Auen im «Aare-Gau»
Ein Prozent des Kantons Aargau soll aus Flussauen bestehen, hat die Bevölkerung entschieden. Das Geschenk an die Natur ist auch ein Geschenk an den Menschen.
Platsch! Ein Frosch verabschiedet sich ins Wasser und scheucht einen Schwarm winziger Fische auf. Hoch oben auf einer mächtigen Weide flötet ein gelb-schwarz gefiederter Pirol. Orchideen und blaue und weisse Teufelskrallen setzen Farbtupfer im Auenwald.
Die Flussaue zwischen Schinznach Bad und Brugg ist eine Oase der Natur. Entlang eines Altarms der Aare wechseln sich Kiesbänke, Gebüsch und feuchter Auenwald ab. Seltene Tiere und Pflanzen leben in dieser Wildnis zwischen Wasser und Land. Doch man muss schon gut schauen und genau hinhören, um die ganze Vielfalt zu entdecken.
Am auffälligsten sind die Biberspuren. Frisch gefälltes Holz lässt erahnen, dass hier des Nachts tierische Förster am Werk sind. Und auch Biberwechsel verraten deren Anwesenheit: vegetationslose «Rutschbahnen» am Ufer, über die die Tiere bei Gefahr ins Wasser huschen können.
Schwieriger zu bestimmen sind die vielen zwitschernden und trällernden Vögel: Ein hoher Pfiff über dem Wasser verrät den Eisvogel. Kurzes amselähnliches Flöten stammt vom Pirol. Und der mittelgrosse, braun-weisse Vogel, der in horrendem Tempo den Fluss entlang fliegt und irgendwo am Ufer verschwindet, könnte der seltene Waldwasserläufer sein. Noch heimlicher leben die Frösche, Kröten und Gelbbauchunken. Geduld ist gefragt, um ihnen an den Tümpeln und im Wald auf die Schliche zu kommen.
Dass diese Artenvielfalt entlang der Aare überhaupt noch besteht, ist keine Selbstverständlichkeit. Über 90 Prozent der Flussauen wurden schweizweit zerstört. Im Kanton Aargau jedoch gab eine Volksinitiative Gegensteuer: 1993 beschloss das Volk, einen kantonalen Auenschutzpark zu errichten. Ein Prozent der Kantonsfläche sollte künftig den Auen gehören. Das entspricht 14 Quadratkilometern oder der Fläche des Sempachersees. Seither wird unter Federführung des Kantons renaturiert, teils auch mit schwerem Gerät. Uferverbauungen werden entfernt, neue Tümpel angelegt, Kiesbänke wiederhergestellt. Die weitere Gestaltung übernimmt der Fluss.
Besonders wichtig für die Auen ist ein schwankender Wasserstand. Mal fallen weite Teile der Kiesbänke trocken, dann wieder ist alles überschwemmt. Die für Auen typischen Pflanzen und Tiere haben sich an diese steten Veränderungen bestens angepasst. Bereits umfasst der Auenschutzpark weite Strecken entlang von Aare und Reuss. Die meisten Auen erfüllen dank vielen Wanderwegen auch eine wichtige Funktion als Naherholungsgebiete. Damit ist der Auenpark nicht nur ein Geschenk an die Natur, sondern auch eines an den Menschen geworden.
Gute Einblicke in die Welt der Auen gewährt eine Wanderung von Schinznach nach Brugg. Über das Stauwehr beim Bahnhof Schinznach Bad gelangt man in den Auenwald zwischen dem Altarm und dem Aarekanal. Wunderbare Naturparadiese sind aber auch zwischen Koblenz und Döttingen zu erkunden. Vom Bahnhof Koblenz aus durchquert man einen Auenwald bis an die Aare. Später führt der Weg über eine Eisenbahnbrücke auf die linke Flussseite. Auf dem weiteren Weg durch das Gippinger Grien in Richtung Klingnauer Stausee gibt es Biberspuren und mit etwas Glück Eisvögel zu sehen. Es lohnt sich, einen Feldstecher mitzunehmen. Entlang des Stausees bis nach Döttingen sind vor allem die vielen Wasser-, Wat- und Riedvögel eine Attraktion.