Seltsames passiert in der Schweiz. Während die Stadt Genf auf Druck der Eltern die Rindsplätzli vom Menüplan der Schulkantinen streicht und im Tessin die Angst vor dem «Rinderwahnsinn» grassiert, ist es in der Deutschschweiz erstaunlich ruhig. «Im Gegensatz zu 1996 haben wir heute kaum Konsumentenanfragen», sagt Eric Send von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Offensichtlich reagieren Romands und Tessiner sensibler auf die Schreckensmeldungen aus dem benachbarten Ausland als die Deutschschweizer.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Ganz anders vor vier Jahren. Damals geisterte die Angst vor BSE, der Bovinen spongiformen Enzephalopathie, auch durch Deutschschweizer Küchen, und die Fleischindustrie drohte im «Rinderwahn»-Strudel unterzugehen. Es wurde klar, dass sich auch Menschen mit der tödlichen Prionenkrankheit infizieren könnten.

Konnte die französische Regierung die Bevölkerung rasch beruhigen, deckten die Schweizer Medien die Konsumenten mit einer Lawine von warnenden Berichten ein. Heinz Müller vom Bundesamt für Veterinärwesen (BVet) sammelte innert dreier Monate ordnerweise Zeitungsartikel, die Telefone beim BVet und bei den Konsumentenorganisationen liefen heiss, und unter den Konsumenten griff die Panik um sich: Macht Rindfleisch tödlich krank?

Händler ködern mit dem Preis

Der Rindfleischumsatz nahm damals um rund dreissig Prozent ab. Allerdings nur kurzfristig: Die Metzger und Grossverteiler senkten die Preise – und bald langten die Kundinnen und Kunden wieder kräftig zu. Gleichzeitig wurden Image- und Informationskampagnen gestartet. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollten von nun an genau wissen, woher das Fleisch auf ihrem Teller stammt. Die Grossverteiler setzten bei den Marketingmassnahmen auf «offene» Information. Mit Erfolg: Der Rindfleischkonsum stieg langsam, aber stetig wieder an.

Heute wird wieder gleich viel Rind gegessen wie vor 1996: jährlich knapp zwölf Kilo pro Person. BVet-Sprecher Heinz Müller meint denn auch: «Die Kunden sind ruhig, weil sie sich bewusst sind, dass gemacht wird, was man kann und was vernünftig ist.» Und weil sie wohl auch schnell vergessen.

Der Bund schlägt Alarm

Doch die BSE-Problematik ist geblieben. Nach wie vor ungeklärt ist zum Beispiel, warum noch immer jüngere Rinder an BSE erkranken. Jetzt prescht das BVet mit drastischen Massnahmen vor. BVet-Mann Heinz Müller: «Bisher haben wir die lockeren Schrauben angezogen, jetzt gehen wir mit dem Hammer dahinter.»

In Kürze soll deshalb ein totales Tiermehlverbot erlassen werden, um den BSE-Erreger vollständig auszurotten. Und die Infobroschüre des BVet warnt ohne Umschweife: «Uns Konsumenten muss klar sein, dass es trotz allen Massnahmen ein Nullrisiko nicht geben kann. Letztlich muss jeder für sich entscheiden.»

Der nächste Schock ist programmiert. Laut Modellrechnungen werden bald auch in der Schweiz Menschen an der so genannten neuen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit erkranken, die man mit BSE in Verbindung bringt. Dabei soll es sich um Personen handeln, die sich bereits vor 1990 angesteckt haben, als BSE noch überhaupt kein Thema war. Wenn die ersten Fälle publik werden, wird das Vertrauen der Kundinnen und Kunden einer weiteren Belastungsprobe ausgesetzt. Zumindest kurzfristig.