Helfen, wenn der Ruin droht
Viele haben einen Job und kommen doch auf keinen grünen Zweig. Eine unerwartete Rechnung kann den Absturz bedeuten. Deshalb unterstützt SOS Beobachter Working Poor.
Starkes Zeichen der Solidarität
Arbeiten und doch auf keinen grünen Zweig kommen: Das Los der sogenannten Working Poor stand im Zentrum dieser Geschichte über die Aktivitäten der Stiftung SOS Beobachter. Das Thema hat bei der Leserschaft viel Resonanz gefunden, dies auf ganz unterschiedliche Weise. So durften sich etwa die Töchter der kurdischen Familie Kasem, die mit dem Minilohn des Vaters als Küchengehilfe über die Runden kommen muss, über frühe Weihnachtsgeschenke freuen. Und mehr als 4500 Leserinnen und Leser zahlten allein in den ersten drei Wochen der Sammelaktion rund 600'000 Franken für SOS Beobachter ein. All diese kleinen und grösseren Spenden sind ein starkes Zeichen der Solidarität mit Menschen, denen es nicht so gut geht – und ein Vertrauensbeweis für unsere Stiftung, diese Leute gezielt zu unterstützen. Ganz herzlichen Dank!
Die Spendenaktion läuft weiter.
Angaben dazu und zur Stiftung
SOS Beobachter finden Sie unter
www.beobachter.ch/sos-beobachter
Der Luxus des Tages ist ein Vermicelles-Törtchen. Margaretha Hottiger stellt es im Migros-Restaurant aufs Tablett neben den Kaffee und das Mineralwasser. «Noch nichts Richtiges gehabt heute», sagt sie verlegen lächelnd, als gälte es, sich zu rechtfertigen. Die gelernte Konditorin weiss, wie gut die süssen Marroniwürmchen tun können.
So etwas braucht sie manchmal nach einer anstrengenden Schicht. Hottiger arbeitet als Reinigungsangestellte, aber nur mit halbem Pensum. Um über die Runden zu kommen, putzt sie nebenher bei Privaten. Sie redet ungern darüber, doch eine Wahl hat sie nicht. Mit drei Teenagern in der 4,5-Zimmer-Wohnung geraten die Finanzen schnell aus dem Lot. Wie kürzlich wegen der Heizkostenabrechnung, 750 Franken. «Es haut mich jedes Mal fast um, wenn ich solche Kuverts öffne.» Die Schocks am Monatsende haben sie gelehrt, ihr bisschen Luxus behutsam einzusetzen.
Margaretha Hottiger ist eine der über 240'000 Arbeitnehmenden in der Schweiz, die ständig Gefahr laufen, unter die Armutsgrenze zu fallen. Sie plagen sich ab und kommen doch auf keinen grünen Zweig. Eine unerwartete Ausgabe reicht, um sie an den Rand des Ruins zu führen.
Als alleinerziehende Mutter ist die Ostschweizerin erst recht armutsgefährdet. Denn Kinder sind das Armutsrisiko Nummer eins in der Schweiz, wie es in der nüchternen Sprache der Sozialwissenschaftler heisst. Und bei sogenannten Einelternhaushalten ist die Gefährdung besonders gross, wie die aktuelle Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen des Bundes zeigt. Danach ist jede zweite alleinerziehende Mutter nicht in der Lage, eine unerwartete Rechnung über 2000 Franken zu bezahlen. So knapp dran sind sonst nur Langzeitarbeitslose.
Für Walter Noser, den neuen Leiter der Stiftung SOS Beobachter, ist das ein Skandal erster Güte: «Die offiziellen Statistiken belegen klipp und klar: Hier liegt ein strukturelles Problem vor. Wirtschaft und Politik müssen Lösungen finden» (siehe Interview). Den Betroffenen werde trotzdem vorgehalten, sie seien an ihrer Misere selber schuld. Das geschehe manchmal vorschnell, sagt Noser, der 25 Jahre Berufserfahrung als Sozialarbeiter hat, zwölf davon im Beobachter-Beratungszentrum, wo er zuständig ist für Fragen rund um die Sozialhilfe. Zudem werde vielfach zu spät interveniert: «Statt den Absturz zu verhindern, wird oft erst geholfen, wenn dieser bereits stattgefunden hat.» Ein Fehler. Dann werde es für die Gesellschaft erst richtig teuer.
