Wer jetzt in der Dämmerung ein melancholisches Geplauder vernimmt, hört mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Rotkehlchen, das gerade sein Revier markiert. Kein anderer Vogel singt in der kalten Jahreszeit mit solcher Regelmässigkeit. Deshalb gilt das Rotkehlchen zum Beispiel in Grossbritannien als Weihnachtssymbol. Bei den Briten gilt: Kein Weihnachtskärtchen ohne Rotkehlchen.

Die meisten Rotkehlchen, die man von November bis Februar antrifft, sind laut der Schweizerischen Vogelwarte Sempach Wintergäste aus dem Norden. Im Frühling treten sie dann wieder den Rückweg in ihre Brutgebiete in Deutschland, Polen, Schweden und Finnland an. Diejenigen Rotkehlchen hingegen, die bei uns im Frühling brüteten, überwintern derzeit in den Küstenregionen Südfrankreichs und Spaniens. Wer also glaubt, das Rotkehlchen in seinem Garten sei das ganze Jahr über hier, täuscht sich: Nur fünf bis zehn Prozent der Vögel mit dem roten Latz  leben ganzjährig in der Schweiz.

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Nordische Gäste sind weniger scheu

Interessant ist, dass die Gäste aus dem Norden einiges zutraulicher sind als unsere «Frühlings-Rotkehlchen». Man erklärt sich dies so, dass diese Vögel oft aus dünn besiedelten Naturgebieten stammen und dort keine negativen Erfahrungen mit dem Menschen gemacht haben. Doch so zutraulich die Rotkehlchen gegenüber Menschen sind, so zänkisch und unverträglich verhalten sie sich gegenüber Artgenossen. Im Winter ist die Nahrung knapp. Deshalb besetzt laut der Vogelwarte jedes Männchen und jedes Weibchen ein eigenes Revier, was bei den Vögeln relativ unüblich ist.

Wer Rotkehlchen, aber auch vielen anderen Vogelarten einen Lebensraum bieten möchte, setzt am besten auf eine möglichst naturnahe Gartengestaltung. Im Winter sind vor allem einheimische Beerensträucher wichtig: Schwarzer Holunder, Vogelbeerbaum, Mehlbeere, Pfaffenhütchen oder Wolliger Schneeball bieten jetzt eine beliebte Nahrung für alle Beerenfresser. An den Futterstellen hingegen fressen Rotkehlchen gemäss der Vogelwarte besonders gern Haferflocken und kleine Rosinen.