Ort der Extreme
Die Sahara ist ein unwirtlicher Ort. Doch in der grössten Wüste der Erde blühte einst das Leben, und sie könnte wieder grün werden.
Veröffentlicht am 4. April 2011 - 08:59 Uhr
Der Pfefferminztee ist so süss, dass er die Lippen verklebt. Nach dem anstrengenden Trip durch die Wüste sind wir froh um das heisse Getränk, das uns Ali in seinem kargen Heim anbietet: drei Zelte, ein paar Ziegen, eine Feuerstelle und ringsum nichts als Sand und Steine. Wir befinden uns im Südosten Marokkos, am Rande der Sahara. Der nächste grössere Ort, Zagora, ist 75 Kilometer entfernt. Unterwegs mit einer kleinen Gruppe, hat uns Lahoucine Oulkadi, unser Guide, zu den Nomaden gebracht, die sich hier in der Ebene niedergelassen haben. Ein willkommener Zwischenhalt in dieser Einöde, die im späten Nachmittagslicht braungolden schimmert.
Die verschleierte Frau mit dem schönen Namen Sahara verschwindet im Hauszelt und kommt mit einem Faustkeil in der Hand zurück. Dem Besucher aus Europa stockt der Atem: Solche Werkzeuge, die Menschen in grauer Vorzeit herstellten, können bei uns nur im Museum besichtigt werden. Das Werkzeug hätten sie hier in der Steinwüste gefunden, sagt Ali. Ein bearbeiteter Feuerstein, an den Kanten abgeflacht und an einem Ende zugespitzt, der 100'000 Jahre oder noch älter sein kann; ein Stein, der von einer Zeit kündet, als die Region dichter bevölkert und noch keine Wüste war. Es war die Zeit, als frühe Menschen die Sahara bewohnten, bevor sie sich aufmachten, um Europa und Asien zu kolonisieren.
Die grösste Wüste der Welt, Inbegriff von lebensfeindlichen Umweltbedingungen, hat eine grüne Vergangenheit. «Die Faustkeile in der Sahara sind ein klarer Beweis dafür, dass prähistorische Menschen die Wüste besiedelt haben», sagt der Archäologe und Klimaforscher Stefan Kröpelin von der Universität Köln. Seit 30 Jahren reist er regelmässig in die Sahara und erforscht ihre Geschichte. «Vor 10'000 Jahren war fast die ganze heutige Wüste grün; Menschen lebten überall. Man findet ihre Werkzeuge und Artefakte an unzähligen Orten», sagt er. Was er für den Süden Ägyptens mit eigenen Grabungen dokumentieren kann, gilt auch für die Gegend im Südosten Marokkos.
Wie belebt und grün die Sahara in der Vergangenheit war, hat der Geograph und Saharaforscher Nick Drake vom King’s College in London kürzlich in einer bemerkenswerten Arbeit nachgewiesen. Seine Studien zeigen die Wasserverhältnisse und Lebensräume von Tieren zur Zeit des «grünen Maximums» vor 11'000 bis 8000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit. Wo die Sonne heute den Boden auf 75 Grad aufheizt, lebten Elefanten, Giraffen und Krokodile. In riesigen miteinander verbundenen Seen und Flüssen tummelten sich Buntbarsche. Im nördlichen Teil dominierte offenes Grasland mit Gazellen und Antilopen, im südlichen Teil grünte eine Baumsavanne (siehe nachfolgende Karte).
Für Nick Drake sind die Tiere und Pflanzen vor allem ein Beweis dafür, dass der Mensch in der Vergangenheit nicht nur über das Niltal, sondern auch über das Gebiet der Sahara nach Norden in Richtung Europa vordrang. Die grüne Wüste bildete einen Korridor für die Auswanderung unserer Vorfahren aus Afrika. Diese Wanderungsgeschichte wiederholte sich mehrmals.
