Kaum Praktika und Jobs wegen Corona
Die wirtschaftliche Lage vermiest Studierenden den Start ins Berufsleben. Viele müssen auf unerwartete Chancen hoffen.
Veröffentlicht am 15. August 2020 - 21:32 Uhr
Natalie Kallay hatte an einer Pariser Uni ein dreimonatiges Praktikum absolvieren und danach ihr erstes Mastersemester in Belgien beginnen wollen. Doch dann kam Corona, und die 23-jährige ETH-Studentin bekam eine Absage. Gestrichen wurde auch ein dreitägiges Seminar bei einer Consultingfirma in Mailand, das sie sich geangelt hatte.
Vielen Studierenden ergeht es ähnlich. Sie finden nur schwer Ferienjobs, kaum Praktikumsstellen und eine feste Anstellung sowieso nicht. Seit dem Shutdown seien die Unternehmen insbesondere bei Angeboten für feste Stellen sehr zurückhaltend geworden, heisst es auch beim grössten Schweizer Stellenportal Jobs.ch.
Natalie Kallay hat sich trotz den düsteren Aussichten weiter beworben. Aber immer wieder erhielt sie die gleiche Antwort: «Wir würden Sie gern einstellen, aber im Moment geht es wegen Corona nicht.» Einige Unternehmen haben ihr Dossier behalten und versprochen, dass sie sich melden, sobald es wieder offene Stellen gibt.
Am meisten zu schaffen macht die Unsicherheit. Nichts ist mehr planbar. Evelyne Kappel vom ETH Career Center, die Studierende beim Einstieg ins Berufsleben unterstützt, macht die gleichen Erfahrungen. Einzelne Unternehmen hätten gefragt, ob es überhaupt Studierende gebe, die dieses Jahr ihr Studium abschliessen.
Der Shutdown hat Nachwirkungen. Alle Uni-Labors, die nichts mit Corona-Forschung zu tun hatten, waren geschlossen. «Wegen der Corona-Massnahmen konnten einige ihre Abschlussarbeiten im Labor nicht fertigstellen», so Kappel. Sie werden ihr Studium mit zwei, drei Monaten Verspätung beenden. Der Grossteil der Studierenden könne aber wie geplant abschliessen.
Wie stark der Berufseinstieg erschwert wird, sei im Moment schwer zu beurteilen. Wie gut die Chancen sind, sei abhängig von der Tätigkeit, der Branche und vom Unternehmen, sagt Kappel. Exportorientierte Firmen etwa seien von der Krise stärker betroffen. Es gebe aber auch positive Beispiele. So habe ein Unternehmen auf dem Höhepunkt der Krise Bewerberinnen und Bewerber gesucht, weil es wegen Corona mehr Aufträge hatte. Hoffnung mache auch, dass es auf dem Stellenportal für ETH-Abgänger ähnlich viele Angebote wie vor einem Jahr gebe.
Anders die Situation an der Universität Zürich. «Im April waren deutlich weniger Stellen ausgeschrieben. Seither nimmt die Anzahl moderat zu», sagt Roger Gfrörer, Leiter Career Services. «Die Absolvierenden sind aber nicht nur wegen des ausgedünnten Stellenmarkts verunsichert», sagt er. Dass Vorlesungen und Seminare praktisch nur online stattgefunden haben, habe das Semester anstrengender gemacht.
Auch viele Studierende warteten mit Bewerbungen zu, sagt Evelyne Kappel. Ein Fehler, denn gerade jetzt sei es wichtig, dass man die Augen offen halte. «Wir ermutigen unsere Studentinnen und Studenten, sich zu bewerben.» Vor allem im IT-Sektor gebe es nach wie vor offene Stellen. Auch die Career Services der Universität Zürich ermutigen die Absolvierenden, sich erst recht intensiv auf den Berufseinstieg vorzubereiten. «Wir haben unser Angebot ausgebaut und unterstützen sie auch während der Semesterferien», sagt Roger Gfrörer.
Mit der Krise hat sich der Trend verstärkt, dass der Einstieg ins Berufsleben nur über ein Praktikum oder eine befristete Anstellung führt. Trotz den vielen Absagen hat Natalie Kallay die Hoffnung nicht verloren. «Mich motiviert, dass sich durch die Krise Unerwartetes für mich ergeben könnte.»
Heutige Stellenprofile werden immer anspruchsvoller, weshalb die Stellensuche zunehmend zur Herausforderung wird. Der Beobachter gibt Mitgliedern Tipps, wie sie den Stellenmarkt optimal erkunden, dabei ihr persönliches Netzwerk nutzen und worauf Berufseinsteiger sowie 50-plus-Bewerber achten können.