Bei Margaretha Hottiger geriet die Budgetplanung wegen der dringenden Kieferkorrektur ihrer jüngsten Tochter aus den Fugen. 13'400 Franken? Unmöglich, obwohl die Krankenkasse und der Vater der Kinder, von dem sie seit zwei Jahren getrennt lebt, ihren Anteil übernahmen. Hottiger kommt mit Job, Nebenjob und Alimenten auf 3500 Franken pro Monat. An fixen Ausgaben läppern sich etwa 3000 Franken zusammen, mehr als die Hälfte für die Wohnungsmiete.
Für den ganzen Rest bleiben ihr 500 Franken. Das reicht nirgendwohin und lässt die kleine Reserve aus besseren Zeiten rasant schwinden. Dass sich durch den Beitrag von SOS Beobachter letztlich doch eine Lösung für die Zahnbehandlung fand, bestätigt Margaretha Hottiger aber in ihrer Grundeinstellung: «Es geht immer weiter. Irgendwie.»
Zu dieser Einsicht musste sie erst kommen. Nach der Trennung von ihrem Mann ging es ihr schlecht. Und auch wenn sie die Zeit als Hausfrau und Mutter nicht missen möchte: Nach 15 Jahren daheim musste sie wieder bei null anfangen, ganz auf sich allein gestellt. «Die Welt da draussen hat nicht auf mich gewartet» – eine frustrierende Erkenntnis. Ein Jahr brauchte sie, um aus der Lethargie herauszufinden. «Irgendwann konnte ich die Dinge aber so annehmen, wie sie nun einmal sind. Erst dann schaffte ich es, wieder vorwärtszuschauen und die Zügel in die Hand zu nehmen.» Der Hauptantrieb dafür war, die Selbstbestimmung zu behalten. Denn Sozialhilfe will die 49-Jährige auf keinen Fall beanspruchen. Die Rückzahlpflicht, die dort gilt, führe in eine Endlosschlaufe. «Davor fürchte ich mich.»
Margaretha Hottiger ist schlank und gepflegt, lächelt oft – eine gewinnende Erscheinung. Nur dann und wann scheint hinter der Zuversicht ein Rest Nachdenklichkeit hervor. Dass sie ständig so knapp dran ist, auch immer wieder von Familie, Freunden oder Organisationen unterstützt werden muss, macht ihr zu schaffen. «Ich bin extrem dankbar für die Hilfe. Aber etwas zu bekommen und nichts zurückgeben zu können hat auch etwas Entwürdigendes.» Eine Erleichterung sei, dass die drei Kinder auf wenig verzichten müssen. Der Vater ermöglicht ihnen Dinge, die sie sich nicht leisten könnte. Für sich selbst hofft Margaretha Hottiger, dass sich bald ein Türchen öffnet: Die Suche nach einer anderen Stelle mit besserem Lohn läuft auf Hochtouren.
Working Poor – trotz Arbeit Arme – wie Margaretha Hottiger sind nicht erst ein Thema, seit über die 1:12- und die Mindestlohninitiative diskutiert wird. Sie sind ein Dauerproblem, das aber in der reichen Schweiz am liebsten verschwiegen wird. Ihre Zahl ist trotz Wirtschaftsboom über die vergangenen Jahre hinweg konstant hoch geblieben. «Working Poor profitieren selbst dann nur am Rande, wenn es mit der Wirtschaft aufwärtsgeht», sagt Carlo Knöpfel, Professor an der Basler Hochschule für Soziale Arbeit. Das hänge damit zusammen, dass sie meist schlecht ausgebildet sind und oft Jobs in Tieflohnbranchen haben, an denen der Aufschwung schnell vorbeigeht: im Detailhandel, in der Gastronomie oder der Reinigungsbranche.
In diesen Jobs finden sich traditionell viele Frauen. Jede fünfte weibliche Angestellte arbeitet für einen Tieflohn, aber nur jeder 15. Mann. Als Tieflohn gelten alle Einkommen, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittslohns (Median) betragen. Die Grenze liegt aktuell bei brutto 22 Franken pro Stunde oder 3986 Franken im Monat. Also genau auf dem Niveau, auf das die Minimallohninitiative der Gewerkschaften zielt. Und je kleiner das Arbeitspensum, desto schlechter die Bezahlung. Die schlechtesten Karten haben laut Bundesamt für Statistik ausländische Frauen mit Kurzaufenthaltsbewilligung: Jede zweite verdient keine 4000 Franken, selbst wenn sie Vollzeit arbeitet.
