Als Daniela Fässler aus Felben im Kanton Thurgau das Glatteis auf der Strasse bemerkte, war es bereits zu spät. Das Heck brach unvermittelt aus, sie konnte den Wagen nicht mehr kontrollieren. Das Auto rutschte über den Strassenrand in die Wiese, wo es schliesslich zum Stillstand kam.

Kurz vor und nach Fässlers Ausrutscher verunfallten zwei weitere Automobilisten an derselben Stelle auf die gleiche Weise. Auch diese Schleuderfahrten gingen glimpflich aus. Am Unfallort erschienen zwei Polizeibeamte. Sie nahmen ein Unfallprotokoll auf und stellten den Automobilisten eine Busse in Aussicht. Das beunruhigte Daniela Fässler allerdings nicht: «Ich war heilfroh, dass nichts Schlimmeres passiert war.»

Drei Wochen später traf sie fast der Schlag: Per Post kündigte das kantonale Strassenverkehrsamt einen Ausweisentzug von einem Monat an. «Dass ich wegen eines Selbstunfalls, bei dem niemand zu Schaden gekommen ist, den Ausweis abgeben soll, geht mir nicht in den Kopf», ärgert sich die Thurgauerin.

Mit ihrem Frust über die Behörden ist Daniela Fässler nicht allein. Anfragen von Automobilisten, die nach Selbstunfällen das Billett abgeben sollten, sind im Beobachter-Beratungszentrum an der Tagesordnung. Verantwortlich dafür ist das Strassenverkehrsgesetz. Gestützt darauf können die Strassenverkehrsämter einen Ausweisentzug anordnen, wenn eine Lenkerin oder ein Lenker «Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder belästigt hat».

Ob bei einem Unfall Personen zu Schaden kommen oder nicht, spielt keine Rolle, denn es genügt bereits eine erhöhte abstrakte Gefährdung. Mit anderen Worten: Das Amt muss lediglich prüfen, ob ein bestimmtes Verhalten besonders gefährlich ist. Bei nicht angepasster Geschwindigkeit ist dies grundsätzlich der Fall.

Im Januar muss man mit Eis rechnen
Nur bei geringem Verschulden und gutem fahrerischen Leumund dürfen die Entzugsbehörden gnädig sein, indem sie bloss eine Verwarnung aussprechen. Gerade in diesem Punkt kann Daniela Fässler die Wertung des Amts nicht verstehen: «Seit zehn Jahren befahre ich diese Strecke fast täglich. Für mich hat an jenem Morgen überhaupt nichts auf Glatteis hingewiesen. Deshalb war ich auch mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde unterwegs.» Im Übrigen wisse sie, dass die beiden anderen verunfallten Autofahrer ohne Ausweisentzug davongekommen seien.

Ernst Fröhlich, Leiter der Abteilung Administrativmassnahmen beim Thurgauer Strassenverkehrsamt, kann die Verärgerung der Frau nachvollziehen. Er gibt aber zu bedenken, dass der Zusammenhang zwischen den Unfällen nicht überbewertet werden dürfe. «Für uns ist eben kein Unfall gleich wie der andere», sagt Fröhlich. «Zudem kann man die Geschwindigkeit von 80 an einem Januarmorgen eben auch anders interpretieren.»

Tatsächlich gibt es bei gewissen Verkehrsdelikten mehr Spielraum, das Verschulden zu bewerten. Neben dem «Nichtanpassen der Geschwindigkeit» gehört vor allem das «Nichtbeherrschen des Fahrzeugs» zu solchen Gummiparagrafen. Wer hingegen alkoholisiert am Steuer erwischt wird oder verbotenerweise rechts überholt, wird nie auf leichtes Verschulden plädieren können. Im Zweifelsfall lohnt es sich, rechtzeitig einen Anwalt aufzusuchen – er kennt die Praxis am besten.

Bei Daniela Fässler konnte allerdings auch juristisch nichts mehr zurechtgebogen werden. Die Begründung des Amts erwies sich als unanfechtbar: Um diese Jahreszeit müsse mit teilweise vereisten Fahrbahnen gerechnet werden.

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Weitere Infos

  • Fahrschulen
    In der Antischleuderschule in Regensdorf (www.assr.ch) oder im Driving Center in Veltheim (www.veltheim.com) können Sie gefahrlos für den Ernstfall trainieren. Auch die Automobilverbände, einzelne Fahrschulen und Autoimporteure bieten Fahrtrainings an, um Unfallrisiken zu vermindern.
  • Buchtipp
    Daniel Leiser: «Meine Rechte im Strassenverkehr»; Beobachter-Buchverlag, 2004, 264 Seiten, 34 Franken. Bezug unter Telefon 043 444 53 07, Fax 043 444 53 09