Die enge Beziehung zwischen Mensch, Klima und Vegetation erlebt der Wanderer in der Wüste auf eindrückliche Weise. Bestimmend ist das spärliche Wasserangebot, an das sich Pflanzen und Tiere angepasst haben (siehe «Überlebensstrategien»). Schon wenig Feuchtigkeit reicht, und aus dem sandigen Boden spriessen die Pflanzen. Ist Wasser vorhanden, wächst und blüht es üppig. Die Oase Hassi Diabi am Eingang des Trockentals Oued M’Hazr ist eine solche Lebensader mit Palmen und Tamariskenbäumen. Rund 60 Kilometer südwestlich der Provinzhauptstadt Zagora gelegen, wird sie von durstigen Menschen und Tieren angesteuert. Aus einem Schacht kann man hier das ganze Jahr über Wasser schöpfen, unterirdische Quellen in rund 25 Metern Tiefe speisen den Brunnen. Wer frühmorgens auf der Lauer läge, bekäme wohl wilde Tiere wie Schakale oder Wüstenfüchse zu sehen. Wenigstens weist der Name des Orts – Brunnen des Schakals – darauf hin.
Wir setzen unseren Weg fort und wandern im Wadi an prächtigen Tafelbergen vorbei, die das Tal säumen. Entlang der Talflanken liegen verlassene Steinhütten, die noch von Ziegenmist umgeben sind und erst vor kurzem aufgegeben wurden. «Dieses Frühjahr ist ausgesprochen trocken», sagt Lahoucine, der die Gegend seit Jahren regelmässig besucht. Es hat darum wenig Pflanzen und Tierfutter, was die hier umherziehenden Nomaden weitergetrieben hat. Wir halten Ausschau nach den Menschen, deren Präsenz spürbar ist, denn wir begegnen immer wieder vereinzelten Dromedaren oder Ziegen. Aber die Besitzer sehen wir nicht. Vermutlich haben sie sich vor der Sonne versteckt, die Mitte Februar mit Temperaturen um 27 Grad bereits kräftig einheizt.
Im rauen Tal machen wir uns Gedanken, wie sich die einstige Savanne in diese riesige Wüste mit einer Fläche von neun bis zehn Millionen Quadratkilometern verwandeln konnte. 240-mal hätte die Schweiz darin Platz. Verantwortlich für die Wüstenzone sind trockene Luftmassen, die am nördlichen Rand der Wüste absinken, sich dabei erwärmen und als bodennahe Passatwinde zurück zum Äquator strömen. Erst weiter südlich der Sahara treffen sie auf die Südpassate und lösen dort heftige tropische Monsunregen aus. Bereits kleine Verschiebungen dieser Luftströme würden der Sahara mehr Niederschläge und Vegetation bringen. Auf gleicher geographischer Breite in Asien oder Mittelamerika regnet es regelmässig.
Der Blick in die Klimageschichte der grössten Wüste der Erde zeigt, dass es wiederkehrend zu Grünphasen kam. Massgebend dafür sind unter anderem die langsame Kreiselbewegung der Erdachse, die rund 26'000 Jahre dauert, sowie die Umlaufbahn der Erde um die Sonne, deren leicht variierender elliptischer Verlauf sich alle 100'000 Jahre wiederholt. «Diese orbitalen Faktoren führen zu Verschiebungen der Sonneneinstrahlung und der Luftzirkulation und damit der Niederschläge», erklärt Stefan Kröpelin.
Zu den Feuchtperioden kommt es, wenn die Sonneneinstrahlung in der Nähe des Äquators besonders stark ist. Dann verdampft mehr Wasser aus den Meeren, was den afrikanischen Monsunregen verstärkt und die Passatwinde schwächt. Der Klimaforscher Martin Claussen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg hat die Klimageschichte der Sahara der letzten 120'000 Jahre untersucht. Zusammen mit seinem Kollegen Rik Tjallingii identifizierte er drei Feuchtperioden, die vor etwa 110'000, 85'000 und 10'000 Jahren stattfanden und jeweils rund 5000 Jahre dauerten.