Wer einen Tieflohn hat, gehört aber nicht zwingend zu den Working Poor. Das haben Daniel Baumberger und Bernhard Weber vom Staatssekretariat für Wirtschaft festgestellt. Die Auswertung der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung zeige: 35 Prozent der Tieflohnarbeiter sind jung und leben noch bei den Eltern; dazu zählen auch Studenten mit Nebenverdienst. Und 80 Prozent leben in einem Haushalt, in dem mindestens noch eine weitere Person regelmässig Geld verdient. Ein ausreichendes Haushaltseinkommen kann die Situation entscheidend entschärfen.
Frauen haben das Nachsehen: Viel mehr Männer beziehen hohe Löhne
Einkommensverteilung nach Geschlecht in der Schweiz
«Das Risiko, unter die Armutsschwelle zu fallen, hängt nicht allein vom Lohn ab, sondern von den gesamten Lebensumständen», sagt der Experte Carlo Knöpfel. «Wer schon knapp dran ist und dann einen Bruch in der Biographie hinnehmen muss, ist besonders gefährdet.» Zum Absturz in die Armut komme es immer wieder nach einschneidenden Erlebnissen: nach der Trennung vom Lebenspartner, einer längeren Krankheit oder langer Arbeitslosigkeit. Nach solchen Krisen fehlt vielen die Energie und Perspektive, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.
Knöpfel plädiert für eine umfassende Armutspolitik, die möglichst früh einsetzt. «Am besten wirken Interventionen, wenn sie in jenen Momenten stattfinden, in denen die Weichen für ein gelingendes Leben gestellt werden», sagt der Sozialwissenschaftler.
«Das langfristig wirksamste Mittel gegen Armut ist Bildung», sagt Knöpfel. Und die müsse selbstverständlich schon bei den Kindern ansetzen. «Wer ohne genügende Sprachkenntnisse und soziale Kompetenzen in die Schule muss, riskiert schon früh ausgegrenzt zu werden und einen Rückstand zu erleiden, der nicht mehr aufzuholen ist», sagt Knöpfel. Wer später keine Berufsausbildung absolviere, könne kaum je einen festen Arbeitsplatz finden und werde an den Rand der Gesellschaft gedrängt. «Und wer keine gute und würdige Arbeit verrichtet, wird zum Zeitpunkt der Familiengründung rasch zu den Working Poor gehören und lange auf staatliche Hilfe angewiesen sein.»
Risiko Tieflohn: So wirkt sich die Ausbildung aus
Über 30 Prozent der Personen ohne abgeschlossene Ausbildung erhalten Tieflöhne (bis 3986 Fr. brutto im Monat).
«Ich bin zufrieden.» Das sagt Badri Kasem gleich mehrmals. Zufrieden, dass er eine feste Stelle hat – als Küchengehilfe in einem Kebab-Restaurant in Flims GR. Und zufrieden, «dass ich selber schauen kann», wie sich der 47-jährige irakische Kurde mit seinem knappen deutschen Wortschatz ausdrückt. Bis vor zwei Jahren bezog Kasem für sich und seine sechsköpfige Familie Sozialhilfe. Dann fand er seinen heutigen Vollzeitjob, der ihm die weitgehende Ablösung von der staatlichen Unterstützung ermöglichte. Der hagere Mann mit dem schwarzen Schnauz tippt sich an die Stirn: Auch für den Kopf sei diese Eigenverantwortung ein gutes Gefühl, gut für den Selbstwert.
Dabei gäbe es für Badri Kasem genug Gründe, um über seine Lebenssituation zu klagen. Die älteste seiner vier Töchter ist seit Geburt stark geistig behindert. Der Krankheitsverlauf ist ungünstig, die Unterstützung der 18-Jährigen belastet die Familie zusehends. Nur noch alle paar Wochen kann sie in die elterliche Wohnung nach Chur kommen. Ansonsten lebt sie, unterstützt von der IV, in einem Heim in Samedan. Dort besuchen kann sie nur der Vater: Er besitzt für seinen Arbeitsweg ein Bündner Generalabonnement, die lange Fahrt ins Engadin verursacht ihm keine Zusatzkosten. Die übrigen Familienmitglieder können sich ein Treffen mit ihrer Tochter oder Schwester schlicht nicht leisten.
