Liebe Leserinnen und Leser

Daniel Benz hier – schön, lesen Sie mit.

Irgendwann sei das Verliebtsein der Routine gewichen, sagte mir kürzlich ein Freund. Er hatte sich gerade von seiner Frau getrennt. Nicht im Streit, aber weil die Routine auch die letzten Schmetterlinge aus den Bäuchen vertrieben hatte. Wie lange kann man in einer Partnerschaft so richtig verliebt sein? Anscheinend ewig, schoss mir durch den Kopf, als ich diese Woche ein Bild unserer Fotografin Anne Gabriel-Jürgens gesehen habe. Es zeigt Hans und Klara Künzli, die beide auf die 90 zugehen. Sie lachen, liegen sich in den Armen, schauen einander durch dicke Brillengläser in die Augen. Wie das Verliebte eben so tun. Das Bild hat mich berührt. Und meiner Frau gefällt es auch.

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Aber etwas hat Hans Künzli «granatenverruckt» gemacht. Keine Sorge: nicht seine Klara. 

Die Geschichte der Woche

Der Zorn des 89-Jährigen richtet sich gegen die Verantwortlichen des Pflegeheims Lindenbaum in Zuzwil, Kanton St. Gallen. Als Hans und Klara Künzli, die schon ihr halbes Leben im Ortsteil Züberwangen wohnen, ins lokale Heim ziehen wollten, wurden sie schnöde abgewiesen. Der Grund: Ein alter Konflikt zwischen der Heimkommission und der Tochter der Künzlis, die früher als Pflegeleiterin im Lindenbaum gearbeitet hatte. Sippenhaftung im 21. Jahrhundert? Das alte Ehepaar wurde aus ihrem gewohnten Umfeld entwurzelt und musste in eine andere Gemeinde ausweichen. Das geht für sie auch ins Geld.

Meine Kollegin Tina Berg hat die Geschichte, die in einen bis heute ungelösten Rechtsstreit mündete, nachgezeichnet. Sie hat einiges gelernt:

«Ich hatte vorher keine Ahnung, was ein ‹Auswärtigenzuschlag› ist. Bevor ich das Ehepaar Künzli traf, wusste ich auch nicht, was es mit einem macht, wenn man im Alter nicht wie geplant ins Heim im eigenen Dorf ziehen darf. Eine spezielle Geschichte aus St. Gallen, die sich aber so oder ähnlich vermutlich überall im Land abspielen könnte.»

 

Ausserdem

Schon in Festtagsstimmung? Wir verderben sie Ihnen wirklich ungern, aber der berüchtigte Referenzzinssatz ist soeben nochmals gestiegen. Was Sie dazu wissen sollten, haben wir in einem praktischen Erklärartikel aufgeschrieben. Mieten: Der Referenzzinssatz steigt erneut – was heisst das für Sie? Jetzt lesen.

Der Gutschein. Retter in der Not, wenn man nicht rechtzeitig ein Geschenk organisiert hat – oder wenn einem partout nichts Originelleres einfallen will. Das weiss auch die ÖV-Branche und will bald eine «neue Gutscheinwelt» einführen. Und die hat es in sich. ÖV: SBB-Coupons sorgen für Irritation. Jetzt lesen.

Der gute Wille davor, das schlechte Gewissen danach: Rund um Weihnachten sind die Fitnessstudios voll wie sonst nie. Manche übertreiben es aber mit dem Sport – und zwar 365 Tage im Jahr. Fitnesswahn: Schneller, schlanker – sportsüchtig. Jetzt lesen (mit Abo).

Und damit zu den Neuigkeiten aus der Redaktion

Mark Twain hat sich mal dafür entschuldigt, dass sein Brief so lang geworden sei. Für einen kurzen Brief habe ihm schlicht die Zeit gefehlt. So ist es uns auch gegangen mit dem neuen Format, das wir diese Woche auf die Welt losgelassen haben. Zig Runden und Varianten haben wir ausprobiert, bis Mitautorin Nicole Müller wusste: «Jetzt sitzts!» Denn sich kurzzufassen, gelang ihr plötzlich mühelos – ohne Holpern oder Abstriche beim Inhalt. 

Dieses neue Format soll Ihnen ab jetzt möglichst schnell und direkt dabei helfen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen. Miterfinder Christian Gmür: «Unsere Welt ist oft sehr komplex und schwierig zu verstehen. Genau dort wollten wir ansetzen und zeigen, dass es einfach ist, selbst etwas in die Hand zu nehmen. Manchmal braucht es nur einen kleinen Anstupser.» 

Wir nennen das Ding «Hesch gwüsst?». Und hier ist die erste Folge.

Voilà

Züberwangen bei Zuzwil. Wo es Flurnamen wie Choppenägger, Lüxmer oder Eierliwes gibt. Wo sich ein altes Ehepaar namens Künzli mit der Heimkommission in den Haaren liegt, deren Präsident zugleich Präsident der ganzen Gemeinde ist. Eine sehr schweizerische Geschichte, finden Sie nicht auch? Der Beobachter ist ganz versessen darauf, Ihnen solche kleinen Dramen zu erzählen, die sich gleich um die Ecke abspielen.

So viel für den Moment. Mehr nächste Woche, wenn Sie mögen.