Die Menschheit verbraucht 1,5 Planeten
Die Weltbevölkerung verbraucht inzwischen eineinhalb Mal so viele Ressourcen, wie die Erde bieten kann. Das zeigt der aktuelle «Living Planet Report». Die Probleme spitzen sich weiter zu - und die Lösungen liegen auf der Hand.
Wie viele Planeten brauchen Sie?: www.footprint.ch
Die Diagnose des Zustands vom «Patient Erde» hat sich gegenüber 2008 verschlechtert, als der Verbrauch noch mit 1,3 Erden beziffert wurde. «Einerseits steigt die Abholzung weiter, anderseits kann der Bericht nun auf mehr und detailliertere Daten zurückgreifen als früher», erklärt Franko Petri vom WWF Österreich. So gehen die Prognosen inzwischen denn auch davon aus, dass man bereits im Jahr 2030 statt erst 2050 auf einen Verbrauch von zwei Erden kommen wird, 2050 sogar auf fast drei.
Hinter dieser Entwicklung stehen die grossen Umweltprobleme der Gegenwart, allen voran die Treibhausgase, deren Ausstoss heute elfmal höher ist als 1961. 70 Prozent der Fischgründe sind durch die industrielle Fischerei stark geschädigt, was 520 Millionen Menschen, die von der Fischerei leben, gefährdet. Die Abholzung schreitet voran, wobei 130'000 Quadratkilometer Wald jährlich in Weide- und Ackerland umgewandelt werden. Das entspricht der gemeinsamen Grösse von Österreich und der Schweiz.
Ein Resultat dieser Entwicklungen ist das Artensterben. Die untersuchten Tierpopulationen sind seit 1970 um 30 Prozent geschrumpft. In den Tropen ist der Rückgang mit über 60 Prozent besonders dramatisch. Dammbauten und Flussregulierungen sind daran wesentlich beteiligt - und sorgen auch für die Zuspitzung der globalen Wasserkrise. 900 Millionen Menschen verfügen derzeit nicht über sauberes Trinkwasser und 2,5 Milliarden fehlen saubere Sanitäranlagen. Im Jahr 2025 werden 5,5 Milliarden Menschen mit Wasserknappheit zu kämpfen haben, warnt der Bericht.
Nur im Norden erholen sich Tier- und Pflanzenarten dank Umwelt- und Naturschutz und auch der Wasser-Fussabdruck scheint in Mitteleuropa in Ordnung zu sein. Der Schein trügt jedoch. «Durch die Importe verbrauchen wir um ein Vielfaches mehr an Ressourcen und auch an Wasser. Der reiche Norden lagert seine Umweltprobleme bloss aus», betont Petri. Das verdeutlichen die Details des Reports. Weltweit verbraucht jeder jährlich 2,7 Hektar zur Erzeugung von Ressourcen und CO2-Aufnahme, wovon die Erde nur 1,8 Hektar wieder gutmachen kann. «In Deutschland, Österreich und der Schweiz beträgt diese Fläche sogar über fünf Hektar, in Ländern wie Indien nur 0,5 Hektar.»
Das Problem spitzt sich weiter zu, da die Menschheit bis 2050 die Neun-Milliarden-Marke erreichen wird. Die Lösungen liegen auf der Hand, ist der WWF überzeugt. «Stopp der Entwaldung, Erklärung von 15 Prozent der Erdoberfläche zum Schutzgebiet, Reduktion des Konsums und Ressourcenverbrauchs, mehr Energieeffizienz und Ersatz von fossilen Energiequellen durch erneuerbare», zählt Petri auf. Der Ausstoss von Treibhausgasen müsse bis 2050 um 80 Prozent reduziert werden, zudem sei der Kampf gegen Hunger und Armut unumgehbar. «Erst wenn man Frauen mehr Rechte gibt und die Gesundheit sowie die sozialen Leistungen im Süden verbessert, flacht der Bevölkerungsanstieg ab.»
Dieser radikale Wandel muss im nächsten Klimaabkommen enthalten sein, so der Umweltexperte. Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen hat ein solches Globalziel weit verfehlt, für den im Dezember 2010 stattfindenden Gipfel in Cancun oder 2011 in Johannesburg sei es jedoch verpflichtend. «Das Kyoto-Protokoll läuft 2012 aus. Zudem kommt der Norden seiner Selbstverpflichtung für Hilfsleistungen an den Süden auch bisher nicht nach», mahnt Petri. (pte)
Alle zwei Jahre publiziert der WWF zusammen mit dem Global Footprint Network und der Zoological Society of London den Living Planet Report, den umfassendsten Bericht zum Zustand der Erde. Er zeigt auf wissenschaftlicher Basis, wie sich der Ressourcenverbrauch der Menschheit und der Zustand der Natur entwickeln.
Für den Footprint wird der Ressourcenverbrauch der Weltbevölkerung den Ressourcen gegenübergestellt, die die Erde in der gleichen Zeit neu produziert. Bis Mitte der Siebziger Jahre lag der globale Footprint unter 1. Inzwischen hat er 1,5 erreicht: Wir verbrauchen also eineinhalb Mal so viele Ressourcen, wie die Erde auf die Länge bieten kann. Die Schweiz hat gar einen Footprint von 2,8. Den unrühmlichen Spitzenplatz halten die Vereinigten Arabischen Emirate mit einem Footprint von 5,9. Footprints von lediglich 0,4 weisen Afghanistan und Haiti auf (siehe Liste unten). Die grossen Footprints der reichen Länder wachsen weiter, die kleinen Footprints der ärmsten Länder stagnieren. (WWF)
Footprints von Nationen und Kontinenten | |
---|---|
Vereinigte Arabische Emirate | 5,9 |
USA | 4,4 |
Schweiz | 2,8 |
Deutschland | 2,8 |
Japan | 2,6 |
Brasilien | 1,6 |
China | 1,2 |
Kuba | 1 |
Haiti | 0,4 |
Afghanistan | 0,4 |
Kontinente | |
Nordamerika | 4,4 |
Europa | 2,6 |
Lateinamerika | 1,4 |
Asien | 1 |
Afrika | 0,8 |
Welt | 1,5 |
Weitere Informationen sowie den ganzen Bericht finden Sie auf der Website des WWF: Übersichtsseite der Downloads