«Mäusi will nur fressen.»

«Republik», 20. November 2024

Es war einmal ein Mäusebussard, der hatte sich am Flügel verletzt. Eine Rentnerin aus dem schönen Zürcher Oberland fand ihn 2020, päppelte ihn auf, und er hob wieder ab. Mäusi, wie sie ihn liebevoll nennt, fühlte sich so vögeliwohl, dass er fortan in ihren Garten kam, um Fleisch zu fressen.

Glückliche Jahre mit Madame und Mäusi zogen ins Land. Doch ein Nachbar, der mit Adleraugen das Treiben beobachtete, zeigte die Frau eines Tages an – wegen Verstosses gegen das kantonale Jagdgesetz. Es verbietet seit 2023 das Füttern von Wildtieren, nur in Ausnahmefällen ist das in «kleinen Mengen» erlaubt, etwa mit Körnern.

Partnerinhalte
 
 
 
 

«Es geht um ein hungriges Tier, es hat das Recht, zu essen, wie wir alle.»

Die Angeklagte

Die Dame kassierte einen Strafbefehl mit Busse – und fütterte den geliebten Mäusi weiter. So schlug der Nachbar erneut zu und schickte dem Jagdaufseher angebliche Beweisfotos. Wieder flatterte der 77-Jährigen ein Strafbefehl ins Haus. Diesmal wehrte sie sich und zeigte den Nachbarn wegen illegaler Fotoaufnahmen an.

Am Gericht bekam man schier Vögel ob der Frage, ob die Fotos nun unerlaubtes Fleisch oder die teils erlaubten Körner zeigen. Mäusi habe im Winter kaum Nahrung gefunden, sagte die Frau verzweifelt. «Es geht um ein hungriges Tier, es hat das Recht, zu essen, wie wir alle.» Und Mäusi, so ihre Verteidigerin, «weiss nichts vom neuen Jagdgesetz».

Die Sache mit den Hungervögeln

Vögel füttern im Winter – das ist so eine Sache. Bei Futterstellen besteht laut Fachleuten das Risiko, dass sie zum Superspreader für die Vogelgrippe werden. Wildvögel fänden auch winters selbst genügend Nahrung. Wirklich? Bekannt ist auch: In strengen Wintern werden in Schweizer Greifvogelstationen täglich bis zu zehn Hungervögel abgegeben. Genau ein solcher Hungervogel sei Mäusi gewesen, so die Anwältin der Vogelfreundin. Zudem sei er nicht irgendein Wildvogel, die Vorgeschichte sei ja bekannt.

Zuletzt wurde Mäusis Freundin freigesprochen – mangels Beweisen. Ihre Erleichterung muss gross gewesen sein. Und wenn sie und Mäusi nicht gestorben sind, dann besucht er sie noch heute – und frisst höchstens Körner, wohlverstanden.