Damit ist es schon gesagt: Die Kasems, 2002 als Angehörige einer nichtmuslimischen Bevölkerungsgruppe in die Schweiz geflohen, sind ganz knapp dran. Badri Kasem verdient monatlich gut 4000 Franken. Das muss für die Familie reichen. Die jüngeren Kinder sind noch zu klein, als dass sich Mutter Bahar Arbeit suchen könnte. Es hilft, dass der regionale Sozialdienst die Krankenkassenprämien für die Familie bevorschusst und die karg eingerichtete 5,5-Zimmer-Wohnung mit 1700 Franken Miete einigermassen bezahlbar ist. Daneben setzt die Familie konsequent auf Aktionseinkäufe und – bei grösseren Posten – auf Ratenzahlung. So oder so sei es jedes Mal eine Punktlandung aufs Monatsende hin, sagt Badri Kasem. Das untermalt er mit den Händen: Anfangs sind sie weit auseinander, am Schluss berühren sie sich.
Da bleibt kein Spielraum. SOS Beobachter sprang in die Lücke und finanziert der zweitältesten Tochter das Abschlusslager der Schule und das ÖV-Abo für die Fahrt zum Ausbildungsort, wo sie im Sommer eine Lehre als Dentalassistentin begonnen hat. Ein kleiner Beitrag mit grosser Wirkung: Er ermöglicht der jungen Frau, die sonst an den Rand der Gesellschaft gedrängt würde, soziale und berufliche Teilhabe. Die 17-Jährige hilft viel zu Hause, deshalb muss sie von ihrem Stiftenlohn nur wenig abgeben. «Das sind ja junge Leute, die brauchen auch etwas», sagt Kasem schmunzelnd. So sprechen verständnisvolle Väter von ihren Töchtern im Teenageralter.
Dass SOS Beobachter einspringt, bevor jemand in die Schuldenspirale hineingeraten ist, findet Mario Roncoroni richtig und gut. Der Berner ist der Doyen der Schweizer Schuldenberater und von Berufs wegen täglich mit Menschen konfrontiert, die sich vor lauter ausstehenden Rechnungen nicht mehr zu helfen wissen. Er sagt: «Es ist entscheidend, dass das Haushaltsbudget möglichst lange im Lot bleibt.» Wenn die Finanzen aus dem Gleichgewicht geraten, kann es sehr schnell gehen. Man bezahlt Rechnungen nicht mehr, lässt die Krankenkasse Krankenkasse sein, geht trotz Schmerzen nicht zum Zahnarzt. Irgendwann steht man auf der schwarzen Liste der Krankenkassen und wird nur noch in medizinischen Notfällen behandelt. «Schulden», so Roncoroni, «können buchstäblich krank machen.»
Aber das sei nicht alles. Indem SOS Beobachter frühzeitig helfe und wie bei den Kasems das ÖV-Abo der Tochter bezahle, schenke man der ganzen Familie auch Lebensqualität. Leute, die so knapp dran seien, müssten mit einem völlig unflexiblen Budget leben. «Jeder Franken ist verplant, für Extras fehlt das Geld.» Wenn die Stiftung dann eine Rechnung übernimmt, wirkt das laut Mario Roncoroni positiv auf das gesamte Budget. «Das frei gewordene Geld kann man anderweitig verwenden und damit viele kleine Budgetposten begleichen, die sonst leiden würden.» Bei Zahnsanierungen wirke diese Medizin noch unmittelbarer. «Dann hat man auch kein Zahnweh mehr, oder das hässliche Gebiss wird korrigiert. Das allein bedeutet schon ein grosses Plus an Lebensqualität.»
Bei der Schuldenberatung zeige sich immer wieder, wie wichtig solche Erlebnisse sind. «Diese Menschen machen die Erfahrung, dass ihnen im wahrsten Sinn des Wortes jemand Kredit gibt», sagt Roncoroni. «Das gibt Vertrauen in die Zukunft. Und die braucht es, um die eigene Situation verändern zu können.» Für Aussenstehende klinge es vielleicht etwas pathetisch, «aber solche Zuwendungen können genau jene Kräfte freisetzen, die vorher gefehlt haben.» So schenke man etwas Optimismus.
Wer seriöse Schuldenberatung betreibt, weiss, dass es nicht primär um Zahlen geht. «Wir beschränken unsere Beratung nicht auf rein finanzielle Fragen, sondern bieten eine Rundumberatung.» Dabei kommen auch Fragen nach der Gesundheit, nach Suchtkrankheiten oder dem Beziehungsnetz zur Sprache. Wenn nicht, sei die Gefahr zu gross, dass auch der schönste Sanierungsplan schnell durcheinandergerate, sagt der erfahrene Schuldenberater. Fehle jedoch ein festes Einkommen, sei eine finanzielle Sanierung fast unmöglich. «Wer schon am Limit lebt und nur einen Job auf Abruf hat, ist besonders schlecht dran.»
