Wenn Essen krank macht
Essen kann Ihre Gesundheit gefährden: Wer eine Nahrungsmittelallergie hat, muss besonders vorsichtig sein.
aktualisiert am 4. Juni 2020 - 15:21 Uhr
Wenn Kim B. sich plötzlich elend fühlt, muss sie sich nur umschauen. Vermutlich isst jemand in ihrer Umgebung eine Kiwi. «Mein Mund beginnt zu jucken. Das nimmt stetig zu, bis die Luftröhre anschwillt und ich Atemnot bekomme», so die 23-jährige angehende Lehrerin.
Dabei litt sie als Kind nur unter Heuschnupfen, ausgelöst durch Eschen- und Birkenpollen. Während der Pubertät begann sie allergisch auf Kiwis, Ananas, Brombeeren, Baumnüsse, Erdbeeren und Bananen zu reagieren – eine sogenannte Kreuzreaktion. Wie B. geht es etwa jeder zweiten Person, die unter Heuschnupfen leidet. Wenn sie bestimmte Pollen einatmet, läuft die Nase und tränen die Augen. Isst sie bestimmte Lebensmittel, reagiert sie mit verschiedenen Symptomen.
Etwa vier Prozent der Erwachsenen und acht bis zehn Prozent der Kinder leiden an Nahrungsmittelallergien. Was läuft da schief? Bei einer echten Allergie reagiert der Körper gegen körperfremde, in Lebensmitteln enthaltene harmlose tierische oder pflanzliche Proteine, die normalerweise gut verträglich sind. Ein allergisch veranlagter Mensch bildet nach dem Erst- oder auch nach einem späteren Kontakt mit einem speziellen Protein aus der Nahrung sogenannte IgE-Antikörper. Diesen Vorgang nennt man Sensibilisierung. Die Betroffenen merken davon nichts.
Die nun vorhandenen IgE-Antikörper können aber eine allergische Reaktion auslösen, sobald man das Nahrungsmittel wieder zu sich nimmt. In Haut und Schleimhäuten werden dabei Botenstoffe wie Histamin ausgeschüttet. Diese lösen die typischen Symptome Juckreiz, Rötung der Haut, Schwellungen des Gesichts oder Atemnot aus. Oder eben wie bei Kim B. das orale Allergiesyndrom: Juckreiz an Lippen und im Hals oder ein pelziges Gefühl in Mund und Gaumen. Ein Bissen kann genügen – oder wie bei Kim B. allein der Duft einer Kiwi.
Am häufigsten wird dieser Effekt durch rohe Nüsse, Stein- und Kernobst ausgelöst. Manchmal reagiert auch der Magen-Darm-Trakt, es kommt zu Erbrechen oder Durchfall. Nur selten ist eine allergische Allgemeinreaktion lebensgefährlich. Am häufigsten wird in der Schweiz ein solcher lebensbedrohlicher Zustand durch Sellerie, Erdnüsse oder Schalentiere ausgelöst.
Theoretisch kann fast jedes Nahrungsmittel zu allergischen Reaktionen führen. Statistiken der Universität Zürich zeigen, dass Sellerie und Rüebli die häufigsten Allergieauslöser sind, gefolgt von Milch und Käse. Umgekehrt gibt es nur wenige Lebensmittel, gegen die kaum jemand allergisch ist: Artischocken, Blattsalate, Kartoffeln, Zucker und Reis.
Eine Nahrungsmittelallergie kann – bei entsprechender Veranlagung – irgendwann im Lauf des Lebens auftreten. Alkohol, körperliche Anstrengung oder Stress können Symptome verstärken oder erst auslösen.
Kinder können auf den Genuss von Milch oder Eiern allergisch reagieren, ohne vorher an Heuschnupfen zu leiden. Bei Jugendlichen und Erwachsenen aber ist es selten, dass der Nahrungsmittelallergie keine Pollenallergie vorangeht. Sie reagieren auf mehrere ähnliche oder verwandte Proteine von Pollen und Nahrungsmitteln zugleich – eine Kreuzreaktion.