Das Ende der letzten Grünphase muss man sich nicht als abrupten Übergang, sondern als eine längere Periode des Wandels vorstellen. Diese dauerte rund 3000 Jahre, die Entwicklung variierte aber je nach Ort. «Der Wasser- und Lebensraum wurde knapper, die Menschen zogen sich in die Berge und immergrünen Oasen zurück», sagt Kröpelin. An diesen Reservoiren, gespeist von tief liegenden Quellen und Strömen, konnten Menschen immer überleben.
Überraschend ist, dass es unter dem heissen Wüstenboden gigantische Mengen an Wasser gibt, die sich während der feuchten Grünperioden angesammelt haben (siehe nachfolgende Karte). Es wird wie Öl als fossiler Rohstoff bezeichnet und erneuert sich nicht. Das «Nubische Sandstein-Grundwasser-System» ist eines der grössten und wichtigsten Grundwasservorkommen der Welt und umfasst laut der internationalen Atombehörde (IAEA) um die 375'000 Kubikkilometer Wasser. Das entspricht der Menge, die der Nil innerhalb von 500 Jahren ins Mittelmeer abführt. Die Reservoire haben eine Ausdehnung von zwei Millionen Quadratkilometern und liegen unter den Staatsgebieten von Ägypten, Libyen, Sudan und Tschad. Das fossile Wasser durchdringt den porösen Sandstein und ist in den oberen Schichten zwischen 11'000 und 6000 Jahre, tiefer unten sogar bis zu einer Million Jahre alt. Die wasserführenden Gesteinsschichten liegen meist in einer Tiefe von 800 bis 1200 Metern. Wie das Erdöl können sie nur einmal genutzt werden; einmal verbraucht, ist der Wasservorrat unwiderruflich verloren.
Die Frage der Verwendung des Wassers hat denn auch eine kontroverse Diskussion entfacht. Ungewiss ist etwa, wie sich die Nutzung des Wassers auf den Grundwasserspiegel und die Wasserversorgung in den Oasen auswirken wird.
Libyen beutet das Sahara-Grundwasser seit den 1980er Jahren aus. In gigantischen Pipelines von vier Metern Durchmesser fliesst im Rahmen des «Great Man Made River Project» fossiles Wasser aus dem Süden auf die Felder und grossen Städte am Mittelmeer. 85 Prozent der libyschen Bevölkerung verfügen heute über genügend Wasser. Auch im Süden Ägyptens und westlich von Kairo werden fossile Wasserreserven angezapft, trotz Kritik von vielen Seiten. Staatsführer wie Muammar al-Gaddafi oder Hosni Mubarak sahen die Reserven in den achtziger Jahren als Chance, grüne Oasen aus dem Wüstenboden zu stampfen. Unterdessen geht man mit dem Reservoir vorsichtiger um und nimmt von grossangelegten Begrünungsvorhaben Abstand.
Überraschende Zeugen der einst feuchten Sahara finden sich auch in den Oasen, den letzten Refugien für nicht an die Wüste angepasste Tiere und Pflanzen. Im libyschen Kufra, rund 900 Kilometer südlich der Mittelmeerküste, haben Biologen 2010 eine bisher unbekannte Honigbienenart entdeckt. Auch sie ist ein Überbleibsel aus jener Zeit, als die Wüste grün war. Erbgutanalysen brachten an den Tag, dass sich diese Unterart vor 10'000 Jahren von der bekannten Sahara-Honigbiene getrennt hat. Isoliert von ihren Verwandten, hat sie die Jahrtausende in der Oase überlebt, fleissig Pflanzen bestäubt und den Imkern Honig beschert. Ihre Isolation hat sie auch vor der Varroa-Milbe geschützt, die die Honigbienen in Europa bedroht.
