Bei Arbeiten in der Livigno-Staumauer gelangte 2016 der krebserregende Baustoff PCB in den Gebirgsfluss Spöl, der durch den Nationalpark fliesst. Seither wartet man dort darauf, dass der Fluss ausgebaggert und gereinigt wird. Der Beobachter berichtete.

Jetzt ist der Streit um die Sanierung eskaliert. Im Dezember platzten die Verhandlungen zwischen dem Nationalpark und den Engadiner Kraftwerken EKW. Im Februar verfügte der Kanton Graubünden, dass nur die oberen 2,75 Kilometer saniert werden sollen.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Dagegen hat der Nationalpark Einsprache erhoben. Er verlangt, dass das Sedimentgestein auf den gesamten 5,75 Kilometern bis zu einer Tiefe von 50 Zentimetern gereinigt wird. Statt geschätzten 15 bis 20 Millionen Franken dürfte das doppelt so viel kosten.

Der Grund für die harte Linie: der Tod eines Uhu-Weibchens, das sich von Fischen aus dem Spöl ernährt hatte. In seinem Fleisch wurde eine tausendmal höhere PCB-Konzentration gemessen, als sie für Menschen erlaubt ist.

Der Fall zeige, dass sich das PCB in der Nahrungskette festgesetzt habe. «Eine halbbatzige Sanierung» reiche deshalb nicht, sagt Heidi Hanselmann, Stifungspräsidentin des Nationalparks. «Wenn nur der halbe Fluss saniert wird, bleibt ein Drittel des PCBs zurück.» Gemäss Nationalpark gehen nur rund 15 Prozent des freigesetzten PCBs auf den Unfall zurück. Der Rest müsse durch den normalen Kraftwerksbetrieb in den Bergbach gelangt sein.

Bündner Nationalrat Pult greift ein

Das PCB beschäftigt nun auch Bundesbern. Der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult hat gleich zwei Interpellationen eingereicht, die sich auf die Recherchen des Beobachters stützen.

«Ich will den Druck auf die Kraftwerke erhöhen und national auf das nach wie vor ungelöste PCB-Problem hinweisen», sagt Pult.

Der Bund hat 2004 das Stockholmer Übereinkommen ratifiziert und damals versprochen, alles PCB bis 2028 fachgerecht zu entsorgen. Geschehen ist bisher wenig. Falls die Antworten des Bundesrats unbefriedigend ausfallen, werde er «schärfere Mittel ergreifen», kündigt Pult an.

Die Industriechemikalie ist seit über 30 Jahren verboten. Man findet sie noch immer in Farbanstrichen im Innern von Kuhställen und in Fugendichtungen von Küchen. PCB gilt als krebserregend, wirkt negativ auf das Hormonsystem und verschlechtert die Spermienqualität gravierend. In der Schweiz nimmt man über die Nahrung im Schnitt siebenmal mehr PCB auf, als die EU erlaubt, zeigen Untersuchungen.

Buchtipp
ÖKOlogisch! – Nachhaltiger konsumieren in der Schweiz
ÖKOlogisch!
Woche für Woche direkt in Ihre Mailbox
«Woche für Woche direkt in Ihre Mailbox»
Martin Vetterli, stv. Chefredaktor
Der Beobachter Newsletter