Eine vermutete Nahrungsmittelallergie muss von einem spezialisierten Arzt, einem Allergologen, abgeklärt werden. Dazu werden sogenannte Prick-Tests durchgeführt: Das verdächtige Lebensmittel wird auf die Haut aufgetragen und die obere Hautschicht angeritzt. Reagiert die Haut mit Juckreiz und Quaddelbildung, gilt die Allergie als gesichert. Oft wird auch ein sogenannter Rast-Test durchgeführt, bei dem im Blut nach Antikörpern gegen bestimmte Lebensmittel gesucht wird.
Wenn sich der Verdacht bestätigt, muss man die allergieauslösenden Nahrungsmittel meiden. Manchmal hilft es schon, diese gekocht statt roh zu essen – Hitze kann allergieauslösende Proteine verändern oder zerstören.
Heilbar sind Nahrungsmittelallergien nicht, im besten Fall können sie sich auswachsen. Etwa Milch- oder Ei-Allergien im Kleinkindalter. Andere Allergien, etwa auf Erdnüsse oder Fisch, bleiben meist lebenslang. Das bedeutet: jede Etikette auf der Verpackung lesen oder beim Einkauf und im Restaurant nachfragen. Heute müssen die wichtigsten allergieauslösenden Zutaten oder mögliche Verunreinigungen auf jedem Lebensmittel aufgedruckt sein.
Bei Kreuzallergien besteht die Möglichkeit, eine Desensibilisierung gegen die Pollenallergie zu machen. Leider kann sie eine Nahrungsmittelallergie nicht sicher zum Verschwinden bringen.
Wenn ein Allergiker dennoch ein für ihn gefährliches Lebensmittel erwischt und mit dem oralen Allergiesyndrom reagiert, gibts nur eins: ausspucken und den Mund mit Wasser spülen. Bei stärkeren Symptomen kann ein ständig mitgeführtes Notfallset die allergische Reaktion dämpfen.
Die häufigsten Kreuzreaktionen
Pollenallergie auf: Birke, Erle, Hasel
Kreuzreaktion mit: Kern- und Steinobst (Äpfel, Birnen, Pflaumen, Aprikosen, Kirschen), Haselnuss, Walnuss, Mandeln, Tomaten, Karotten, Sellerie, Mango, Erdbeeren, Anis, Pfefferminze, Curry, Avocado, Fenchel, Kiwi, Litschi
Pollenallergie auf: Beifuss
Kreuzreaktion mit: Sellerie, Rüebli, Fenchel, Artischocken, Zwiebel, Knoblauch, Kamille, Pfeffer, Paprika, Peperoni, Senf, Dill, Petersilie, Koriander, Kümmel, Anis, Sonnenblumenkerne
Pollenallergie auf: Gräser
Kreuzreaktion mit: Erdnuss, rohe Kartoffeln, Soja, Kiwi, Tomaten, Melone, Getreide, Petersilie, Thymian, Curry, Hülsenfrüchte, Pfefferminze
Allergie auf: Latex
Kreuzreaktion mit: Ananas, Aprikose, Avocado, Banane, Buchweizen, Feige, Kartoffel, Kastanie, Kiwi, Melone, Papaya, Passionsfrucht, Pfirsich, Spinat, Tomaten, Trauben
Allergie auf: Vogelfedern, Vogelkot
Kreuzreaktion mit: Hühnerei (Eigelb)
Allergie auf: Hausstaubmilben
Kreuzreaktion mit: Crevetten, Hummer, Krebse, Langusten, Schnecken
Weitere Infos
- Pollendaten und -prognosen, ergänzt durch Informationen zur Pollenallergie: www.pollenundallergie.ch
- Allergien: www.aha.ch