«Die Wüste kommt und geht, trockene und nasse Jahre wechseln sich ab», sagt Lahoucine Oulkadi, ein genauer Beobachter und Kenner der Verhältnisse in Marokko. Er zeigt beim Iriki-See auf den ausgetrockneten Sandboden, der sich über mehrere Kilometer erstreckt, und beschreibt, wie es vor einem Jahr hier ausgesehen hat: «Ein blühendes Blumenmeer.» Wo wir heute auf getrocknetem Lehm und Steinen wandern, sammelte sich 2010 das Regenwasser und bildete einen See. Lahoucine hat beobachtet, dass die Gegend rund um Zagora im Verlaufe der letzten zwei Jahrzehnte trockener geworden ist, trotz vereinzelter und aussergewöhnlicher Niederschläge in den letzten Jahren. Dass der an Zagora vorbeifliessende Fluss Drâa ganzjährig Wasser führt und den Anbau von Datteln und Henna begünstigt, ist dem Staudamm zu verdanken, der aus den Bergquellen des Hohen Atlas gespeist wird. Der Drâa versickert schliesslich auf dem Weg zum Atlantik weiter südlich in der Wüste.
Für die am Wüstenrand lebenden Nomaden und Bauern ist die Vorstellung einer grünen Wüste Utopie, für sie dreht sich alles ums knappe Wasser und um Massnahmen gegen die Verwüstung. Das erläutert uns Lahcen Kabiri. Er ist Umweltwissenschaftler an der Provinzuniversität in Errachidia, einem letzten Aussenposten vor der Wüste, einst Garnisonsstadt der Franzosen, rund 200 Kilometer nördlich von Ouarzazate. Der umtriebige Gelehrte setzt sich in einer Kooperative für umwelt- und wasserschonende Anbauweisen ein. Er führt uns auf den kleinen Hof «Bour El Khourbate» beim verstaubten Trockental Ferkla, wo die beiden Brüder Ali und Hussein Bouszekri die Felder bewirtschaften. Wasser wird aus der Tiefe mit Pumpen gefördert und in ein ausgeklügeltes Verteilsystem aus dünnen Schläuchen gespeist. Grün spriesst das sorgsam bewässerte Gras. Kabiri ist begeistert: «Dank der tropfenweisen Abgabe lässt sich mit wenig Wasser ein guter Ertrag erzielen.» Doch nur die wenigsten Menschen haben Geld für die Investition in das System. So sieht man reihenweise kleine Felder, die in den trockenen Jahren aufgegeben wurden und buchstäblich verwüsten.
Bleibt die Suche nach neuen Quellen, die aber Überraschungen bergen kann wie Ain el Atti in der Nähe von Errachidia zeigt: 1988 trieben Geologen eine Sondierbohrung voran. Dummerweise bohrten sie eine salzhaltige Quelle an. Zwar versiegelten die Behörden 2008 das Loch, doch der Druck ist so gross, dass nun salziges Wasser nebenan aus dem Boden quillt.
Während die Menschen in den Trockengebieten alle möglichen Quellen anzapfen, sorgen der Treibhauseffekt und der Klimawandel für überraschende Perspektiven. Gut bekannt sind die Szenarien voranschreitender Trockenheit, erwartet werden zum Teil aber auch zusätzliche Niederschläge. Verschiedene Klimaforscher prognostizieren, dass die globale Erwärmung zu den gleichen Verschiebungen der Monsunwinde führen wird, die am Ende der Eiszeit mehr Niederschläge in die Sahara brachten. Massgebend dafür sei die Veränderung der Wassertemperaturen des Atlantiks vor Westafrika. Diese These vertreten auch Martin Claussen und Stefan Kröpelin.
Der langjährige Wüstenreisende Kröpelin ist sogar der Meinung, dass eine Grünphase ansatzweise erkennbar sei. Vor allem im Osten des Sahels seien am Wüstenrand zunehmend Niederschläge zu beobachten. «Es gibt seit Ende der 1980er Jahre eine Häufung von aussergewöhnlichen Niederschlägen und Extremereignissen, zum Beispiel im Nordsudan.» Auch in Marokkos Wüstengegenden kam es in den letzten Jahren zu höchst ungewöhnlichen Niederschlägen, so im Frühling 2010 oder 2006.
Andere Experten geben sich zurückhaltender. Der Berner Thomas Stocker, Copräsident der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Uno-Klimarats, weist darauf hin, dass Niederschlagsprognosen gerade für den Sahel noch sehr unsicher sind. Die beobachteten Extremereignisse liessen sich nicht klar der Klimaerwärmung zuordnen. Zudem nutze eine wachsende Zahl von Menschen Pflanzen und Holz in diesen Gebieten. Dies macht es noch schwerer, wachsende Grünzonen – falls es sie denn gibt – festzustellen.
