Sterben 2.0
Facebook, E-Banking oder Netflix – der heutige Mensch ist auf zahlreichen Internetseiten registriert. Doch was passiert mit all diesen Daten nach dem Tod? Eine Übersicht.
Veröffentlicht am 8. Juni 2018 - 16:53 Uhr,
aktualisiert am 8. Juni 2018 - 16:35 Uhr
Es passiert immer wieder: Facebook zeigt den Geburtstag eines Freundes an – dabei ist dieser vor einiger Zeit gestorben. In seiner Chronik finden sich bald einige nichtssagende Glückwünsche und vielleicht die empörte Zurechtweisung eines Freundes.
Verstorbene leben oft im Internet weiter. Und die Angehörigen sehen sich häufig nicht nur mit unpassenden oder verletzenden Onlinekommentaren konfrontiert, sondern auch mit komplizierten und kostspieligen Rechtsproblemen. Ohne Zugangsdaten bleibt ihnen der Computer des Verstorbenen verschlossen, ebenso seine Mailkonten, benutzte Bezahldienste oder abgelegte Fotos. Alle diese Daten und Profile, die jemand nach dem Tod auf einem Computer oder im Internet hinterlässt, werden als «digitaler Nachlass» bezeichnet.
Wenn es der Verstorbene verpasst hat, Vorkehrungen für den Umgang mit seinem digitalen Erbe zu treffen, können sich Angehörige oft nur mit Sterbeurkunde und Erbschein an die Betreiber wenden – und darauf hoffen, dass diese eine entgegenkommende Praxis pflegen und die Zugangsdaten herausrücken.
Doch gerade beim E-Mail-Konto zeigen sich die Anbieter oft wenig kooperativ. Viele Provider verweisen dazu auf den Persönlichkeits- und Datenschutz – zu Unrecht. Denn juristisch gesehen endet die Persönlichkeit mit dem Tod, und auch der Datenschutz verliert seine Wirkung. Entsprechend können nicht die Interessen des Toten selber eine Ablehnung des Auskunftsgesuchs rechtfertigen, sondern nur die Interessen Dritter – etwa Angehöriger oder eines Korrespondenzpartners. Dafür müsste das Interesse des Dritten allerdings überwiegen. Doch wie sollen die Provider das abschätzen können?
- Notieren Sie alle Zugangsdaten und Passwörter auf und hinterlegen Sie dieses Verzeichnis an einem sicheren Ort für Ihre Hinterbliebenen. Eine Checkliste, was Angehörige im Todesfall beachten sollten, finden Sie im Ratgeber weiter unten.
- Diese Anbieter bieten einen digitalen Aufbewahrungsdienst an:
www.columba.de
www.digitales-vermaechtnis.de
www.securesafe.com - Setzen Sie einen Willensvollstrecker ein, der sich nach Ihrem Tod um Ihren digitalen Nachlass kümmert. Dafür müssen Sie ein Testament oder einen Nachtrag zu einem bestehenden Testament verfassen. Es muss alles von Hand geschrieben werden, mit Datum und Unterschrift. Sie können auch einen Willensvollstrecker nur für den digitalen Nachlass einsetzen.
Hierzu ein Vorschlag zur Formulierung:
«Ich setze (Vorname, Name und Geburtsdatum) als Willensvollstrecker ein. Zu seinen Aufgaben gehört es, meine E-Mails zu sichten und alle sich daraus ergebenden nötigen Schritte vorzunehmen. Er darf keine E-Mails oder deren Inhalt an andere Personen weitergeben, und das Konto ist danach zu löschen. Meine Zugangsdaten befinden sich in einem verschlossenen Kuvert im Safe.» - Informieren Sie sich bei den Anbietern digitaler Dienste über die Vorgehensweise bei einem Todesfall. Treffen Sie die notwendigen Vorkehrungen und sorgen Sie dafür, dass Ihre Erben alle erforderlichen Informationen erhalten.
Das Gesetz hält für diese Fragen bisher keine befriedigende Lösung bereit. Immerhin hat das Parlament das Problem erkannt und 2014 den Vorstoss «Richtlinien für den digitalen Tod» überwiesen. Bis sich gesetzlich etwas ändert, ist es am einfachsten, zu Lebzeiten darauf einzuwirken, was mit den eigenen Daten einmal passieren soll.
Am besten hinterlegt man eine Liste der relevanten Konten mit Benutzernamen und Passwort an einem sicheren Ort; nicht zu vergessen ist dabei das Passwort des eigenen Computers. Geänderte Passwörter soll man sofort nachtragen. So haben die Erben bei Bedarf keine Mühe, auf die Daten zuzugreifen und die nötigen Schritte vorzunehmen. Einige Firmen haben sich darauf spezialisiert, diesen Hinterlegungsservice anzubieten.
Falls jemand nicht will, dass die Erben später sämtliche E-Mails lesen können, wird es komplizierter. Es empfiehlt sich, eine vertrauenswürdige Person als Willensvollstrecker fürs digitale Erbe einzusetzen. Dafür müssen die Formvorschriften der letztwilligen Verfügung eingehalten werden (handschriftlich mit Datum und Unterschrift). Idealerweise verfasst man zusätzlich eine entsprechende Vollmacht und ein klares Pflichtenheft.
Eine nutzerfreundliche Lösung bietet Google für all seine Dienste wie Gmail oder Youtube: den Konto-Inaktivitäts-Manager. Über die Kontoeinstellungen können Nutzer bestimmen, was passieren soll, wenn das Konto über eine selber wählbare Zeitspanne nicht mehr genutzt wird. Der Inhaber kann etwa festlegen, welche Daten gelöscht werden sollen. Oder er kann eine vertrauenswürdige Kontaktperson bestimmen, die berechtigt ist, für die definierten Dienste die entsprechenden Daten herunterzuladen.
