Wirtschaftsnahe Parlamentarier stehen oft im Lobby-Sold
Bei wirtschaftsnahen Lobbygruppen sitzt das Portemonnaie locker, wenn es darum geht, Parlamentsmitglieder für die eigenen Zwecke einzuspannen. Das zeigt das Recherchedossier «Politik gegen Geld» von Lobbywatch.
Veröffentlicht am 7. September 2021 - 08:20 Uhr
Der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder hat es offensichtlich nicht darauf angelegt, im Bundeshaus möglichst populär zu sein. Seine Parlamentarische Initiative mit dem etwas sperrigen Titel «Verbot der Annahme von Mandaten im Zusammenhang mit der Einsitznahme in parlamentarischen Kommissionen» jedenfalls dürfte ihm in Bern nicht allzu viele Freunde eintragen. Der Walliser Anwalt verlangt in dem Vorstoss nämlich, dass künftig in den parlamentarischen Kommissionen nur noch Ratsmitglieder sitzen dürfen, die keine Mandate innehaben, die Kommissionsgeschäfte betreffen. Konkret bedeutet das: Verwaltungsrätinnen von Krankenkassen dürften damit nicht mehr in die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) gewählt werden, Bauernvertreter hätten in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) nichts mehr zu suchen. Es gehe ihm um die Glaubwürdigkeit des Parlaments, erklärte Rieder kurz nach der Einreichung der Initiative. Sein Vorstoss hat – erstaunlicherweise – eine erste Hürde bereits genommen. Die vorberatenden Staatspolitischen Kommissionen beider Räte haben ihr zugestimmt. Nun geht es in die Detailberatungen, zuerst im Ständerat.
Nun zeigt eine Datenanalyse von Lobbywatch, dass Rieder den Finger auf einen sehr wunden Punkt gelegt hat. Lobbywatch hat dazu sechs Interessengruppen aus drei verschiedenen Kommissionen unter die Lupe genommen: Banken, Versicherungen und Landwirtschaft (zuständige Kommission: WAK), Krankenkassen und Pharma (SGK) sowie die Umweltlobby (Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie, UREK). Die Resultate zeigen, wie sehr die Kommissionen von Lobbyist:innen durchsetzt sind – und dass die finanziellen Mittel sehr ungleich verteilt sind.
- Von den 13 Mandaten von Mitgliedern der Wirtschaftskommission, die Banken zugeordnet werden können, sind zehn bezahlt.
- Die Versicherungen sind mit insgesamt sieben Mitgliedern in den Wirtschaftskommissionen von National- und Ständerat vertreten. Alle beziehen dafür eine Entschädigung.
- In den Wirtschaftskommissionen der beiden Räte sitzen total zehn Vertreter:innen von landwirtschaftlichen Organisationen. Diejenigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die in einflussreichen Verbänden auf nationaler oder kantonaler Ebene aktiv sind, beziehen für diese Tätigkeiten eine Entschädigung.
- Alle vier Pharma-Vertreter in der Wirtschaftskommission werden von Verbänden und Lobbyorganisationen entschädigt.
- Am offensivsten versuchen Krankenversicherer, Parlamentarier:innen für ihre Interessen einzuspannen. In den Gesundheitskommissionen beider Räte finden sich 25 Verbindungen zu Krankenkassen. Alle diese Mandate sind bezahlt.
- Ganz anders ist das Bild bei den Vertreterinnen und Vertretern von Umweltverbänden in der Umweltkommission: Hier deklarieren die Kommissionsmitglieder insgesamt 46 Interessenbindungen oder Mitgliedschaften bei Organisationen aus dem Bereich Umwelt. Nur fünf dieser Mandate sind jedoch bezahlt.
Sowohl bei der Landwirtschaft als auch bei den Umweltorganisationen wurden nur die wichtigsten Lobbygruppen ausgewertet. Das Gesamtbild ist jedoch an Deutlichkeit kaum zu überbieten, das Fazit klar: Wo grosse wirtschaftliche Interessen im Spiel sind, öffnen die Verbände und Unternehmen gern dass Portemonnaie, um im Bundeshaus direkt gehört zu werden.
Die Parlamentarische Initiative Rieder soll voraussichtlich noch in diesem Herbst in der Staatspolitischen Kommission des Ständerats beraten werden. Der Widerstand dürfte gross sein.
Das vollständige Recherchedossier finden Sie hier.
Dieser Beitrag erscheint hier dank einer Kooperation von Beobachter.ch mit Lobbywatch Schweiz. Lobbywatch Schweiz ist ein nichtkommerzieller Verein und betreibt ein webbasiertes Recherchetool für Medienschaffende sowie einen Blog. Die Plattform Lobbywatch thematisiert Interessenbindungen zwischen National‐ und Ständeräten zu Firmen, Vereinigungen und Institutionen. Gleichzeitig wird der Einfluss dieser Verbände, Organisationen und Firmen analysiert. Die Beobachter-Journalisten Otto Hostettler und Thomas Angeli sind Co-Präsidenten von Lobbywatch.
2 Kommentare
Nennen wir es beim Namen: Korruption.
Es ist eine Schande für die Schweiz.
Sämtliche "Staatsangestellten" bis hinauf zum Bundesrat, werden von den Volks-Steuergeldern entlöhnt!
Daher ist eigentlich klar, dass NIEMAND dieser "Staatsangestellten" lukrative VR-Mandate und damit Lobbyismus - Vetternwirtschaft betreiben dürfte!!
Noch ist dem NICHT so, weshalb es in der Schweiz auch KEINE echte, ehrliche, ganzheitliche "Volks-WOHL-Politik" gibt, aber dafür Volks-Ausbeutung (Beispiel ua: Gesundheits-Un-Wesen....)!
Wann wird endlich riguros gehandelt??