«Auf Plastik steht: Migrante numero 1, 2...»
Daniela Stauffacher erforscht, wie an der italienischen Küste mit toten Flüchtlingen umgegangen wird. Fast 20'000 sind seit 2014 auf dem Weg über das Mittelmeer gestorben.
Aufgezeichnet von Conny Schmid:
Vor meiner Arbeit gab es zu den toten Flüchtlingen kaum Forschung. Man konzentriert sich auf die lebenden. Das wollte ich ändern.
Als Erstes fuhr ich 2018 nach Kalabrien, zum Friedhof von Armo, dem bis dahin einzigen Migrantenfriedhof Europas. Es war ein kalter, nebliger Tag im Februar. Unwirtlich. Ich musste ein wenig suchen, plötzlich tat sich vor mir ein Feld auf mit etwa 60 Gräbern. Da wird einem schon ein wenig schlecht.
Irgendwann erinnert man sich wieder an die Aufgabe. Und fängt an, zu dokumentieren, zu zählen, zu schauen, wie die Gräber angeschrieben sind. Es gab wenige Kreuze. Auf den Grabhügeln steckten verwitterte Plastikblumen, auf Plastikmäppli stand: «Migrante numero 1, 2, 3 …».
Auf anderen Friedhöfen in Kalabrien, auf Sizilien und Lampedusa waren die Toten meist in Wände eingelassen, in sogenannte Loculi. Darauf stand manchmal ein Vorname oder «sconosciuto» – unbekannt. Überall sprach ich mit den Friedhofswärtern, Gerichtsmedizinerinnen, dem Bürgermeister und allen, die irgendwie mit den toten Migranten zu tun hatten.
Ich wollte auch an Bestattungen teilnehmen, aber es kamen nicht mehr so viele Tote an. Matteo Salvini war gerade an die Macht gekommen, die Schiffe konnten nicht einlaufen. Das Schleppermodell änderte sich. Seither werden die Flüchtlinge auf Gummibooten losgeschickt, die niemals die Küste erreichen. Die Menschen ertrinken vorher.
Ein Mitglied einer Arbeitervereinigung erzählte mir, dass manche Fischer herausgezogene Leichen – oder auch nur einzelne Arme und Beine – einfach zurück ins Meer warfen, damit ihre Schiffe nicht beschlagnahmt wurden und monatelang ausfielen.
Einzelne Schiffe von Hilfswerken oder der Küstenwache kamen trotzdem mit Toten an, es setzte sich eine Maschinerie in Gang, Quarantäne, ein Arzt machte eine kurze Inspektion. Danach wurden die Leichen schnell auf die Gemeinden im Hinterland verteilt.
Die Küstenbevölkerung bekommt die Toten fast nie zu sehen. Sie werden durch dieses Prozedere unsichtbar gemacht. Nur wenn viele Tote aufs Mal ankommen, gibt es grössere Bestattungsfeierlichkeiten. Daran nehmen dann auch Politiker oder Geistliche teil, die sich so profilieren können. Die lokalen Unternehmen profitieren. Im Normalfall werden die Toten aber ohne Ritual bestattet.
Es ist schwer, herauszufinden, wo ein Toter hingebracht wurde. Vieles ist schlecht dokumentiert und wird ad hoc entschieden. Ein Schlüsselerlebnis war der Besuch beim Bürgermeister einer sizilianischen Küstenstadt. Der Bestatter sollte eine Leiche abholen, die viel zu lange im Spital gelegen hatte und sich zersetzte. Sie war in einem Sarg für Erdbestattungen . In jener Stadt war es aber üblich, die Toten in Loculi einzulassen. Der Bestatter fragte, ob er diesen Toten in der Erde bestatten dürfe. Der Bürgermeister überlegte kurz und sagte dann, mit einem Schulterzucken: «Ja, dann leg ihn halt unter die Erde.»
Wie mit toten Flüchtlingen umgegangen wird, wo und wie sie bestattet werden, was mit ihren Sachen geschieht, hängt oft von Einzelpersonen ab. Es gibt nichts in der Art von Soldatenfriedhöfen, wo man sehen könnte, wie viele Menschen auf dem Mittelmeer umkommen. Ich möchte mit meiner Forschung einen kleinen Beitrag leisten, damit diese Toten nicht vergessen gehen.
6 Kommentare
Die allermeisten Flüchtlinge kommen aus Islamisch regierten Staaten oder werden von Islamisten vertrieben. Ist dies nicht Merkwürdig ? Unsere linke Medien und linke Politiker sagen dann, dass nur ein kleiner Teil des Islams Radikal sei. Hat noch niemand gesehen, dass diese kleine radikale islamistische Minderheit die Gesetze des Korans umsetzt ? Wer den Koran schon einmal gelesen und sich damit etwas befasst hat wundert sich nicht, dass in diesen Ländern nur Verwirrung statt Liebe und Vergebung gestreut wird.
Ich bin gespannt darauf dieses Buch zu lesen, das gerade veröffentlicht wurde. Ich wurde neugierig, weil ich nach dem Lesen seines Artikels einige Dinge mir nicht erklären kann, die ich als Grundlegend betrachte, für einen jungen Journalistin, der sich für Flüchtlinge interessiert.
Was Sie überhaupt nicht erwähnen, ist die menschliche Anstrengung, die Tausende von Einwohnern an der italienischen Küste geleistet haben und in der sie über letzten fünfzehn Jahre gearbeitet haben. Menschlichkeit, Gastfreundschaft, Begeisterung, Mitgefühl und das Teilen von allem, was sie haben, sind die erste Zeichen, das die Bewohner der italienischen Küsten auszeichnet.
Wenn die Autorin einen Beitrag leisten wollte, um ein so heikles Thema zu vertiefen und nichts anderes zu erzählen fand, dann ist Oberflächlichkeit die Note, die mich am meisten beeindruckt.
Das gleiche Grau von denen, die möchten nicht wissen, mit Klitsche zufrieden sind und an ihren Vorurteilen festhalten, wie aus den üblichen Kommentaren immer noch leider hervorgeht. Dieser Artikel fügt nichts hinzu: Zusätzlich zur tragischen Realität ist es wirklich unfair, dass Sie kein Zeugnis ablegen, die Frömmigkeit, den Schwung und die Stärke derer ignorieren, die so viele Menschen um die Lebenden und Toten an den italienischen Küsten sich kümmern.
Schade.
Ja es ist tragisch. Vor allem das warum! Die grossen Globalplayer haben über Jahre in Afrika die Rohstoffe ausgebeutet, dann ein Chaos hinterlassen und die Bevölkerung den korrupten Regierungen überlassen. Nun aber gibt es einen Plan (der Mächtigen und NGO's) mit den Flüchtlingen den europäischen Raum zu fluten und eine Durchmischung der Völker voranzutreiben. Die Aussage dass dadurch neue Facharbeiter kommen um die Altersvorsorgen zu gewährleisten ist absoluter Blödsinn. Die ganze Sache stinkt zum Himmel, da viele Schlepperorganisationen sich bereichern auch mit Hilfe der NGO's und der linken Gutmenschen, welche dies noch unterstützen.
Genau so ist es!
Ja, ein sehr trauriger Artikel..man schämt sich aus dieser Gegend zu kommen. Obwohl unsere Eltern vor vielen Jahren auch in den Norden auswanderten .... alles vergessen? Auf der anderen Seite wurde Italien von der EU auch alleine gelassen. Italien ist selber in einer schlechten Verfassung, vor allem Süditalien... trotzdem sehr sehr traurig und sollte unbedingt verfolgt werden.