Gekündigt nach 25 Jahren – ist das rechtens?
Ein Aargauer Unternehmen kündigt einem älteren Angestellten – aus guten Gründen, befindet das Gericht. Der Beobachter erklärt, warum er trotzdem eine Entschädigung erhält.
Veröffentlicht am 26. Februar 2025 - 06:00 Uhr
Das Bezirksgericht Muri AG sprach dem Entlassenen 3,5 Monatslöhne zu.
Eine Aargauer Firma kündigt 2023 einem Rohstoffeinkäufer. Er hat 25 Jahre für den Betrieb gearbeitet und wäre gut ein Jahr später pensioniert worden. Die Firma muss Betriebsabläufe straffen, um Kosten zu sparen.
Der Mann klagt gegen die Kündigung: Sie sei missbräuchlich, es habe keinen Anlass gegeben. Man habe ihn einfach durch einen jüngeren, günstigeren Arbeitnehmer ersetzen wollen.
Widersprüchliche Aussagen vor Gericht
Vor dem Bezirksgericht Muri AG stellt das der frühere Vorgesetzte anders dar, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Der Mann sei schwer zu lenken gewesen, habe nicht auf digitale Prozesse umstellen wollen und Fehler gemacht beim Einkauf. Und er habe die betrieblichen Veränderungen abgelehnt und mit mieser Stimmung das Klima vergiftet.
Dem widerspricht der Mann: Er habe Beschlüssen immer Folge geleistet. Und man habe ihm nie mit der Kündigung gedroht. Falsch, sagt der Vorgesetzte: Mündlich habe er mehrmals damit gedroht. Etwas Schriftliches kann er aber nicht vorlegen.
Erhöhte Fürsorgepflicht bei älteren Angestellten
Das Bezirksgericht bestätigt, dass es sachliche Gründe für die Kündigung gegeben hat – dem Mann sei nicht wegen seines Alters gekündigt worden. Trotzdem heisst es die Klage des Einkäufers gut.
Denn der Arbeitgeber hätte bei der Kündigung schonend vorgehen müssen, weil er gegenüber älteren Angestellten eine erhöhte Fürsorgepflicht hat. Er hätte deshalb vorgängig klar die Konsequenzen aufzeigen müssen, wenn sich die Leistungen nicht verbessern. Das Gericht spricht dem Kläger 26’500 Franken als Entschädigung zu, das sind 3,5 Monatslöhne. Der Entscheid ist rechtskräftig.
Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?
Im Gesetz steht dazu ein ganzer Katalog. Missbräuchlich kann es sein, jemandem allein wegen seines Alters zu kündigen – besonders kurz vor der Pensionierung und nach vielen Dienstjahren.
Nicht missbräuchlich ist die Kündigung, wenn Angestellte ihre Leistung nicht mehr erbringen. Grundsätzlich gilt Kündigungsfreiheit: Auch ältere Angestellte darf man entlassen.
Was genau heisst «erhöhte Fürsorgepflicht»?
Das lässt sich nicht generell sagen – wie genau und wie stark Firmen Rücksicht nehmen müssen, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich gilt aber, dass sie bei älteren Angestellten schonend vorgehen sollen.
Früher war das Bundesgericht noch der Meinung gewesen, dass Betriebe rechtzeitig informieren, Angestellte anhören und nach anderen Lösungen suchen müssen. Später ist es davon abgekommen und hat entschieden, dass Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet sind.
Hinweis: Der Text wurde am 26.2.2025 aktualisiert.
- «Aargauer Zeitung»: Lehrbuchbeispiel einer diskriminierenden Alterskündigung?
- Beobachter-Ratgeber: Über fünfzig und keinen Job mehr
- Beobachter-Rechtsratgeber: missbräuchliche Kündigung, samt Checkliste und Musterbrief
- Obligationenrecht: Artikel 336
Wenn der Arbeitgeber kündigt, ist das ein Schock. Darum ist es umso wichtiger, dass Angestellte ihre Rechte kennen – insbesondere wenn die Kündigung missbräuchlich sein könnte. Als Beobachter-Mitglied erfahren Sie zum einen in einer Checkliste, welche Punkte für diesen Umstand erfüllt sein müssen, zum anderen, wie Sie sich mit unseren Musterbriefen dagegen wehren und wie das Bundesgericht in strittigen Fällen entschieden hat.
- 1Checkliste: Wann ist die Kündigung missbräuchlich?
- 2Musterbrief: Gegen eine missbräuchliche Kündigung protestieren
- 3Musterbrief: Kündigungsfrist verlängern, wenn Sie krank sind
- 4Musterbrief: Bitte um Kündigungsbegründung
- 5Bundesgerichtsentscheide: In diesen Fällen war die Kündigung missbräuchlich
- 6Bundesgerichtsentscheide: In diesen Fällen war die Kündigung nicht missbräuchlich
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8 Kommentare
Klar muss man seine Leistung bringen, hingegen hat aber auch die Firma pflichten. Ich habe es gesehen wie es eben nicht funktioniert als mein Vater starb. Ich wollte alles korrekt erledigen und dies ohne ein bischen Verständnis der Firma, bis es drei Monate später zu Kundenreklamationen kam, darauf und auf den Absenzen wurde herum gehackt. Die Schweiz als Arbeitgeberland? Naja.
Wenn jemand nicht gut arbeitet, hätte man das innert 25 Jahren merken sollen. 1 Jahr vor der Pensionierung künden, das ist sehr unanständig, da diese Person sein gesamtes Leben lang bedeutend weniger Geld bekommt.
Man könnte ja auch mit einem Angestellten reden und ihm einen für beide Seiten guten Deal anbieten, das wäre fair gewesen.
Wahre Worte. Tragisch das Vorgehen, wenn Unternehmen nichts unter nehmen, damit Menschen nicht unter gehen, und munter nehmen damit die Gewinne nicht runter gehen...
hat den dieser einkäufer termine verpasst oder hat er schaden verursacht .... oder geht es nur um gewinnmaximierung
der vorgesetzte hat wohl auch nicht professionell gearbeitet. wenn man unzufrieden ist mit der leistung eines ag führt man standortgespräche welche unabdingbar schriftl. protokolliert werden müssen. auch die kündigungsandrohungen müssen natürlich schriftl. festgehalten sein. man nennt dies schriftl. verweise.
Arbeitgeber sind doch für nichts mehr zuständig oder verantwortlich. Sklavenarbeit lässt grüssen. Allerdings sollten Firmen dazu verpflichtet werden einen Beitrag an die Krankenkasssen zahlen zu müssen.