Im Bündner Bergdorf Schlans scheint die Welt unterzugehen an diesem düsteren Samstagnachmittag im November 2002. Es regnet, wie schon seit Tagen, und im dichten Nebel beträgt die Sicht nur wenige Meter. Dann plötzlich ein unheimliches Grollen: Der Berg kommt.

Der 49-jährige Postauto-Chauffeur Albert Pfister sieht von seinem etwas erhöht gelegenen Haus aus zu, wie sich eine riesige Schlammlawine mitten durchs Dorf wälzt und ganze Hausteile mit sich reisst. Für einige Bewohner, die in ihren Häusern gefangen sind, ist Hilfe nur noch aus der Luft möglich. «Marcus!», schiesst es Pfister durch den Kopf. Ihm ist klar: Niemand sonst würde bei diesem Wetter überhaupt fliegen.

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Für Marcus Levy, 44-jähriger Helikopterpilot aus dem nahen Disentis, gibt es  tatsächlich kein Überlegen: «Es geht um Menschenleben, um unsere Nachbarn. Da tut man, was getan werden muss.» Fast im Blindflug steuert er seinen Helikopter ins verwüstete Schlans. Angst um die eigene Sicherheit hat er nicht; hier kennt er jeden Winkel.

Oben im Dorf wartet Albert Pfister. Die beiden Männer, Bekannte seit Jugendzeiten, verständigen sich mit Handzeichen: Levy wird über die vom Abrutschen bedrohten Häuser fliegen, Pfister sich mit einem Seil am Heli anbinden, um so die Eingeschlossenen bergen zu können.

Es bleibt keine Zeit, um das Vorgehen zu planen oder die Risiken abzuwägen. Die Situation ist dramatisch – es geht um Minuten. «Wir mussten einfach handeln», sagt Pfister rückblickend. «Und irgendwie haben wir richtig funktioniert.»

Die Retter befreien zwei eingeschlossene Dorfbewohner aus den Schlammmassen; Pfister kurz darauf eigenhändig einen dritten. Später feiern die Medien die «Heli-Engel von Schlans» als Helden. «Helden?» Albert Pfister winkt ab. Sie halfen, als ihre Hilfe nötig war. «Das ist nichts Besonderes.» Was bleibt, ist die stille Genugtuung darüber, das Richtige getan zu haben.

«Es gibt viele Leute, die ihr Leben riskieren, um andere umzubringen», sagt Marcus Levy, «aber nur wenige setzen ihr Leben aufs Spiel, um andere zu retten.

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