Helfer für die einen, Ärgernis für die anderen
Im Berggebiet sind Drohnen Helfer und Störenfriede zugleich. Sie retten Wanderer und versorgen Hütten. Private Piloten hingegen nerven Menschen und erschrecken Tiere.
Veröffentlicht am 14. Oktober 2020 - 17:50 Uhr
Ein Abhang im Maderanertal. Irgendwo da unten muss Hannah sein. Verletzt und gefangen. Die Bergretter der Alpinen Rettung Schweiz hören die Terrier-Hündin bellen, können sie aber nicht sehen. Zeit für Rolf Gisler und seine Drohne. Schliesslich ist es zwar ein Kollege, der den Hund zu Fuss findet. Drohnenpilot Gisler aber zeigt dem Retter des verletzten Tiers den schnellsten Weg heraus aus dem unwegsamen Gebiet. «Mit der Kamera auf der Drohne überblicke ich das ganze Gelände.»
Drohnen sind in den Bergen zu wichtigen Helfern geworden. Die Propellermaschinen erreichen Orte, an die Menschen kaum hinkommen. Oder nur unter grosser Gefahr.
Die Drohne der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega hätte diesen Sommer ihren ersten Einsatz fliegen sollen. Wegen des Coronavirus verzögerte sich das Projekt, jetzt soll es im nächsten Jahr so weit sein.
Die Drohne fliegt selbständig und kann in zwei Stunden ein Gebiet von 16 Quadratkilometern absuchen, eine Fläche doppelt so gross wie der Greifensee. Eine optische und eine Wärmebildkamera filmen jeden Stein und jeden Busch, ein Algorithmus wertet die Aufnahmen aus und zeigt an, wo eine vermisste Wanderin sein könnte. Per Mobilfunksignal-Sensor kann sie ein Handy orten. «Die Drohne ist besonders wertvoll, wenn das Risiko für die Helikopter-Crew wegen schlechten Wetters zu gross ist», sagt Mathias Gehrig von der Rega.
Die fliegenden Helferlein erfüllen auch kommerzielle Zwecke. Die Transportdrohne der Firma Flying Basket kann Lasten bis zu 100 Kilogramm heben. Im Südtirol beliefert sie Berghütten mit Essen. In naher Zukunft sollen Transporte von 400 Kilogramm möglich sein. Heute versorgen vor allem Helikopter die Hütten. Ein Flug kostet rund 600 Franken und lohnt sich für Hüttenwarte erst ab 700 Kilogramm Material.
«Unsere Drohnen machen kleinere Lieferungen möglich, wir können zum gleichen Kilopreis öfter fliegen», sagt Geschäftsführer Moritz Moroder. Die Elektroflieger sind zudem leiser und klimafreundlicher. Schweizer Hüttenwarte hätten bereits Interesse gezeigt. «Der Transport per Drohne bringt ganz neue Möglichkeiten im Berggebiet.»
«Ich musste mehrfach Drohnenpiloten bitten, anderswo zu fliegen, weil Gäste sich belästigt fühlten.»
Nicole Müller, Hüttenwartin
Drohnen sorgen aber auch für Ärger. Die private Drohnenfliegerei für Fotos und Filmaufnahmen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Das setzt den Tieren zu. «Für Adler oder Bartgeier ist die Drohne ein Konkurrent in der Nähe des Nests, den es zu vertreiben gilt. Gämsen oder Enten geraten in Panik, wenn plötzlich ein surrendes Etwas über ihnen kreist», sagt Christa Glauser vom Naturschutzverband Birdlife.
Aber auch Wanderer stören sich an den Fluggeräten, die oft mit Kameras ausgestattet sind. «Nicht jeder, der nach einem anstrengenden Aufstieg auf der Sonnenterrasse sitzt, möchte dabei gefilmt werden. Ich musste schon mehrfach Piloten bitten, anderswo zu fliegen, weil Gäste sich belästigt fühlten», sagt Hüttenwartin Nicole Müller von der Trifthütte im Berner Oberland. Im Alpstein AI sind die Konflikte zwischen Piloten, Wanderern und Naturschützern derart eskaliert, dass das Kantonsparlament im Herbst wohl ein generelles Drohnenverbot für das Gebiet festlegen wird.
Für Drohnen in den Bergen brauche es strengere und präzisere Regeln, sagt Birdlife. Ein erster Schritt ist die neue Drohnenregulierung der EU, die ab nächstem Januar auch in der Schweiz gilt (siehe Box unten). Der Schweizer Alpen-Club SAC hat einen Verhaltenskodex für Drohnenpiloten in den Bergen erstellt. «Die meisten stören Tier und Mensch nicht mit Absicht», sagt Benno Steiner vom SAC.
In den Helferdrohnen für Rettung und Transport oder die Landwirtschaft sieht der SAC viel Potenzial. Man müsse aber die Folgen im Auge behalten, die die neuen Möglichkeiten mit sich bringen. Weniger Helikopterflüge zu den Hütten seien wünschenswert, Unterstützung für Bergretter sowieso. «Wohin aber führt es, wenn die entlegensten Orte täglich mit frischem Salat beliefert werden können? Was für Bedürfnisse schafft man damit?»
Ab 1. Januar 2021 gelten in der EU und der Schweiz strengere und einheitliche Regeln für Drohnenflüge.
- Wer eine Drohne fliegt, die mehr als 250 Gramm wiegt, muss sich online registrieren und einen Onlinetest machen.
- Das Gleiche gilt für Kleindrohnen unter 250 Gramm, sofern sie mit einer hochauflösenden Kamera ausgerüstet sind.
- Drohnen ohne Spezialbewilligung dürfen nur 120 Meter über Boden fliegen, und der Flug über Menschenansammlungen ist verboten.
- Kinder unter 12 Jahren dürfen nur unter Aufsicht von über 16-Jährigen eine Drohne steuern.
- Lesen Sie als Beobachter-Abonnent dazu auch: Fotografieren und Filmen mit Drohnen – was gilt?