Diese Klimaperspektiven lassen die Menschen, die sich an die Wüste angepasst haben, unbeeindruckt. Unsere Gastgeber Ali und Sahara erzählen stolz von ihren Dromedaren – ihrem wichtigsten Reichtum, ihrer Altersversicherung. Und der Besucher aus dem reichen Norden muss sein Bild korrigieren, wonach die Wüstenbewohner, abgeschieden von der modernen Welt, ein technikfreies Leben führen: Neben dem braunen Berberzelt glänzt ein Photovoltaik-Element in der Sonne. Daran angeschlossen ein Handy. Bei den gelegentlichen Besuchen in der Zivilisation leistet das Gerät seinen Besitzern willkommene Dienste.
Die Sahara hat eine Fläche von über neun Millionen Quadrat-
kilometern. Die Sandwüste macht zehn Prozent der Fläche aus. Der grössere Teil sind Plateaus aus Sand- und Kalkstein sowie Geröll- und Kieswüsten. Mehrere Gebirgsketten durchziehen die Wüste, höchster Punkt ist das Tibesti im Norden des Tschad. Im Nordosten liegen gigantische fossile Wasserreservoirs in grosser Tiefe.
Niederschläge: Im Schnitt fallen null bis 25 Liter Regen pro Quadratmeter und Jahr (zum Vergleich: In der Nordschweiz sind es 1250 Liter). In zentralen Regionen kann es jahrelang trocken bleiben.
Temperatur: Im Sommer liegt der Höchstwert um 50 Grad.
In Winternächten sind Frosttemperaturen von minus zehn Grad möglich.
Die Wüste erlebte im Verlaufe ihrer Millionen Jahre dauernden Geschichte mehrmals Wechsel von Regen- und Trockenzeiten. Spuren von Menschen, Tieren und Pflanzen aus der Vergangenheit belegen, dass die Sahara einst günstigere Lebensbedingungen bot. Besonders gut untersucht ist die Grünphase vor rund 10'000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit. Ihre Gewässer und die Besiedlung mit Pflanzen und Tieren sind hier abgebildet.
Quellen: Drake et al., Pnas 2010, ifad; Infografik: Beobachter/DR
Dünen
Der Wind formt aus Sand grandiose Dünenlandschaften. Manche Dünen erreichen eine Höhe von mehreren hundert Metern und bleiben an Ort. Andere bewegen sich stetig.
Typ 1: Sterndünen entstehen durch Winde, die mit den Jahreszeiten die Richtung ändern. Sie türmen sich oft hoch auf und wandern nicht.
Typ 2: Barchan- oder Sicheldünen sind häufig und entstehen bei stetem Wind aus einer Richtung. Ihre Ausläufer zeigen die Richtung der Windströmung an
Typ 3: Längs- oder Lineardünen weisen einen langen Kamm in Richtung des vorherrschenden Windes auf. Passatwinde formen diesen Typ in der Sahara.
Typ 4: Transversal- oder Querdünen richten sich quer zur Windrichtung aus. Diese Formen entstehen oft an den Rändern grosser Dünenfelder.
Wanderdünen: Der Geschwindigkeitsrekord für Wanderdünen liegt bei 200 Metern pro Jahr. Dieses Tempo zeigten Sicheldünen im Tschad. Am beweglichsten sind kleine Dünen. Die Fortbewegung hängt von der Dünengrösse, der Windstärke und der Grösse der Sandkörner ab
Wasserquellen
In den Wüstenoasen verwandelt Wasser die staubige Landschaft in blühende Flecken. Bei der Grundwasseroase (1) wird die wasserführende Schicht mit einem Brunnen erschlossen. Im Fall der Flussoase (2) führt ein Strom Wasser durch die Wüstenlandschaft. Beim artesischen Brunnen (3) steht das Grundwasser unter Druck und sprudelt von alleine an die Oberfläche, wenn es angebohrt wird.
