Das beste Lobbying ist, wenn Politiker gar nicht merken, dass sie für Firmeninteressen eingespannt werden. Ein schönes Beispiel dafür liefert die Westschweizer Krankenkassengruppe Groupe Mutuel. Unter dem Namen «Groupe de réflexion santé» vereinigt sie fünf National- und vier Ständeräte: Raymond Clottu (SVP), Sebastian Frehner (SVP), Martin Landolt (BDP), Bruno Pezzatti (FDP), Roland Eberle (SVP), Josef Dittli (FDP), Erich Ettlin (CVP) – und dieses Jahr als Besonderheit den amtierenden Nationalratspräsidenten Jürg Stahl (SVP) und den amtierenden Ständeratspräsidenten Ivo Bischofberger (CVP). Mit Ausnahme von Landolt sitzen sie alle auch in der parlamentarischen Gesundheitskommission.

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Die Krux beginnt bereits beim Namen. Was ist eine «Groupe de réflexion»? Die Parlamentarier deklarieren sie im offiziellen Verzeichnis der Interessenbindungen als Beirat. Doch: Was ist ein Beirat? Die «Groupe de réflexion» sei «eine reine Diskussions- und Austauschplattform», sagt etwa FDP-Ständerat Josef Dittli.

Was machen die überhaupt?

Eine Rechtsform hat das Gremium nicht. Immerhin bestätigt die Groupe Mutuel, dass sie die entsprechende Geschäftsstelle führt. Über die effektive Funktion der Diskussionsgruppe ist nichts bekannt. Was an den Sitzungen diskutiert wird, dringt nicht nach aussen. Ein Tätigkeits- oder Rechenschaftsbericht existiert nicht. Auch im Geschäftsbericht der Groupe Mutuel steht nichts dazu.

Anders gesagt: Es handelt sich um eine reine Lobbyplattform, zu der Parlamentarier handverlesen eingeladen werden. Es heisst, das Gremium tage viermal pro Jahr. Was tut es dabei? Dittli weicht aus: «Es werden keine Entscheide gefällt, wir geben auch nicht irgendwelche Empfehlungen ab und haben auch keine Interessen der Groupe Mutuel zu vertreten.»

Ganz so unverbindlich ist die Tätigkeit aber nicht: Die Parlamentarier erhalten Geld dafür. Wie viel? Als einziges Mitglied der «Groupe de réflexion santé» legt Ständeratspräsident Ivo Bischofberger (CVP) die Karten auf den Tisch: 2016 bezahlte ihm die Groupe Mutuel 4673.75 Franken.

«Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen.»

Eric Martin, Präsident von Transparency International Schweiz

«Für Politiker sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Einnahmen aus solchen Tätigkeiten offenzulegen», sagt Eric Martin, Präsident von Transparency International Schweiz. «Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen.»

Womöglich werden nicht alle Mitglieder der «Groupe de réflexion» gleich bezahlt. Vor wenigen Jahren gab CVP-Nationalrätin Ruth Humbel bekannt, sie erhalte für vier Sitzungen 10'000 Franken. Humbel gehört dem Zirkel inzwischen nicht mehr an.

Urs Schwaller, einstiger CVP-Fraktionschef und während seiner Zeit im Parlament ebenfalls Teil der Gruppe, liess sich einst dahingehend zitieren, dass ein Beirat je nach Anzahl Sitzungen 10'000 bis 20'000 Franken erhalte. Die Groupe Mutuel sagt dazu nur: «Wir machen keine Angaben zur Höhe der Entschädigung für die Teilnehmer der ‹Groupe de réflexion santé›.»

Offensichtlich sind die «unverbindlichen» Treffen der Kasse etwas wert. Basierend auf durchgesickerten Zahlen dürfte die Groupe Mutuel schätzungsweise jährlich 50'000 bis 100'000 Franken für diese Lobbytreffen aufwenden.

Urs Schwaller, der 2013 sagte, er sei als Mitglied der «Groupe de réflexion» völlig ungebunden und «nicht verpflichtet, die Meinung der Groupe Mutuel zu vertreten», hat offenbar zur Zufriedenheit der Kasse gewirkt. Seit Ende 2014 gehört Schwaller dem Verwaltungsrat respektive dem Vorstand der Groupe Mutuel an.

Kein Interessenkonflikt?

Auch sonst ist die Groupe Mutuel im Parlament prominent vertreten. Nationalratspräsident Jürg Stahl sitzt nicht nur im Beirat, sondern auch in der Geschäftsleitung. SVP-Ständerat Roland Eberle gehört auch mehreren Verwaltungsräten von Groupe-Mutuel-Gesellschaften an. Mit seinen Ämtern verdient er gemäss Tätigkeitsbericht 80'000 Franken.

Auf die Frage, ob er als Parlamentarier so nicht in einem Interessenkonflikt stehe, antwortete der langjährige Thurgauer Gesundheitsdirektor: «Nur wer betroffen ist von einer Sache respektive etwas davon versteht, kann konkrete Gesetzgebungsarbeit leisten.» Wichtig seien daher Transparenz und «saubere» Ausstandsregeln. Beides werde nach seiner Erfahrung im Bundeshaus «in den allermeisten Fällen sauber eingehalten».

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