Bauern, die Hanf anpflanzen, gibt es eigentlich gar nicht, jedenfalls nach der Auffassung des Schweizerischen Bauernverbands. Sprecher Josef Wüest: «Mit denen haben wir nichts zu tun. Das sind keine rechten Bauern, das sind die mit em glismete Chäppli.»

Wüest irrt: In Lenzburg AG stehen zwei richtige Bauern vor Gericht, beide Mitte 30, gesund und kräftig, beides Familienväter. Ihre stattlichen Höfe liegen nebeneinander im gleichen Dorf. Beide haben etwa eine halbe Hektare Hanf angepflanzt, was im Rüebliland die Justizmaschinerie in Gang setzt. Das Gericht brummt ihnen drei Monate Gefängnis bedingt auf sowie einige hundert Franken Busse.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Die beiden sind keine Ausnahmen. Etliche Bauern in der ganzen Schweiz sind auf den Hanfgeschmack gekommen, viele auch verurteilt worden. Im Aargau zum Beispiel ein Bauer, der im Gemeinderat sitzt.

Viel lukrativer als Kartoffeln

Der Ständerat wird in diesen Tagen mit grösster Wahrscheinlichkeit den Hanfkonsum für straffrei erklären. Anbau und Handel sollen weiterhin verboten bleiben, doch Übertretungen werden nicht mehr geahndet, wenn gewisse Kriterien eingehalten sind Opportunitätsprinzip heisst dies in Juristendeutsch. Doch politische Entscheidungen sind für die Strafverfolger offensichtlich bedeutungslos. Erich Kuhn, Erster Staatsanwalt im Kanton Aargau und SVP-Mann, hat die Justiz aufgefordert, das noch gültige Gesetz anzuwenden.

«Damit kommen wir unserer Legalitätspflicht nach. Wenn der Gesetzgeber das Betäubungsmittelgesetz revidiert, werden wir uns anpassen», sagt Kuhn gegenüber dem Beobachter. Nur nehmen die Aargauer die Legalitätspflicht ernster als andere Kantone: Unter Kiffern sind die Razzien in Zügen, die durch den Aargau fahren, besonders gefürchtet.

Allerdings stehen die Aargauer Hanfexorzisten nicht allein da. Mitte November fuhr die Walliser Polizei mit sieben Lastwagen bei Bernard Rappaz in Saxon ein, um 51 Tonnen getrocknete ganze Hanfpflanzen etwa zehn Tonnen Hanfblüten zu beschlagnahmen. Wert der Ware: 35 bis 41 Millionen Franken. Ein Jahr zuvor hatte die Zürcher Polizei in einer Gärtnerei in Ossingen 70 Tonnen Hanfpflanzen entdeckt. Der Wert dürfte bei rund 50 Millionen Franken liegen.

Da ist «Hanf-Housi» aus Jegenstorf im Bernbiet ein kleiner Fisch: Bei ihm stellten Polizeibeamte rund 500 Kilo Hanf im Wert von einigen 100000 Franken sicher. Kleine Hanfbauern kommen auch im Thurgau und in den meisten Westschweizer Kantonen vor Gericht. Doch viele sind zu diesem Risiko bereit Hanfanbau ist zum Big Business geworden.

Gerade die Kleinproduzenten dürften im künftigen Hanfland Schweiz gefragt sein. Christine Beerli, Berner FDP-Ständerätin und Präsidentin der Kommission, geht davon aus, dass künftig einheimische Produzenten den Konsum der Schweizer Kiffer abdecken werden. «Der Import bleibt verboten», sagt sie. Der Bedarf der 600000 Gelegenheits- und regelmässigen Kiffer im Land wird auf rund 100 Tonnen Hanfblüten pro Jahr geschätzt. 1200 bis 1400 Bauern werden so viel produzieren können, wenn jeder eine Hektare anpflanzt.

Der Anreiz zum Anbau von Hanf mit hohem THC-Gehalt dem berauschenden Wirkstoff der Hanfblüte ist gross. Mit keinem andern Produkt verdient ein Bauer auch nur annähernd so viel Geld. Für ein Kilo gereinigte Hanfblüten erhält er rund 1400 Franken. Nach Abzug der Kosten für Arbeit und Saatgut bleiben ihm 900 Franken pro Kilo. Eine Hektare ergibt im Durchschnitt 100 Kilo Hanfblüten. Der Erlös beträgt somit 90000 Franken pro Hektare. Zum Vergleich: Ein Bauer, der Speisekartoffeln anbaut, erzielt auf der gleichen Fläche einen Erlös von rund 8000 Franken. Dabei ist seine Arbeit noch nicht eingerechnet.

