Ja zum Klimaschutzgesetz – was heisst das jetzt?
Die Schweiz wird bis 2050 klimaneutral. Dazu hat die Stimmbevölkerung am 18. Juni Ja gesagt. Was passiert jetzt?
Veröffentlicht am 20. Juni 2023 - 14:35 Uhr
Überblick
Die wichtigsten Fragen nach dem Ja zum Klimaschutzgesetz:
Was bringt das neue Klimaschutzgesetz?
Das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit – kurz Klimaschutzgesetz – beinhaltet im Wesentlichen zwei Punkte:
- Erstens, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden soll. «Netto null» wird das auch genannt. Bis dahin muss sie den Verbrauch von Erdöl und Erdgas schrittweise reduzieren. Die Schweiz darf ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als sie durch natürliche Speicher (zum Beispiel den Wald) oder technische Massnahmen wieder der Atmosphäre entziehen kann. Auf dem Weg dorthin gibt es Zwischenziele für die nächsten zweieinhalb Jahrzehnte und für verschiedene Sektoren wie den Verkehr, die Industrie und die Gebäude.
- Zweitens gibt es vom Bund finanzielle Unterstützung, damit die gesetzten Ziele erreicht werden. Zum Beispiel fliesst Geld in den Ersatz von Öl- und Gasheizungen oder in die technologische Innovation von Unternehmen.
Ab wann gilt das neue Gesetz?
Das ist unklar. Der Bundesrat entscheidet, auf wann das Gesetz in Kraft tritt. Sobald nach der Abstimmung alle Fristen (Publikationsfrist, Beschwerdefrist etc.) abgelaufen und wenn keine Abstimmungsbeschwerden vor Bundesgericht mehr hängig sind, kann das Gesetz in Kraft treten. Oft geschieht das auf den Anfang des Folgejahres. In verschiedenen Medienberichten war die Rede davon, dass der Bundesrat das Klimaschutzgesetz erst per 2025 in Kraft setzen will. In der Medienkonferenz vom Abstimmungssonntag sagte Energieminister Albert Rösti, dass der Bundesrat jetzt in den Verordnungen vor allem schnell festlegen müsse, wie die Mittel für den Heizungsersatz eingesetzt werden sollen.
Wie werden die Fördergelder verteilt?
Die Details sind noch nicht bekannt, das Umweltdepartement Uvek erarbeitet zurzeit die Ausführungsbestimmungen. Die Förderung für Unternehmen stehe grundsätzlich allen offen, die innovative Technologien anwenden, sagt ein Mediensprecher. Von Wärmepumpen bis zu Technologien, die CO2 im Kamin abscheiden, sei vieles möglich. Die Voraussetzung für Fördergelder ist, dass das Unternehmen einen Plan erarbeitet, mit dem es auf Netto-null-Emissionen kommen will. Ausgeschlossen sind zum Beispiel Massnahmen, die schon vom Bund gefördert werden. Diese Finanzhilfen laufen direkt über den Bund.
Die Förderung für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen läuft über das bereits bestehende Gebäudeprogramm. Für den Vollzug sind wie heute schon die Kantone zuständig.
2021 ist die Revision des CO2-Gesetzes an der Urne gescheitert. Es sollte ebenfalls dazu beitragen, dass das Pariser Klimaabkommen eingehalten werden kann. Braucht es jetzt noch eine Neuauflage?
Ja. Das bereits bestehende CO2-Gesetz muss revidiert werden, denn es regelt nur die bestehenden Massnahmen bis 2025. Darin geht es um zahlreiche Dinge – vom Emissionshandelssystem über Vorgaben für Autoimporteure bis zur CO2-Abgabe auf Brennstoffe. Zurzeit wird das CO2-Gesetz wieder vom Parlament überarbeitet.
Dazu kommt: Wie die Zielvorgaben des neuen Klimaschutzgesetzes bis 2050 zu erreichen sind, muss noch im Detail bestimmt werden. Das neue Klimaschutzgesetz sieht explizit vor, dass der Bundesrat dem Parlament Vorschläge zur Umsetzung im CO2-Gesetz macht.
