«Der Taskforce-Beitritt ist mit der Neutralität vereinbar»
Die Schweiz soll einer multinationalen Taskforce beitreten, die Oligarchengelder aufspürt. Ist das noch neutral?
Veröffentlicht am 30. März 2024 - 06:00 Uhr
Die Schweiz soll so schnell wie möglich der multinationalen Taskforce Repo beitreten. Die Abkürzung steht für Russian Elites, Proxies and Oligarchs (deutsch: russische Eliten, Bevollmächtigte und Oligarchen). Der Entscheid war denkbar knapp. Mit zwölf zu elf Stimmen (bei einer Enthaltung) unterstützt die aussenpolitische Kommission des Nationalrats eine Motion von Grünen-Politikerin Franziska Ryser. Mit der Taskforce wollen Staaten wie die USA, Deutschland, Frankreich, Italien und Australien russische Oligarchengelder gemeinsam aufspüren und Wirtschaftssanktionen wirkungsvoll durchsetzen.
Der Bundesrat will dabei nicht mitmachen. Er empfahl bereits im August 2022, die Motion abzulehnen. Man stünde schon heute mit anderen Nationen in Kontakt. Der praktische Nutzen und die Auswirkungen der Taskforce müssten rechtlich und politisch geprüft werden, meinte er.
Die Befürworter aber wollen nicht abwarten. Denn die Schweiz ist – wenn es um russische Vermögen geht – ein wichtiger Player. Hierzulande sollen bis zu 300 Millionen Franken an Oligarchengeldern parkiert sein. Damit «trägt Schweiz eine grosse Verantwortung für die Wirksamkeit von Massnahmen, die zur raschen Beendigung des zerstörerischen Angriffskrieges gegen die Ukraine führen», heisst es in der Motion.
Für Gegnerinnen hingegen verstösst die internationale Zusammenarbeit gegen die Neutralität. Ist das so? Marco Jorio, Historiker und Neutralitätsexperte, verneint: «Ein Beitritt zur Taskforce ist mit der Neutralität sehr wohl vereinbar, da sie deren Kern nicht berührt.» Der Beitritt sei auch durch die Uno-Charta gedeckt, die der Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung gibt, sagt er gegenüber dem Beobachter. «Das heisst, dass alle Staaten das Recht – nicht aber die Pflicht – haben, der Ukraine beizustehen. Wirtschaftliche Sanktionen sind eines der Mittel dazu.»
Wirtschaftliche Sanktionen seien, mit Ausnahme der Waffenausfuhr, schon seit 100 Jahren nicht Teil des Neutralitätsrechts. Gemäss Jorio klammert sich die Schweiz noch immer an das veraltete Haager Abkommen aus dem Jahr 1907. Damals habe man noch jedem Land ein Recht auf Krieg zugestanden, was heute völkerrechtlich verboten sei. Und man habe nicht zwischen Aggressor und Opfer unterschieden.
Zwar habe sich die Schweiz mit dem Neutralitätsbericht bereits 1993 für eine rein militärische Neutralität entschieden. «Die Politik und breite Bevölkerungskreise hängen aber immer noch einer ausufernden Neutralität nach, die ihre Wurzeln im Kalten Krieg hat. Das hat mit der heutigen Zeit aber nichts mehr zu tun», sagt der Historiker gegenüber dem Beobachter.
Als Nächstes wird der Nationalrat die Motion in der Sondersession vom April behandeln. Wenn er zustimmt, muss noch der Ständerat entscheiden.
Hinweis: Am 17. April 2024 hat der Nationalrat die Motion abgelehnt. Er folgte damit der Empfehlung des Bundesrates. Ein Beitritt der Schweiz zur multinationalen Taskforce Repo ist damit vom Tisch.
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Die Neutralitätsinitiative als Chance für eine Kurskorrektur
Die Neutralitätsinitiative bringt drei Neuerungen: „Die Schweiz verbündet sich nicht mit der NATO: jenem aggressiven Verband, der seit 75 Jahren die westliche Vorherrschaft behauptet. Stattdessen orientiert sich unser Land künftig an der UNO, öffnet sich für die Probleme und Interessen der globalen Staatenwelt. Und wenn die Menschen auf unserem Planeten eine Zukunft haben sollen, wird Friedensarbeit zur Pflicht. Kurz: Die Neutralitätsinitiative erlaubt eine Kurskorrektur!“(Verena Tobler in Infosperber vom 21.4.2024)
Schweizer Jagd auf Russen-Gelder
Der Schweizer Geschäftsführer von Transparency International, Martin Hilti, beanstandete in der SRF-Sendung «Echo der Zeit», dass das Schweizer Recht die Suche nach Oligarchengeldern schwieriger mache. Dies, weil die Schweiz, verglichen mit anderen Ländern, kein sogenanntes Behörden-Register über die wirtschaftlich Berechtigten juristischer Personen führe – also zum Beispiel über die Geldgeber von Aktiengesellschaften, die nicht an der Börse kotiert sind. Man muss speziell erwähnen, dass diese Organisation in diesem Bereich seit langer Zeit mehr Transparenz schaffen will.
Wären die Gesetze ein Hindernis, müsste die Schweiz beim Aufspüren von Oligarchengelder dem Ausland hinterherhinken. Das ist nicht der Fall. Bis heute (10.8.2023) hat unser Land russische Vermögen im Wert von 7,5 Milliarden Franken gesperrt – das ist mehr als Deutschland oder Frankreich.
Ausserdem: Was ist das überhaupt für eine Attitüde, unsere Gesetze sofort anpassen zu wollen, um Forderungen aus dem Ausland nachzukommen? Wenn wir keine Rechtssicherheit mehr gewährleisten können, dann sind wir nicht besser als eine Bananenrepublik.
Neutralität: Glaubwürdigkeit als Vermittlerin erhalten!
Die Schweiz verfügt wie kein anderes Land auf der Welt über eine jahrhundertelange, glaubwürdige Neutralität. Diese glaubwürdige Neutralität hat es der Schweiz ermöglicht, in vielen internationalen Konflikten ihre guten Dienste zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle Weltenlage zeigt auf dramatische Weise, dass es ein Land wie die Schweiz braucht, das zwischen Kriegs- und Konfliktparteien vermitteln kann und einen Platz für Verhandlungen bietet. Es versteht sich von selbst, dass glaubwürdige Neutralität bedeutet, dass die Schweiz nicht Teil von Sanktionen oder kriegerischen Handlungen sein kann, da sie sonst zur Partei wird und ihre Glaubwürdigkeit als Vermittlerin verliert. Die Welt braucht mehr denn je eine neutrale, vermittelnde Schweiz!