Einfach ist der Hanfanbau nicht. Ein Landwirt im Mittelland auch er ohne «glismets Chäppli» sagt zum Beobachter: «Wenn ich einen Tag zu spät ernte, beginnen die Pflanzen zu verfaulen.» Zudem ist viel Handarbeit nötig. Die männlichen Pflanzen müssen ausgerissen werden, die Blüten von allen Blättern gereinigt werden. Denn: «Ungereinigten Hanf akzeptieren die Kunden nicht mehr.»

Hasch mit dem Schweizer Kreuz

Auch die Indoor-Produzenten leben nicht schlecht. Sie produzieren in Wohnungen, Kellern und Häusern ihren Hanf. Er gedeiht unter elektrischen Lampen; alle zwei Monate fällt eine kleine Ernte an. Der Beobachter hat einen Produzenten besucht, der sich halbtags seinen Pflänzchen widmet. «Letztes Jahr hab ich rund 70000 Franken verdient», bekennt der Mann diesmal mit «glismetem Chäppli».

Weit fetter sind die Gewinne der Hanfladenbesitzer. Im Verkauf variieren die Preise pro 100 Kilo Hanfblüten zwischen 350000 und einer Million Franken. Abzüglich Einstandspreis, Löhnen und Ladenmiete bleiben saftige Reingewinne.

Das Hauptargument für die immense Marge ist das hohe Risiko. Ein Ladenbesitzer zum Beobachter: «Ich muss jederzeit damit rechnen, dass mir der Laden ausgeräumt und geschlossen wird.» Er sagt aber offen, dass er in der Lohnklasse eines mittleren bis höheren Kaders sei.

Die Superklasse im Hanfgeschäft ist die Haschischproduktion. Hasch ist das Harz der Blütenblätter. Der Interessenverband Hanfkoordination Schweiz lässt zwar verlauten, 99 Prozent des Haschischs in der Schweiz werde importiert. Doch dem Beobachter ist eine Produktionsanlage in der Ostschweiz bekannt, wo die weiche Droge in industriellem Ausmass hergestellt wird. Markenzeichen: das eingeprägte Schweizer Kreuz. Auch bei Bernard Rappaz traf die Polizei eine eigentliche Haschischfabrik an. Es ist offensichtlich, dass in solchen Anlagen weit mehr als nur ein Prozent des heimischen Bedarfs produziert wird.

Kenner der Szene sind der Ansicht, Haschisch werde in der Schweiz einen Boom erleben, wenn seine Produktion erlaubt sei. Hanf, meist als Gras bezeichnet, sei nur der Haschersatz. Ob die Liberalisierung auch für Haschisch gelten wird, ist jedoch noch unklar. Christine Beerli: «Der Bund wird in der Verordnung regeln, welche Hanfprodukte zugelassen werden.»

Die Justiz legt drauf

Nächste Woche wird der Ständerat über die Revision des Betäubungsmittelgesetzes entscheiden, im Frühjahr der Nationalrat. Wenn der Konsum von Hanfprodukten straffrei wird und daran zweifelt eigentlich niemand , bringt dies für die Polizei eine Entlastung. Denn noch 1999 erfolgten über 25000 Verzeigungen wegen des Konsums. Meist waren Bussen zwischen 100 und 400 Franken die Folge was den Aufwand der Behörden überhaupt nicht deckt.

Arbeitslos werden Polizei und Justiz allerdings nicht. Als sicher gilt, dass Hanfprodukte nur an Personen über 18 Jahren verkauft werden dürfen, die in der Schweiz ansässig sind. Bereits heute kiffen jedoch zahlreiche Jugendliche früher. Verzeigungen von Ladenbesitzern, die es mit der Alterskontrolle nicht so genau nehmen, sind programmiert. Und auch bezüglich THC-Limite wird es zu Übertretungen kommen. Grund: Je höher der THC-Gehalt, desto grösser der Gewinn.

Das neue Gesetz dürfte die Preise auf einer schwindelerregenden Höhe zementieren: Hanf muss wegen internationaler Verträge verboten bleiben. Übertretungen werden jedoch einfach nicht geahndet. Und damit es keine Schwierigkeiten mit dem Ausland gibt, darf auf keinen Fall Hanf exportiert werden. Der Bund muss somit die Produktion so lenken, dass sie gerade den Inlandmarkt deckt. Doch nur ein Überangebot könnte einen Preisdruck erzeugen. Fehlt der, werden die Hanfläden die Preise nicht senken geschäftstüchtige Hanfunternehmer pflegen ihre Marktchancen zu nutzen.

Dieses Bild kann nicht angezeigt werden.