So sollen unsere AKW ersetzt werden
Die «Energiestrategie 2050» wird Realität, National- und Ständerat haben das Massnahmenpaket Ende September durchgewunken. Dadurch kommt unser Strom in Zukunft vermehrt aus erneuerbaren Energiequellen, wird dafür aber teurer.
aktualisiert am 7. Oktober 2016 - 14:00 Uhr
«Es ist Zeit, dieses Geschäft abzuschliessen und endlich wieder Rechtssicherheit zu schaffen», sagte BDP-Ständerat Werner Luginbühl vor dem endgültigen Entscheid im Parlament. Nach mehr als drei Jahren zähem Ringen ist das erste Massnahmenpaket der «Energiestrategie 2050» in der Schlussabstimmung angenommen worden. Der Nationalrat stimmte mit 120 zu 72 Stimmen bei 6 Enthaltungen dafür, der Ständerat mit 35 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Dagegen stimmten geschlossen die SVP sowie einige FDP-Vertreter.
Nach dem schweren Erdbeben von Fukushima vor mehr als 5 Jahren hat der Bundesrat beschlossen, die Energieversorgung der Schweiz neu zu überprüfen. Das neue Gesetzespaket zielt darauf ab, «die Energieeffizienz zu steigern, den Verbrauch zu verringern und den Ausbau der erneuerbaren Energie zu fördern». Gleichzeitig sollen alle fünf Atomkraftwerke nach dem Ende ihrer Lebensdauer nicht ersetzt werden. Da sämtliche Massnahmen auf Gesetzesebene eingeführt werden, und nicht auf Stufe der Bundesverfassung, kann das Stimmvolk nur darüber abstimmen, wenn das Referendum zustande kommt.
Kernenergie
Es werden keine neuen Atomkraftwerke mehr gebaut. Die fünf bestehenden AKW werden nach und nach vom Netz genommen, als erstes das Kraftwerk von Mühleberg im Jahr 2019. Die restlichen vier Reaktoren in Beznau und Gösgen dürfen so lange am Netz bleiben und Strom liefern, wie die Aufsichtsbehörde Ensi sie als sicher einstuft. Es gibt also kein bestimmtes Ausstiegsdatum.
Am 25. November stimmt das Stimmvolk ausserdem über eine Initiative ab, die fordert, dass sämtliche AKW bis im Jahr 2029 (nach maximal 45 Betriebsjahren) vom Netz gehen. Hierzu ist das letzte Wort so oder so noch nicht gesprochen.
Folgen dieser Änderung: Ein durchschnittliches AKW produziert rund 8000 Gigawattstunden (GWh) Strom pro Jahr – das entspricht der Leistung von etwa 5000 Windkraftanlagen. Diese gleichmässige Stromproduktion muss ersetzt werden: Zum Beispiel durch andere Energieträger wie Gaskombikraftwerke oder durch Import. Eine andere Alternative wäre, ein neues AKW zu bauen. Das steht aber momentan nicht zur Debatte.
Wasserkraft
Schon heute trägt die Wasserkraft rund 58 Prozent zum Schweizer Strommix bei (siehe Infografik). Und das soll noch mehr werden: Bestehende Grosswasserkraftwerke erhalten neu Subventionen, wenn sie ihren Strom unter Wert verkaufen müssen – wenn also die Produktion einer Kilowattstunde (kWh) teurer war als der Marktpreis. Vorgesehen ist eine Prämie von maximal 1 Rappen pro kWh. Ausserdem werden neuerdings auch kleinere Wasserkraftwerke gefördert.
Folge dieser Änderung: Es ist für die Schweiz sehr positiv, dass die Wasserkraft bereits so viel ausmacht im Strommix. Es werden in Zukunft vermutlich noch mehr Wasserkraftwerke gebaut werden, weil es sich finanziell lohnt. Das benötigt einerseits Landfläche und Ressourcen, andererseits verfälscht subventionierter Strom die Marktpreise (billiger Strom wird teurer, weil teurer Strom verbilligt wird).
Sonne und Wind
Der Anteil der neuen erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Geothermie und Biomasse) am Schweizer Strommix soll von heute 3,5 Prozent bis ins Jahr 2035 auf rund 15 Prozent steigen. Für die Förderung solcher Anlagen stehen ab sofort mehr Gelder zur Verfügung. Dies, weil der Netzzuschlag pro kWh Strom auf bis zu 2,3 Rappen ansteigen kann (im Jahr 2016 beträgt dieser 1,3 Rappen pro kWh). Ab dem sechsten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes werden keine neuen Anlagen mehr ins Fördersystem aufgenommen, 2031 sollen auch Einmalvergütungen und Investitionsbeiträge gestoppt werden.
Folge dieser Änderung: Der Strom wird für den Endverbraucher teurer, weil der Netzzuschlag erhöht wird. Beispiel: Der durchschnittliche Stromverbrauch einer vierköpfigen Familie liegt bei etwa 5000 kWh. Neu würde diese Familie einen Netzzuschlag von bis zu 115 Franken bezahlen anstelle von 65. Der Bundesrat legt diesen Zuschlag «bedarfsgerecht» fest.