Schutz vor Hitze
Wenig Wasser und hohe Temperaturen erschweren das Leben in der Wüste. Tiere müssen ihre Körpertemperatur unter 48 Grad senken, sonst sterben sie. Mit verschiedenen Strategien entgehen sie der Gefahr: Dromedare (1), die grössten Säuger der Wüste, halten ihren Kopf dank langem Hals in einer Höhe mit erträglichen Temperaturen. Den Tag verbringen sie möglichst im Schatten der Bäume. Nagetiere (2) verschwinden tagsüber in kühlen Bauten, ebenso manche Ameisen (3). Reptilien wie die Agamen (4) flüchten vom heissen Sandboden auf Sträucher. Pflanzen (5) sind weniger empfindlich, aber ortsgebunden. Mit weit verzweigten, in die Tiefe reichenden Wurzeln saugen sie Feuchtigkeit aus dem Boden.
Die Gobero-Region im heutigen Niger ist reich an Gräbern und Fundstätten mit Fossilien
In einer der heissesten Gegenden der Sahara, im heutigen Niger, lebten vor 10'000 bis 8000 Jahren Menschen mit einer hochentwickelten Kultur. Die Jäger und Sammler liessen sich während der feuchtesten Periode der grünen Sahara in der Ténéré-Wüste nieder und jagten Wildtiere und Fische. Davon zeugen Knochen und Keramik, die vor wenigen Jahren in einer besonders reichen archäologischen Stätte gefunden wurden. Der amerikanische Paläontologe Paul Sereno hat sie bei der Suche nach Saurierknochen 2005 entdeckt und, nach dem von den Tuareg stammenden Namen für das Gebiet, Gobero benannt.
Der Wind hat auf dem Dünenfeld viele versteinerte Menschenskelette freigelegt, zudem Steinwerkzeuge, Tonscherben und Harpunenspitzen. Bei Grabungen wurden 200 Gräber und Knochen von Tieren gefunden, die heute nicht mehr dort leben: Elefanten, Giraffen, Antilopen, Warzenschweine und Pythons waren im Gebiet heimisch, ebenso der fast zwei Meter lange Nilbarsch. Diese Fischart muss in einem tiefen See gelebt haben, was auf die fundamentalen klimatischen Veränderungen seit dieser Zeit hinweist. Archäologen gehen davon aus, dass die Gobero-Region von mindestens zwei verschiedenen Kulturen bewohnt wurde, unterbrochen von einer 1000-jährigen Trockenperiode. Die eine Kultur lebte vor 10'000 bis 8000 Jahren, die andere vor rund 7000 bis 4500 Jahren.
Die Spuren der Gobero-Menschen werfen ein Schlaglicht auf die Besiedlung der Sahara während der letzten Grünphase. An unzähligen Orten finden sich Fossilien und Zeichnungen. Berühmt sind die Felsgravuren und Zeichnungen im Hochplateau Gilf Kebir und im Uweinat-Gebirge, südwestlich von Ägypten.
Blickt man zurück in die Vergangenheit des Menschen, findet man im heutigen Tschad mehrere Millionen Jahre alte Überreste prähistorischer Vorgänger. Ob diese nahe beim Affen anzusiedelnden Vorgänger zu unserer Gattung Homo geführt haben, wird kontrovers diskutiert. Laut einer Lehrmeinung handelt es sich um eine Seitenlinie der Evolution, die nicht zu unserer Gattung beitrug. Andere Forscher sehen hingegen eine Verbindung. Als Wiege der Menschheit gilt das Rift Valley weiter südöstlich, ausserhalb der heutigen Sahara. Die grünen Savannen der Sahara, die wiederkehrend auftraten, spielten aber zweifellos eine zentrale Rolle in der Evolution des Menschen.
Weitere Infos
Geologie und Klima
Das Grundwasser-Reservoir der Sahara
Die Grabungen bei Gobero
Buchtipp
Verena Schatanek, Hocine Elkharassi: «Sahara – Tiere, Pflanzen, Spuren»; Franckh-Kosmos-Verlag, 2006, 332 Seiten, CHF 48.90.