Meine Katze, der Angsthase
Einst dachte ich, Tierpsychologie sei Quatsch. Nun weiss ich: Wer einer Katze etwas beibringen will, muss erstmal selbst dazulernen.
aktualisiert am 9. Juni 2010 - 16:42 Uhr
Eine Katze mit klassischen Methoden wie «Nein!», «Pfui!» oder «Aus!» erziehen zu wollen, ist etwa so nachhaltig wie Seifenblasen züchten. Wenn eine Katze sich unerwünscht verhält, indem sie zum Beispiel regelmässig auf die Kommode springt und die liebevoll arrangierten Porzellanfigürchen zu Boden fegt, kann man schimpfen und toben und die Figürchen jedesmal zusammenleimen und wieder aufstellen - oder man akzeptiert, dass die Katze die Kommode als Rennbahn benutzt. Und schmeisst den Nippeskram einfach weg. Irgendwann wird man es sowieso tun.
Katzen sind aus irgendeinem Grund nicht geneigt, menschliche Massregelung mit eigenem Fehlverhalten in Verbindung zu bringen. Schimpfende Menschen machen Katzen höchstens ratlos. Wer einer Katze etwas beibringen oder abgewöhnen möchte, hat wesentlich bessere Erfolgsaussichten, wenn er – das Prinzip kurz zusammengefasst – erwünschtes Verhalten belohnt, unerwünschtes dagegen ignoriert. Eine Methode namens Klickern hilft, diese Taktik gezielt einzusetzen: Man regt die Katze zunächst dazu an, etwas relativ Simples zu tun; zum Beispiel auf ein Stöckchen zu hauen. Tut sie wie erhofft, drückt man auf das Klickergerät, das – daher der Name – «klick» macht, und belohnt das Tier mit etwas Leckerem. Da Katzen ja zwar manchmal blöd tun, es aber keineswegs sind, begreifen sie schnell, und der Schwierigkeitsgrad der Übungen kann kontinuierlich gesteigert werden. Ist man sehr ambitioniert und übt mit einer besonders verfressenen Katze, kann man ihr mit dieser Methode wahrscheinlich sogar beibringen, «alle meine Entchen» pfeifend rückwärts durch einen brennenden Reifen zu springen. Wenn man das möchte.
Mir hingegen genügt es völlig, dass meine Angststörungspatientin LouLou, die wochenlang auf meinem Schreibtisch wohnte, dank Tipps unserer Tierpsychologin und Klickern im wahrsten Sinne wieder Boden unter den Füssen hat: Sie verlässt nun den Schreibtisch immer öfter und länger und marschiert inzwischen recht selbstbewusst durchs ganze Arbeitszimmer.
Früher habe ich bei Stichworten wie Bachblüten, Homöopathie und vor allem Tierpsychologie immer neunmalklug abgewunken: In meinen Augen war das allenfalls etwas für verwöhnte Millionärsgattinnen-Handtaschenhunde, die aus Protest gegen ihre eigene Existenz immer Frauchens Lippenstifte fressen und in die Puderdose pinkeln. Doch bekanntlich ist der Kopf rund, damit Gedanken ihre Richtung ändern können. Und so freue ich mich inzwischen jeweils sogar auf die Gespräche mit unserer Tierpsychologin.
Die nächste Herausforderung ist nun, LouLou ihre Angst vor anderen Katzen zu nehmen, indem ich sie zwei- bis dreimal täglich dem Anblick eines Artgenossen aussetze, wofür ich jeweils kurz die Zimmertür öffne. Und damit LouLous zart aufkeimendes Selbstvertrauen nicht gleich wieder niedergemäht wird - zum Beispiel indem die stürmisch veranlagte Shakti freudig auf sie zugaloppiert -, wurde vorsichtshalber eine Gittertür installiert. Doch die ersten Blickkontakte zwischen LouLou und den anderen darf ich ungeschönt als viel versprechend beschreiben.
Und so bin ich doch sehr zuversichtlich, dass LouLou eines nicht allzu fernen Tages wie eine ganz normale Katze durch die Wohnung toben und Zeugs von der Kommode fegen wird. Die Telefonnummer einer guten Tierpsychologin hab ich ja nun: Die kann mir dann bestimmt sagen, wie ich das LouLou wieder abgewöhnen kann.
1. Prinzip: Ich stöbere nicht auf Katzenvermittlungsseiten.
2. Prinzip: Es kommt keine weitere Katze ins Haus.
3. Prinzip: Ach, was solls...
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