Manuela Cavelti hat nie etwas anderes gekannt, als wenig Geld und Angst vor Schulden zu haben. Der Grund dafür liegt in der Luft. «Bei mir riecht es immer etwas nach Ross», ruft sie hinunter durchs Treppenhaus des verwinkelten Altbaus im bündnerischen Zizers. Oben in der Wohnung, zwei Zimmer in die Dachschräge gezwängt, erzählt die 41-Jährige über ein Leben, in dem Pferde die Hauptrolle spielen. Pferdepflegerin hat sie in Davos gelernt, und seither «alle Ställe in der Region durchgemacht». Ein Knochenjob – und einer, der notorisch schlecht bezahlt ist.
Das schert Manuela Cavelti nicht. «Wenn ich arbeite, will ich Freude daran haben», sagt sie. Dafür nimmt sie ein einfaches Leben in Kauf, Verzicht für sich und ihre zweieinhalbjährige Tochter Aurora. Cavelti hat kein Auto, erledigt praktisch alles zu Fuss. Hat weder Hausrat- noch Zusatzversicherung. Kleider und Spielzeug der Kleinen sind aus zweiter Hand. Woran es allerdings nicht mangelt, sind Leute, die ihr nahelegen, sich doch einmal eine «anständige» Stelle zu suchen. Auf solche guten Ratschläge ist die Bündnerin ziemlich allergisch. Ihre Reaktion darauf würden manche vielleicht als störrisch bezeichnen: «Das ist mein Ding, das boxe ich durch. Ich kann nur machen, worin ich gut bin.»
Seit knapp zwei Jahren kümmert sich die alleinerziehende Mutter um die Pferde eines Reittherapeuten – im Stundenlohn und damit abhängig von der gerade anfallenden Arbeit. Auch ihre diversen Nebenjobs, meist mit Pferd, bringen auf der Einkommensseite wenig Sicherheit. Mit den Alimenten für die Tochter kommen in guten Monaten 2200 Franken zusammen. Wie schafft man das? Die Antwort ist eine Grimasse mit zusammengebissenen Zähnen, dazu ein kehliges Lachen: «Durabissa». Manchmal reicht das nicht ganz. Dass SOS Beobachter einen ausstehenden Mietzins für die 1090-fränkige Miniwohnung übernommen hat, hat Manuela Cavelti neuen Schnauf gegeben.
Hätte sie einen Wunsch frei, würde Manuela Cavelti eine eigene Pferdepension führen. Den idealen Stall gibt es, ebenso Pläne samt Kalkulation. Aber Umbauen kostet. «Und woher nehmen?» Manchmal hat ein Lebenstraum auf vier A4-Seiten Platz, notdürftig zusammengehalten mit Klebestreifen, verstaut in einer Schublade voller Papierkram. Aber stets griffbereit.
Trotz ihrer zierlichen Erscheinung ist Cavelti eine zupackende Frau, keine Grüblerin. Und doch: «Es gibt jeden Tag Momente des Bedauerns darüber, dass wir so leben.» Aber der Blick gehe immer gleich wieder nach vorn, Aurora zuliebe. Sie soll nicht unter der Einkommenssituation leiden müssen. Oft nimmt die Mutter die Kleine mit in den Stall. Und es gibt Leute im Dorf, die sie hüten. Als das RAV Cavelti empfahl, für sich eine Vollzeitstelle und für das Kind eine andere Lösung zu suchen, hörte sie mit dem Stempeln gleich wieder auf. «Es muss auch so gehen. Wir zwei bleiben zusammen.» Sagts und streicht ihrem Mädchen über den Wuschelkopf.
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Dank der Zusammenarbeit von Redaktion, Beratungszentrum und Stiftung wissen wir vom Beobachter genau, wo Hilfe nötig ist und wo sie am besten wirkt. Zum Beispiel bei Menschen wie Margaretha Hottiger, bei der Familie Kasem und bei Manuela Cavelti, die zwar arbeiten, aber doch auf keinen grünen Zweig kommen. Flattert dann noch eine hohe Rechnung ins Haus, ist ihre ganze Existenz bedroht. Ihnen droht der Absturz in die Armut.
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