die Eltern ein Bild davon machen, mit wem ihr Kind Umgang pflegt.»

Partnerinhalte
 
 
 
 

Um 22 Uhr ist Schluss mit lustig
Wichtig bei der Regelung des Ausgangs: die Zuverlässigkeit des Kindes. Je genauer ein Kind Regeln einhält, desto grösser sind die Freiheiten, die Eltern ihren Sprösslingen einräumen können. Regeln ernst zu nehmen, lernt man aber nicht von einem Tag auf den anderen. «Eltern, die ihren Kindern nie Vertrauen geschenkt haben, können nicht erwarten, dass es auf einmal klappt», sagt die Erziehungsexpertin und Buchautorin Eva Zeltner. Zeltner empfiehlt, die Kinder schon früh an die Einhaltung der - gemeinsam erarbeiteten - Regeln zu gewöhnen. Und der Bruch einer Abmachung sollte Folgen haben - zum Beispiel eine befristete Ausgangssperre. Die Konsequenzen müssen dem Kind aber vorgängig bekannt sein.

Die Frage, bis um welche Zeit die Kinder draussen unterwegs sein dürfen, stellt sich für die Eltern von Interlaken und den umliegenden Gemeinden Unterseen und Matten nicht mehr. Die örtlichen Behörden haben tief im Polizeireglement gekramt und sind in einem längst vergessenen Artikel fündig geworden: Seither dürfen sich Schulkinder abends nicht ohne Begleitung ihrer Eltern oder der Erziehungsberechtigten auf öffentlichen Strassen und Plätzen aufhalten. Die Sperrzeit wurde auf 22 Uhr festgesetzt. Wellen warf der Entscheid kaum. «Die wenigen Rückmeldungen waren positiv», sagt Schulamtleiterin Esther Gabi.

Auch Erziehungsexperten loben diese Massnahme: «Bei zeitgemässer Regelung kann das eine grosse Hilfe sein», sagt Familien- und Erziehungsberater Büsser. Sibylle Gisin würde eine gesetzliche Ausgangssperre ebenso begrüssen: «Als Eltern könnte man auf dieses Argument zurückgreifen, wenn sonst nichts mehr hilft.»