Rechnungen und wichtige Informationen gibt es immer öfter nur noch digital. Wenn die Erben also keinen Zugang zum Mailaccount des Verstorbenen haben, kann es sein, dass Rechnungen und Mahnungen ungelesen im Postfach landen und erst eine Betreibung die Erben darauf aufmerksam macht. Bis dahin können Monate oder Jahre vergehen.
Allerdings kann es sein, dass der Erblasser gerade nicht will, dass jemand nach seinem Tod Zugriff auf seine E-Mail-Korrespondenz erhält. In solchen Fällen ist es angebracht, die Aussortierung des Inhalts einem Willensvollstrecker zu überlassen. Oder dann zumindest den Erben diesen Willen rechtzeitig mitzuteilen und sie gleichzeitig über bestehende Verpflichtungen zu informieren.
Das ist ohnehin sinnvoll, denn einige Anbieter geben die Zugangsdaten auch gegen Vorlage des Erbscheins nicht heraus, sondern löschen nur das Konto. Beim Branchenleader Swisscom müssen die Erben triftige Gründe anführen, damit Zugriff auf das Konto gewährt wird. Anders bei Cablecom und Sunrise, wo gegen Vorlage eines Erbscheins auf Wunsch sogar das ganze Konto auf die Erben übertragen wird.
Auch die internationalen Anbieter kennen unterschiedliche Regelungen: Gmail etwa verlangt für die Herausgabe von Unterlagen, dass der Totenschein auf Englisch übersetzt und öffentlich beurkundet in die Zentrale nach Kalifornien geschickt wird. Hotmail oder Yahoo geben keine Zugangsdaten heraus, löschen aber auf Antrag das Konto. Wenigstens bietet Hotmail an, alle E-Mails und das Adressbuch des Verstorbenen auf CD zu brennen und den Erben zu überlassen.
Das Konto des Online-Bankings wird im Erbfall gesperrt, bis die Erben sich mit einem Erbschein ausweisen können. Schwierigkeiten können beim Online-Bezahldienst Paypal oder ähnlichen Angeboten auftreten. Denn die Erben wissen unter Umständen gar nicht, dass ein Paypal-Konto existiert und ob sich darauf allenfalls Geld befindet.
Wenn sie Bescheid wissen, können sie sich das Guthaben gegen Vorlage des Erbscheins überweisen lassen. Die Zugangsdaten werden von Paypal aber nicht herausgegeben, und das Konto wird nach dem Tod des Inhabers gelöscht.
Angehörige können das Facebook-Konto in einen «eingefrorenen» Gedenkzustand setzen lassen. Der Nutzer selbst kann zu Lebzeiten in den Sicherheitseinstellungen einen «Nachlassverwalter» bestimmen. Dieser kann einen Beitrag für das Profil verfassen, Freunde hinzufügen oder ein unpassendes Profil- oder Titelbild ersetzen.
Nutzer und Nachlassverwalter können aber auch die Löschung des Kontos verfügen. Bei den meisten anderen Anbietern wie Twitter, LinkedIn oder Xing müssen die Erben eine entsprechende Anfrage stellen, worauf der Account gelöscht wird.
Meist erwirbt man für E-Books, Hörbücher und Musikfiles eine personalisierte Lizenz, die mit dem Tod erlischt. Das hat aber praktisch keine Konsequenzen, da die Dateien weiterhin auf dem E-Book-Reader angezeigt oder mit iTunes abgespielt werden können, solange der verstorbene Nutzer angemeldet ist.
Erst wenn der Account gelöscht wird, was meist nur auf Verlangen der Erben geschieht, kann nicht mehr darauf zugegriffen werden. Die Erben können diese Dateien nicht auf sich selbst übertragen lassen.
Viele Dienste laufen heute über ein Abo: Man hört Musik bei Spotify, schaut Serien über Netflix, bezahlt für die Nutzung von Microsoft Office eine jährliche Gebühr. Diese Kosten für Streamingdienste und Softwarelizenzen werden in der Regel per Lastschriftverfahren vom Konto abgebucht. Für aufmerksame Erben ist es also kein Problem, diese Abos anhand von Kontoauszügen zu erkennen.
Die meisten Anbieter erlauben eine ausserordentliche Kündigung, wenn der Kunde verstorben ist. Falls die Erben allerdings die laufenden Abonnemente nicht entdecken, weil die Rechnungen monatlich per E-Mail zugestellt werden, kann es schnell teuer werden. Denn viele Abos verlängern sich automatisch, wenn sie nicht rechtzeitig gekündigt werden.
Der Erblasser kann darüber verfügen, was mit seinen online gespeicherten Fotos, Videos oder Blogs passieren soll. So könnte er bestimmen, dass sein Blog weiterhin öffentlich zugänglich bleiben soll, die Videos auf Youtube jedoch gelöscht werden müssen und seine Tochter alle Fotos erhält.
Damit diese Anweisungen auch befolgt werden, ist es empfehlenswert, einen Willensvollstrecker damit zu beauftragen. Wenn der Erblasser nichts vorkehrt, fallen all diese Dateien an seine Erben, die darüber verfügen können. Hier stellen sich wiederum die Probleme mit den Zugangsdaten. Mit einem Erbschein sollte es allerdings auch hier möglich sein, Zugriff zu erlangen.