Mit diesem Trick verhindert die Tabaklobby eine wirksame Steuer
Auch E-Zigaretten sollen künftig besteuert werden. Doch im Ständerat haben Gesundheitsaspekte und Jugendschutz keine Chance.
Veröffentlicht am 8. März 2023 - 17:47 Uhr
Nach jahrelanger Diskussion jetzt also doch: Der Ständerat will künftig auch E-Zigaretten besteuern. Bisher argumentierten Tabakkonzerne und Anbieter von E-Zigaretten erfolgreich, ihre Produkte seien für Raucher eine «Ausstiegshilfe», darum solle man auf diesen Nikotin-Verdampfungsgeräten gar keine Steuern erheben.
Jetzt konnte die Tabaklobby einer Regelung den Weg ebnen, die den Herstellern dieser Verdampfungszigaretten kaum Bauchschmerzen bereiten wird. Die neue Steuer ist auch weit entfernt von den Forderungen der Gesundheitsorganisationen und Präventionsfachleute: Die Abgabe beträgt für jeden Milliliter nikotinhaltige Flüssigkeit 20 Rappen – egal, wie hoch der Anteil Nikotin ist.
Höhe der Steuer unabhängig des Nikotingehalts
Die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention forderte ein Modell wie etwa bei der Alkoholbesteuerung. Hier wird Hochprozentiges entsprechend der höheren Gesundheitsgefährdung auch höher besteuert. In der Analogie zu den E-Zigaretten heisst das: Sogenannte Liquids können künftig noch so viel Nikotin enthalten, die Steuer ist deshalb im Vergleich zu «schwachen» Liquids aber nicht höher.
Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann wollte der Tabakindustrie sogar noch einen Schritt weiter entgegenkommen: Er forderte mit 11 Rappen einen noch günstigeren Steuertarif, fand aber im Rat keine Mehrheit.
Germanns Idee einer noch tieferen Besteuerung mag kein Zufall sein. Er ist der British-American-Tobacco-Lobbyistin Renate Hotz verbunden, sie nutzt einen seiner beiden Zutrittsausweise, um ins Bundeshaus zu gelangen.
Immerhin: Für die besonders bei Jugendlichen beliebten Einweg-E-Zigaretten soll es künftig eine Sonderlösung geben. Auf diesen Geräten soll die Steuer jeweils einen Franken betragen, ob sie Nikotin enthalten oder nicht.
Auffallend in der Diskussion im Ständerat: Befürworter der neuen Regelung wiederholen bis heute die Argumentation der E-Zigaretten-Hersteller, wonach diese Produkte eine Ausstiegshilfe für Raucherinnen und Raucher seien.
Meinungsumschwung von Raucher Roberto Zanetti
Ausgerechnet der Solothurner SP-Ständerat Roberto Zanetti, der vor Jahren die Steuerbefreiung für E-Zigaretten im Parlament durchgebracht hatte, vollzog nun eine Kehrtwende. Quasi aufgrund seiner eigenen Erfahrungen. Zanetti bezeichnet sich selbst als «passionierten Gelegenheitsraucher», nun sagt er: «Meine ursprüngliche Idee einer Ausstiegshilfe hat sich wahrscheinlich in Rauch aufgelöst.» Er selbst habe es auch mit «Dampfzigaretten» versucht, und der Ausstieg sei ihm auch mehrmals täglich gelungen, aber eben nur bis zur nächsten Zigarette. Zanetti bezeichnet E-Zigaretten inzwischen als «Einstiegshilfe, vor allem für Junge».
Noch deutlicher wurde der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli: «Es ist eine Mär, dass E-Zigaretten den Ausstieg erleichtern.» Die Verkaufszahlen würden geradezu explodieren, «immer mehr Kinder und Jugendliche konsumieren diese gesundheitsschädlichen und süchtig machenden Produkte». Gleichzeitig steige aber auch der Tabakkonsum.
Noch ist das letzte Wort zur Besteuerung von E-Zigaretten nicht gesprochen. Voraussichtlich im Sommer wird der Nationalrat über die Änderung des Tabaksteuergesetzes diskutieren.