Woher soll der ganze Strom kommen, um die fossile Energie zu ersetzen?
Die Klimapolitik funktioniert nur zusammen mit der Energiepolitik. Das Parlament will deshalb den Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigen. Letzten Herbst hat es schon den sogenannten Solarexpress beschlossen, der vor allem alpine Solaranlagen schneller ermöglichen soll. In der soeben abgeschlossenen Sommersession hat das Parlament zudem den Windexpress geschaffen: Damit soll der Bau von Windkraftanlagen, die in der Planung bereits weit vorangeschritten sind, beschleunigt werden.
Im Fokus für den Ersatz der fossilen Energie steht vor allem der sogenannte Mantelerlass, der zurzeit im Parlament steckt. Darin sind zwei vormals einzelne Gesetzesvorlagen zusammengefasst, das Energiegesetz und das Stromversorgungsgesetz. Das Parlament debattiert momentan noch über eine Solarpflicht bei Neubauten und über Eingriffe in den Naturschutz. National- und Ständerat sind sich nicht einig. Aber laut verschiedenen Berichten wollen die Politikerinnen und Politiker den Mantelerlass noch in der Herbstsession unter Dach und Fach bringen, bevor danach mit den Wahlen das Parlament neu zusammengesetzt wird.
4 Kommentare
NEIN zum Stromgesetz: Kosten sind viel zu hoch im Vergleich zum Nutzen
Egal wie viele Hundert Milliarden die Schweiz in eine CO2-neutrale Energieversorgung investiert, das hat Null-Auswirkungen auf das Weltklima. Wir werden das aber in den kommenden Jahren ganz gewaltig in unserem Portemonnaie spüren.
Mit dem Stromgesetz will der Bundesrat den Bau von Grosskraftwerken zur Chefsache machen. Die Stromkonzerne erhalten bis zu 60 Prozent ihrer Investitionskosten – vom Steuerzahler. Und können den Subventionsstrom erst noch teuer verkaufen.
NEIN zum Stromgesetz
Wer rechnen kann – sei man Unternehmer, Gewerbetreibender, Arbeitnehmer oder Hausfrau –, muss am 9. Juni das neue Stromgesetz ablehnen. Alles zusammengezählt, wird uns diese Vorlage nämlich nicht weniger als 100 Milliarden Franken kosten.
NEIN zum Mantelerlass: Entmachtung des Volkes!
„Mit dem Stromgesetz, über welche das Schweizer Stimmvolk am 9. Juni abstimmt, will der Bundesrat den Bau von Grosskraftwerken sozusagen zur Chefsache machen.
Das Gesetz sieht vor, dass das «nationale Interesse» an der Stromversorgung allen anderen Interessen vorgeht, insbesondere auch solchen des Natur- und Landschaftsschutzes. Damit wären Tür und Tor geöffnet für potenziell Tausende von Windrädern und gigantische Grossflächensolaranlagen in den Alpen.
Dabei ist bekannt: Die Schweiz ist kein Windland. Und die Sonne scheint nur, wann sie will. Zu befürchten ist, dass wir mit diesem Stromgesetz nur wenig mehr Strom hätten, dafür viel mehr Kosten.
Die Stromkonzerne lachen sich schon jetzt ins Fäustchen: Sie erhalten bis zu 60 Prozent ihrer Investitionskosten – vom Steuerzahler. Und können den Subventionsstrom erst noch teuer verkaufen.
Wer profitiert also vom diesem Stromgesetz? Sicher nicht die Bürger. Sicher nicht die Konsumenten. Sicher nicht unsere einzigartige Natur und Landschaft.
Und, leider, nicht einmal die Stromversorgung.“ (Ph. Gut in Weltwoche vom 15.4.2024)
Nein zum Mantelerlass: Natur, Landschaft und Biodiversität erhalten!
Der Strombedarf muss über grössere Stromeffizienz, Lenkungsabgaben und Stromsparen gesenkt werden. Mittel- und langfristig ist Strom aus modernen KKWs einzusetzen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist auf vorbelastete Siedlungs- und Verkehrsräume zu beschränken. Er darf nicht auf Kosten von Natur, Landschaft und Biodiversität gehen.