Wie kompetent sind Sie in Finanzfragen? Die Wissenschaft stellt dazu oft standardisierte Fragen.

Etwa die: Wer 100 Franken auf dem Konto hat und 2 Prozent Zinsen erhält, hat nach fünf Jahren:

a) mehr als 102 Franken,
b) genau 102 Franken,
c) weniger als 102 Franken,
d) weiss nicht.

Frauen schneiden dabei international wie auch in der Schweiz deutlich schlechter ab als Männer – und sie antworten öfter mit «weiss nicht».

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Ratgeberbuch «Close the Gaps!»

Das muss nicht sein, nein: Das darf nicht sein, finden Patrizia Laeri und Nadine Jürgensen. Die beiden Schweizer Finanzexpertinnen haben 2021 die Finanzplattform für Frauen Ellexx mitbegründet und jetzt für die Beobachter-Edition das Ratgeberbuch «Close the Gaps!» geschrieben.

Patrizia Laeri ist Unternehmerin, Wirtschaftsjournalistin und hat für das Schweizer Fernsehen gearbeitet. Nadine Jürgensen war Rechtsanwältin und NZZ-Journalistin, bevor sie sich selbständig machte. 

«Close the Gaps!» will genau das, was der Titel fordert: die Lücken schliessen, die Frauen in vielen Lebensbereichen von den Männern trennen.

Sie haben geringere Kenntnisse in Finanzdingen, verdienen weniger, verhandeln schlechter über ihren Lohn, gehen beim Geldanlegen geringere Risiken ein und erzielen deshalb eine schlechtere Rendite. Sie stecken in einer Beziehung häufiger zurück und erleiden so finanzielle Einbussen – und sie fahren mit dem geltenden Vorsorgesystem schlechter. Deshalb stehen sie im Alter im Schnitt ärmer da als Männer. 

Patrizia Laeri und Nadine Jürgensen haben den Ratgeber «Close the Gaps!» geschrieben.

Die Autorinnen von «Close the Gaps!»: Nadine Jürgensen (links) und Patrizia Laeri. 

Quelle: PD

Das Buch zeigt Fakten und Zusammenhänge auf, porträtiert Frauen mit Vorbildcharakter und macht mit Checklisten und konkret umsetzbaren Tipps den Leserinnen Mut, sich um ihr Geld zu kümmern.

Angefangen bei der Frage, warum Mädchen weniger Taschengeld erhalten als Jungs, über Lohnverhandlungen und Beziehungstipps bis zum Erbrecht: Selbst nach dem Tod gibt es einen «Gap» zwischen Frauen und Männern …

Buchtipp
Close the Gaps!
Buchcover Close the Gaps!

Beobachter: Um das Wissen über Geld zu testen, werden üblicherweise drei relativ einfache Fragen zu Zinsen, Teuerung und Risiken gestellt. Frauen schneiden dabei im Schnitt deutlich schlechter ab als Männer. Warum? Ist die Schulbildung auf Knaben ausgerichtet?

Patrizia Laeri: Eltern erziehen Mädchen und Jungen unbewusst anders, wenn es um Zahlen, Mathematik oder Finanzen geht. Sie zahlen Mädchen später und weniger Taschengeld oder machen ihnen weniger Geldgeschenke. Mädchen können den Umgang mit Geld dann auch schlechter lernen. Mütter halten die Mädchen zum Sparen und Haushalten an. Das ist schön und recht, aber das Investieren und Aufbauen ist ebenso wichtig.

Darüber sprechen die Väter, sie reden lustvoller und unternehmerischer über Geld als Mittel, sich auch Träume zu erfüllen. Jungen kennen viel früher Begriffe wie Kredit. Es wäre also entscheidend, dass Väter mit ihren Töchtern über Geld sprächen.

Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer, und nicht der ganze Unterschied ist erklärbar. Würden Sie mehr verdienen, wenn Sie ein Mann wären? 

