Kommentar zum Anti-Terror-Gesetz
Die vage Terrordefinition ist ein No-Go
Das neue Anti-Terror-Gesetz hat viele Mängel – aber was künftig als Terrorismus gelten soll, macht die Vorlage völlig inakzeptabel.
Veröffentlicht am 17. Mai 2021 - 17:09 Uhr
Gegen eine wirksame Terrorabwehr gibts nichts einzuwenden – aber so gehts nicht. Ziel des neuen Anti-Terror-Gesetzes wäre es, bereits früher gegen «terroristische Aktivitäten» vorgehen zu können. Dies dank der neuen polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, kurz: PMT.
Die Polizei soll solche Massnahmen gegen auffällige Personen verfügen können, bevor diese eine Straftat begangen haben. Das ist heikel. Aus juristischen Fachkreisen kommt entsprechend Gegenwind. Es gibt Fragen zur Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen. Vor allem aber auch, weil dieses Gesetz rechtsstaatliche Normen und Garantien unterlaufe, wie zum Beispiel die Unschuldsvermutung.
«Furcht und Schrecken kann man auch mit absurden Behauptungen oder unangenehmen Tatsachen verbreiten.»
Balz Ruchti, Beobachter-Redaktor
Für mich ist es vor allem ein Punkt, der dieses Gesetz zu einem No-Go macht: Die vage Terrorismusdefinition. Bisher ging man bei «Terrorismus» von Gewaltverbrechen aus. Unter dem PMT gelten aber bereits «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung von Staat und Gesellschaft durch die Verbreitung von Furcht und Schrecken» als «terroristische Aktivität».
Furcht und Schrecken kann man auch mit absurden Behauptungen oder unangenehmen Tatsachen verbreiten. Etwa, indem man vor der Klimakatastrophe warnt. Oder vor der Errichtung einer Diktatur durch den Bundesrat. Oder vor kriminellen Ausländern.
Macht einen dies zum «terroristischen Gefährder»
? Wohl kaum. Aber unter dem PMT könnte die Polizei bereits Massnahmen verfügen, wenn sie bloss «Anhaltspunkte» hat, dass jemand etwas in diese Richtung vorhaben könnte. Und was genau sind «Anhaltspunkte»? Das wäre noch mal ein eigenes Thema.
Unschuldsvermutung wird ausgehebelt
Zu diesen polizeilichen Massnahmen gehören zum Beispiel Meldepflicht, Kontaktverbote bis hin zu einer Art Hausarrest. Ums noch einmal deutlich zu sagen: Wir sprechen hier von einem Bereich, der weit weg ist von strafbaren Handlungen und in dem niemand sagen kann, ob sich daraus wirklich je eine Straftat ergibt. Und wer sich gegen eine verfügte Massnahme wehren wollte, müsste beweisen, dass er ungefährlich ist. Dies hebelt de facto die Unschuldsvermutung aus.
Man kann nun einwenden, dies sei den Teufel an die Wand gemalt. Die Befürworter dieses Gesetzes vertrauen auf das Augenmass unserer Behörden und auf den Schweizer Rechtsstaat.
Klar, dieses Gesetz zielt auf dschihadistische Aktivitäten. Und solang es einen nicht selbst betrifft, ist man schnell dafür, andere gründlich zu überwachen. Aber man muss sich bloss einmal vorstellen, dass sich dieses Gesetz irgendwann gegen einen selbst richten könnte. Es ist noch nicht so lange her, da wollte sich derselbe vernünftige Staat vor Kommunisten schützen. Am Ende wurden über 800'000 Menschen in der Schweiz überwacht und fichiert.
Und was das Augenmass angeht: Bisher ist die Schweiz in Sachen Terror glücklicherweise ziemlich glimpflich davongekommen. Aber sollte es je zu einem schweren Anschlag mit vielen Toten kommen, dürften wir kaum mehr auf grosse Zurückhaltung zählen können.
Darum sollte ein Anti-Terror-Gesetz möglichst wenig der Gemütslage der Nation überlassen. Das macht einen Rechtsstaat aus. Vielleicht auch deshalb kommt mittlerweile selbst aus bürgerlichen Kreisen Widerstand gegen das PMT.
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