3 Kommentare
Die DNA der Schweiz "Mehr Geld (für Wenige)" zeigt sich auf allen Ebenen. Von uns allen, ob Alt oder Jung, wollen sie nur unser Bestes, unser Geld. Unsere Gesundheit spielt keine Rolle! Nach dem Motto "Nur kranke Menschen sind gute Menschen". Eigentlich traurig, aber die WählerInnen wählen die "rechten" Parteien.
Schade, dass sich der Beobachter scheinbar auf die Seite der Pharmalobby schlägt, ich hätte von euch einen etwas differenzierten Bericht erwartet. Es wird bspw. nicht erwähnt, dass sogar das Cochrane Institut in einer Metastudie zum Schluss gekommen ist, dass die E-Zigarette die beste Ausstiegsmöglichkeit für Raucher ist, mit doppelt so grossem Erfolg wie die Nikotinprodukte der Pharmaindustrie. Das Cochrane Institut hat doch eine etwas bessere Reputation in diesem Bereich als Hans Stöckli, oder denken Sie nicht?
Dass die E-Zigarette eben nicht zu mehr Rauchern unter Jugendlichen führt, hat Prof. Linda Bauld in einer grossangelegten Studie vor ein paar Jahren gezeigt, das Gegenteil wird aber immer noch behauptet von Leuten, die sich mit dem Thema nicht auskennen oder halt eigene Interessen haben, wie bspw. die Pharmaindustrie. Wie sonst erklären Sie sich, dass England, wo die E-Zigarette am verbreitetsten ist, die geringste Raucherquote (auch unter Jugendlichen) in Europa hat?
Sie schiessen hier gegen die Tabaklobby, was natürlich berechtigt ist, merken aber nicht, dass Sie der Pharmalobby auf den Leim gehen. Diese profitiert am meisten von Rauchern und würde Milliarden verlieren, wenn diese alle auf E-Zigaretten umsteigen würden. Ausserdem wollen die selber ihr Nikotin verkaufen, obwohl oder gerade weil deren Produkte eine himmeltraurige Erfolgsbilanz haben. Die Tabaklobby hat im Schweizer Dampfermarkt übrigend nur einen ganz kleinen Anteil, der Markt wird von kleinen und Mittelständischen Unternehmen dominiert.
Vielleicht sollte Herr Hostettler einmal wirklich investigativ vorgehen und sich über Fake Studien zum Dampfen informieren, welche von der Pharma bezahlt werden und mal Menschen interviewen und zitieren, die sich wirklich mit dem Thema auskennen, bspw. mit dem Leiter des Bereichs Toxikologie der Universität Graz, Prof. Bernd. Mayer.
Ich finde, Meinungsartikel sollten entsprechend gekennzeichnet werden und dieser Artikel ist ja nichts anderes. Schön wäre, wenn der Beobachter Artikel mit wissenschaftlichem Hintergrund zu dem Thema bringen würde, das wäre mir evtl. sogar ein Abo wert ;-)
danke für Ihr Feedback. Sie können beruhigt sein, ich bin nicht von der Pharmaindustrie gesponsert, bezahlt oder sonstwie unterstützt. Und: Ganz so eindeutig wie Sie schreiben, ist die Cochrane-Studie übrigens nicht. Sie kommt zum Schluss, dass E-Zigaretten eine Ausstiegshilfe sein können, analysierte aber nur ein Zeitfenster von sechs Monaten. Ich kenne etliche Personen, die nach ein paar Monaten E-Ziggis wieder bei der klassischen Zigarette gelandet sind. Weil nur die eine schnelle Nikotinzufuhr in den Körper gewährleistet.
Leider hinkt auch ihr Englandvergleich: Es kann ja wohl nicht sein, dass man bei Jugendlichen E-Zigaretten pusht, um damit die Raucherquote in diesem Alterssegment zu senken. Mit der Tabakindustrie haben wir uns übrigens auch schon vertieft befasst: https://www.beobachter.ch/wirt…