Therapien können zusätzliche Traumata hervorrufen
Auch in der Schweiz hält sich die Mär von ritueller Gewalt. Jetzt warnt die Schweizer Vereinigung der Psychiatrischen Kliniken und Dienste vor entsprechenden Therapien.
Veröffentlicht am 9. Juni 2022 - 17:08 Uhr
Gewisse Traumatherapeuten glauben fest daran: an satanistische Rituale mit sexuellem, körperlichem und psychischem Missbrauch, an absichtlich herbeigeführte dissoziative Zustände, ausgelöschte Erinnerungen, durch sogenannte Mind Control fremdgesteuerte Opfer, geschändete Babys, aufgeschlitzte Schwangere – kurz an rituelle Gewalt.
Auch in Schweizer Kliniken waren und sind vermutlich auch noch heute Therapeuten tätig, die der Verschwörungstheorie von ritueller Gewalt anhängen. Die gesamtschweizerische Vereinigung der Psychiatrischen Kliniken und Dienste Swiss Mental Health Care (SMHC) distanziert sich darum in einer Stellungnahme von den entsprechenden Therapiemethoden.
Dabei legen die Therapeuten ihren Traumapatienten den Gedanken nahe, dass sie Opfer ritueller Gewalt geworden seien. Und sie «helfen» ihnen mittels therapeutischer Techniken, sich an vermeintlich Verdrängtes zu erinnern. Es werden Scheinerinnerungen, sogenannte False Memories, quasi eingepflanzt.
«Dieses Herbeiführen von Scheinerinnerungen ist eine hochproblematische Nebenwirkung der jeweiligen Therapie – in gewissen Fällen sogar ein Kunstfehler», sagt Erich Seifritz, SMHC-Präsident. Denn diese induzierten Scheinerinnerungen können laut Seifritz selber zu Traumatisierungen führen – mit schwerwiegenden psychosozialen Folgen für die betroffenen Personen wie auch für ihr Umfeld.
«SMHC weist klar auf die Gefahren solcher Behandlungen hin. Während einer Psychotherapie auftauchende Hinweise auf rituelle Gewalt sind deshalb mit allergrösster professioneller Zurückhaltung zu behandeln.»
Bis jetzt kein einziger Fall in der Schweiz nachgewiesen
Ihren Anfang nahm die Verschwörungstheorie in den späten 1970er-Jahren in den USA. Die Existenz von ritueller Gewalt wurde aber nie belegt, entsprechende Anschuldigungen hielten vor Gericht nicht stand. Auch in der Schweiz wurde bisher kein einziger solcher Fall nachgewiesen oder gar strafrechtlich mit einer Verurteilung abgeschlossen. Es bestehen zudem keine wissenschaftlich erhärteten Hinweise, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen gezielt aufspalten und fremdsteuern liesse, wie das die Mind-Control-Theorie behauptet.
Trotzdem grassiert die Mär von der rituellen Gewalt auch in der Schweiz. So erschütterte etwa der Skandal um die Thurgauer Klinik Clienia Littenheid. In einer SRF-Sendung hatte der Oberarzt der Traumastation der Klinik von «rituellem, satanistischem Missbrauch», von «unvorstellbaren Gewalttaten» und Menschenopfern gesprochen. Es sei eine Parallelwelt, die sich extrem gut zu schützen wisse. Er musste daraufhin den Hut nehmen.
Unter Satanismusverdacht standen etwa auch Eltern von Patientinnen der Thurgauer Therapiestation Schnäggehuus , wie der Beobachter unlängst berichtete.
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3 Kommentare
Man kann es nicht beweisen und darum ist es eine Mär? Der Beobachter hat noch nicht bewiesen, dass es rituelle Gewalt nicht gibt! Darum gilt es zuerst einmal den Opfern zu glauben. Mär ist eine Vorverurteilung all jener, die sich schmerzhaft zu erinnern versuchen. Man fügt ihnen damit noch ebenso Ungerechtigkeit zu. Es gilt, wie Herr Gisy meint, zuerst einmal zu glauben. Wie will man rituelle Gewalt beweisen, wenn sie im Geheimen stattfindet, und die Opfer erst Jahrzehnte später Flashbacks haben? Man kann ja nicht einmal bei häusliche Gewalt beweisen, ob der Partner wirklich ja zu Sex gesagt hat oder sich wehrte. Wie denn ein Kind, das von sonst lieben Erwachsenen zu Dingen gezwungen wird, die es nicht will! Endlich kommt das Thema auf. Gebt bitte den Opfern eine Chance. Ich wusste nichts davon und begleitete eine Person während Jahren, sich ihren eigenen Bildern zu stellen. Diese erschienen von alleine, waren nicht manipuliert und Kristall klar.
Horst, ich stehe voll und ganz hinter ihrer Aussage. Der Artikel von Frau Haefely hat mich zutiefst entsetzt!
Auch ich leide unter Flashbacks über Sexuellen Missbrauch in der Kindheit. Ich war selber im Schnäggehuus und niemand hat mir da was eingepflanzt. Ich wurde einmal danach gefragt ob ich solche Dinge erlebte was ich verneinte. Damit war das Thema erledigt.
Jedes Kind hängt an seinen Eltern und der verdrängten Vergangenheit ins Gesicht zu schauen kostet extrem viel Mut und man zweifelt immer als erstes mal an sich selbst und seiner Erinnerung! Ich kann mir nicht vorstellen dass diese Erinnerungen alle eingepflanzt wurden. Es ist wircklich schrecklich aber der Plan der Täter geht auf. Den Kindern wird ja sowieso nicht geglaubt da sie noch so beeinflussbar sind und die Rolle der gutbürgerlichen, anståndigen Familie wird von niemandem angezweifelt!! Oh man! Wer wird hier eigentlich manipuliert??