Die SVP machts gut. 

Nach der gewonnenen Abstimmung übers CO2-Gesetz vor zwei Jahren schaffte es die Volkspartei jetzt fast wieder, eine Klimaschutzvorlage an der Urne zu versenken. Mit 59 Prozent Zustimmung hat es am Ende doch noch für ein komfortables Ja gereicht. Doch die Nervosität der Befürworter vor dem Abstimmungssonntag war gross.

2021 erlitt die Schweizer Klimapolitik Schiffbruch. In einem langen politischen Prozess hatte das Parlament ein umfassendes Gesetzespaket geschmiedet. Ein klassischer Schweizer Kompromiss. Die SVP rang die überragende Mehrheit der Parteien und Verbände aber trotzdem nieder. «Autofahren nur für Reiche?», «Landbevölkerung abzocken?», «Familien belasten?»: Die Gegner des CO2-Gesetzes trafen mit dem Kostenargument ins Schwarze. Am Ende sagten damals 51,6 Prozent Nein.  

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Abstimmungen finden natürlich nicht im luftleeren Raum statt. Das Geld war vermutlich nicht der einzige Faktor für den SVP-Sieg. Am gleichen Tag standen zwei Agrarinitiativen zur Abstimmung. Das mobilisierte auf dem Land aussergewöhnlich stark. Dann war noch Pandemie und Kurzarbeit. 

Zweimal erfolgreich

Zwei Jahre, einen Krieg und eine Energiekrise später: die nächste Klimavorlage an der Urne. Ein grosser Unterschied ist, dass es diesmal um ein vergleichsweise schlankes Gesetz ging. Keine neuen Abgaben, keine Verbote. Und trotzdem konnte die SVP ihre Kampagne vom letzten Mal hervorholen und die Klimaschützer nochmals gehörig verunsichern. Zwar hiessen die Slogans «Energie-Sicherheit gefährden?» und «Nein zum Stromfresser-Gesetz», doch in den Argumentarien und Flugblättern ging es auch diesmal um die Kosten. Verarmungsgesetz, massive Mehrkosten für Haushalte, explodierende Strompreise. «Noch mehr bezahlen?»

Es spielt für viele Stimmbürger keine Rolle, ob das Gesetz tatsächlich zu Mehrkosten führt oder nicht. Dass die Benzinpreise sowieso von Tankstelle zu Tankstelle massiv schwanken. Oder eigentlich die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) oder der Ukrainekrieg schuld an den hohen Energiepreisen sind. Entscheidend beeinflusst wird das Abstimmungsresultat aber durch die Sorgen der Leute. Nur schon die Vorstellung, dass sich am Ende sogar der Mittelstand keine warme Stube oder keine Ferienreise mehr leisten kann, hat reale Auswirkungen an der Urne.

Die Befürworter des Klimaschutzgesetzes machten es der Volkspartei einfach. Obwohl sich Politikerinnen und Politiker nach der letzten Niederlage reuig und einsichtig gaben, haben sie offenkundig keine befriedigende Antwort auf die Kostenfrage gefunden. Es reicht nicht, auf die Folgekosten hinzuweisen, die der Klimawandel verursacht – oder auf die noch höheren Kosten, die entstehen, wenn man nichts gegen den Klimawandel unternimmt. Das ist zu abstrakt.

Immer noch ein blinder Fleck

Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es konkrete Massnahmen, über die wir wieder abstimmen werden. Wenn die Schweizer Politik vorwärtsmachen will, muss sie das Kostenargument der SVP endlich ernst nehmen und offensiv angehen.  

Der Bund hält in seiner Klimastrategie fest, dass diese sozialverträglich sein soll. Das steht auch in Artikel 11 des Klimaschutzgesetzes, über das wir gerade abgestimmt haben. Das Wort allein ist aber noch keine Strategie und erst recht kein Geld im Portemonnaie. Es gibt eigentlich kein konkretes Programm zur Abfederung allfälliger Mehrkosten für Leute mit knappem Budget. 

Anders in der EU. Sie hat das Problem erkannt und einen milliardenschweren Klimasozialfonds geschaffen. Mit Massnahmen wie Steuererleichterungen, direkten Finanzhilfen oder Unterstützung beim Umstieg auf klimaschonende Transport-, Energie- und Heizsysteme werden Einkommensschwache ab 2026 spezifisch unterstützt.

Arme dienen der SVP als Kampagnentreiber und als Alibi gegen effektiven Klimaschutz. Menschen mit geringem Einkommen tragen viel weniger zur Klimaerwärmung bei als Reiche. Gleichzeitig sind sie von den Auswirkungen stärker belastet. Deshalb hilft Klimaschutz den Armen, wenn er richtig ausgestaltet ist. Die Kräfte, die wollen, dass es in der Schweiz mit der Klimapolitik vorwärtsgeht, tun trotz heutigem Sieg gut daran, dieses Thema bei den weiteren Massnahmen endlich proaktiv anzugehen. 

Sonst wiederholt sich die Geschichte beim nächsten Referendum wieder.