Patrizia Laeri: Definitiv. Studien zeigen, dass Frauen sogar beim Einstiegsgehalt frisch ab Ausbildung bis zu 27 Prozent weniger verdienen.

Nur Lohntransparenz und mehr weibliche Führungskräfte können diesen Gender-Pay-Gap endlich schliessen. Nur so wird es gelingen, den Sexismus auf der Lohnabrechnung abzuschaffen.

Was raten Sie Frauen beim Bewerbungsgespräch oder in der Lohnverhandlung?

Patrizia Laeri: Zurzeit verdienen jene Menschen in der Schweiz am meisten, die am besten verhandeln. Die selbstbewussten und meistfordernden sind aber nicht immer die fähigsten Arbeitskräfte. Das ist unfair, weil längst nicht alle gut und gern verhandeln. Und es ist teuer für die Firmen, weil sie weibliche Talente verpassen.

Aktuell sind Frauen leider gezwungen, zu verhandeln. Wir haben im Buch eine Checkliste, die aufzeigt, wie man diese Gratwanderung meistern kann, etwa mit Hartnäckigkeit, vorbereitenden Rollenspielen und einer Liste der eigenen Erfolge.

Beim Geldanlegen gehen Frauen im Schnitt weniger Risiken ein als Männer und fahren darum oft eine geringere Rendite ein. Sie wollen das ändern. Wie?

Nadine Jürgensen: Frauen sind die besseren Anlegerinnen, das haben Studien zigfach belegt. Es stimmt, dass Frauen weniger Risiken eingehen und oft auch überinformiert sind, bevor sie loslegen.

Wir wollen die Frauen darin bestärken, dass sie eigentlich viel mehr wissen und können, als sie denken – und sie dann auch ermuntern, wirklich zu investieren. Wir arbeiten daran, in Zukunft ETF-Sparpläne direkt aus unserer App anbieten zu können, und freuen uns, wenn die Frauen diese günstige Form des Investierens für sich entdecken.

In einer Partnerschaft stecken mehr Frauen als Männer beruflich zurück und erleiden so finanzielle Einbussen. Woran liegt das?

Nadine Jürgensen: Zum grössten Teil an der gesellschaftlichen Norm und den Glaubenssätzen von Frauen zu Geld. Die finanzielle Abhängigkeit von einem Mann gehört zum Narrativ, mit dem viele Mädchen auch heute noch teilweise aufwachsen.

Dazu gehört, dass man bei der Heirat den Namen ablegt oder vom Vater an den Traualtar geführt und in die Hand des nächsten Mannes übergeben wird. Sobald Kinder zu betreuen sind, stecken oft die Frauen zurück, weil sie ja nicht das grosse Geld nach Hause bringen. Zusammen mit der Heiratsstrafe, der ansteigenden Steuerprogression bei zwei Vollverdienern und den hohen Kita-Kosten ist die Rechnung dann schnell gemacht: Frau bleibt zu Hause.

«Altersarmut ist weiblich», schreiben Sie in Ihrem Buch, weil das schweizerische Vorsorgesystem auf männliche Vollzeitkarrieren ausgerichtet ist. Was muss die Politik tun, um das zu ändern? 

Nadine Jürgensen: Es wäre wichtig, dass die zweite Säule für möglichst viele Frauen zugänglich wird, damit sie fürs Alter besser abgesichert sind. Besonders betroffen sind geschiedene, verwitwete oder vormals alleinerziehende Frauen, jede vierte von ihnen bezieht Ergänzungsleistungen.

Da jede zweite Partnerschaft getrennt wird, ist es wichtig, dass die Voraussetzungen stimmen, dass die Frauen entweder einer bezahlten Arbeit nachgehen können, oder die Sorgearbeit müsste, ähnlich wie bei der AHV, berücksichtigt werden, wenn es um die Anhäufung von Alterskapital geht. Als das System der Sozialversicherungen geschaffen wurde, hatte man effektiv die Frauen gar nicht mitgedacht. 

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