Invasion auf leisen Sohlen
Im Tessin und am Genfersee hat sich eine exotische Tierart eingenistet: die südamerikanische Biberratte. Die Kantone haben dem Nager nun den Kampf angesagt.
Veröffentlicht am 14. Januar 2009 - 11:30 Uhr
Sie sieht aus wie ein zu klein geratener Biber und verhält sich auch ganz ähnlich: die Biberratte, auch Nutria oder Sumpfbiber genannt. Bestes Unterscheidungsmerkmal zum Biber ist neben der geringeren Grösse der Schwanz, der nicht die Form einer Kelle hat, sondern rund und unbehaart ist. Einzelne frei lebende Nutrias wurden hierzulande seit 1940 immer mal wieder gesehen. Doch nie konnten sich die eingewanderten Tiere erfolgreich fortpflanzen. Nun scheint die Art jedoch definitiv Fuss zu fassen: Mehrere Biberratten leben aktuell in der Magadinoebene TI und in der Region des Genfersees. Bei beiden Populationen besteht eine Anbindung an grosse Bestände in Italien und Frankreich. Auch vom Norden her könnte die Nutria bald einwandern: Die nächsten Vorkommen liegen in der Rheinebene nördlich von Basel und im Burgund.
Die Biberratte stammt eigentlich aus Südamerika. Für ihre weltweite Ausbreitung ist der Mensch verantwortlich: Seit etwa 1890 wurde die Art in vielen Teilen der Welt als Pelzlieferant gezüchtet. Vor allem in den neunziger Jahren gaben dann viele Pelztierzüchter ihre Farmen auf, – und einige entliessen ihre Tiere aus Bequemlichkeit in die Freiheit. Die freigelassenen Biberratten vermehrten sich schnell und gründeten frei lebende Bestände in Nordamerika, Asien und Europa.
Für die Biologen und Naturschützer ist die Ankunft der Nutria in der Schweiz keine gute Nachricht. Zwar ist zum allfälligen ökologischen Schadenspotential der Art gemäss Informationsdienst Wildtier Schweiz wenig bekannt. Möglich wäre aber, dass die Biberratte den einheimische Biber zunehmend verdrängt sowie Schilfflächen und Riedgebiete zerstört, was für viele seltene Tiere und Pflanzen problematisch wäre. Das Biodiversitätsmonitoring Schweiz erwartet jedoch nicht, dass die Nutria für die Artenvielfalt zum Problem werden könnte.
Auch die Landwirte freuen sich wohl nicht besonders über das exotische Nagetier. Bäume fällt die Biberratte zwar nicht, doch wo sie in grossen Beständen vorkommt, kann sie Ufer und Dämme untergraben und lokal Felder verwüsten. In Italien habe die Art bereits Schäden in Millionenhöhe verursacht, schrieb der «Blick» im Oktober 2008. Solche Szenarien sind allerdings in der Schweiz vorerst nicht zu erwarten.
Ob sich die Biberratte weiter ausbreiten wird, liegt nun in den Händen der Kantone. Denn diese haben laut der Jagdverordnung dafür zu sorgen, dass sich eingeschleppte Tiere nicht ausbreiten. Im Tessin gehen die Behörden bereits gegen das südamerikanische Nagetier vor: Neun Tiere wurden letztes Jahr eingefangen und «entfernt».