Das Hauptproblem bei erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne ist allerdings nicht, dass diese teurer sind, sondern die sogenannten Produktionsspitzen: Im Gegensatz zu Atomkraftwerken liefern diese erneuerbaren Energien unzuverlässigen Strom. Um diese Produktionsspitzen auszugleichen und damit die Netzstabilität sicherzustellen (Bandstrom), wird man in Zukunft auf Stromimporte angewiesen sein – oder auf Kohlekraftwerke bzw. zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke.
Energieverbrauch
Der Energieverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2020 um 16 Prozent und bis 2035 um 43 Prozent sinken, gemessen am Stand des Jahres 2000. Dies umfasst nicht nur die Elektrizität, sondern auch den Verbrauch an Erdgas, Erdöl oder Kohle. Der Stromverbrauch alleine soll bis 2020 um 3 Prozent und bis 2035 um 13 Prozent sinken – er wäre damit wieder auf dem Stand des Jahres 2000. Das soll unter anderem erreicht werden, indem Gebäudesanierungen mit steuerlichen Anreizen stärker gefördert werden.
Folge dieser Änderung: Jeder Verbraucher wird angehalten, auf seinen Energieverbrauch zu achten. Beispielsweise wird rund 10 Prozent des Stroms fürs Heizen verwendet. Im Weiteren gibt es genauere Vorgaben für den Stromverbrauch von elektronischen Geräten (bspw. Staubsauger) und für die Sanierung von Gebäuden. Dieses Ziel wird in derart kurzer Zeit schwierig zu erreichen sein, da der jährliche Stromverbrauch noch immer kontinuierlich zunimmt.
Gründe für den zunehmenden Stromverbrauch:
- Wirtschaftswachstum: Ein um 1 Prozent höheres Bruttosozialprodukt bedeutet im Mittel eine Zunahme des Stromverbrauchs um 1,8 Prozent.
- Bevölkerungswachstum.
- Erhöhte Komfortansprüche des Einzelnen: Grössere Wohnflächen und höhere Zahl an Einpersonen-Haushalten.
- Immer mehr elektronische Geräte.
- Öffentlicher Verkehr wird ausgebaut.
- Technischer Wandel: Elektromotoren ersetzen Verbrennungsmotoren und Wärmepumpen ersetzen Ölheizungen.
- Benutzte Quellen: Bundesamt für Energie (BfE), Bundesamt für Statistik (BfS), Bericht «Energiestrategie 2050» des Bundesrats.
15 Kommentare
NEIN zur Energiestrategie: Kosten sind viel zu hoch im Vergleich zum Nutzen
„In den im Jahre 2020 überarbeiteten Energieperspektiven 2050 plus werden die Kosten auf sage und schreibe 1400 Milliarden Franken geschätzt, für die Erneuerung, Modernisierung und den Ersatz bestehender Energieinfrastrukturen, Gebäude, Anlagen, Geräte oder Fahrzeuge usw. Der absolute Gipfel ist jedoch, dass uns die Autoren dieses Papieres, weismachen wollen, dass diese zusätzlichen Investitionen sich auszahlen würden: So könnten drohende Schäden in Milliardenhöhe reduziert werden. Wenn die Klimaerwärmung weiterhin ungebremst fortschreitet, müsse die Schweiz mit sehr hohen Folgekosten rechnen.
Wie kann man allen Ernstes einen derartigen Unsinn verbreiten. Denn egal wie viele Hundert Milliarden die Schweiz in eine CO2-neutrale Energieversorgung investiert, das hat Null-Auswirkungen auf das Weltklima. Wir werden das aber in den kommenden Jahren ganz gewaltig in unserem Portemonnaie spüren.“ (H. Mooser in WeWo vom 5.4.2024)
„Stromkonzerne wie die Axpo würden Mia-Subventionen erhalten, die bereits heute im Geld schwimmen, während die Strompreise für Private und Unternehmungen explodieren.“ (Ph. Gut in WeWo vom 5.4.2024)
„Bundesrat Rösti sagt richtigerweise, dass wir unsere Kernkraftwerke so lange am Netz lassen, wie es technisch geht. Das ist schon einmal eine deutliche Abkehr von der «Energiewende» unter Bundesrätin Doris Leuthard, die kopflos Deutschland kopiert hat. Dabei hat sich Merkel einzig gegen die Kernenergie gewandt, um mit den Linken die Wahlen zu gewinnen. Doch wer das sachlich Richtige verlässt, bloss um die eigene Macht zu erhalten, schadet der Heimat.
Auch unser Bundesrat hat damals wegen der angeblichen «Stimmungslage» nach Fukushima den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen. Und jetzt ist wegen der damaligen falschen Weichenstellung die ganze Politik auf dem falschen Weg.“ (Ch. Blocher in WeWo vom 4.4.2024)