Bei Qualipet im Zürcher Einkaufszentrum Glatt kostet ein Neonfisch gleich viel wie eine Dose Hundefutter: CHF 3.30. «Heimat: Amazonas» steht am Aquarium angeschrieben. Fünf dieser leuchtenden Tropenfische zappeln in einem Netzchen: Ein junger Mann hat sie für sein Aquarium gekauft. Der Angestellte kippt die Tiere in einen Plastiksack, überreicht sie dem Kunden und gibt ihm noch ein paar Tipps mit auf den Weg. Für die Fische beginnt die letzte Etappe einer langen Reise um den halben Erdball.

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Das Geschäft mit der Aquaristik floriert. Der Schweizer Tierschutz (STS) schätzt, dass etwa sieben Millionen Aquarienfische die hiesigen Wohnzimmer zieren. Und dass jährlich etwa 3,5 Millionen Tiere ersetzt werden müssen, da viele Fische nicht sehr langlebig sind oder sterben, weil die Besitzer sie falsch halten. Allein in der Schweiz gelangen so Jahr für Jahr mehrere Millionen Zierfische in den Verkauf.

Industriell produzierte Fische

Woher die Tiere stammen, ist den meisten Kunden nicht bekannt. Die Zoofachgeschäfte hängen das auch nicht an die grosse Glocke. Denn hinter dem Handel mit Aquarienfischen stehen nicht etwa heimische Züchter, sondern mehrheitlich industrielle Betriebe im Ausland. Über 90 Prozent der Fische werden importiert – vor allem aus Südostasien und immer häufiger auch aus Osteuropa. «Singapur ist der grösste Umschlagplatz für Zierfische», sagt Hans Gonella, Präsident des Vereins Aquarium Zürich. «Die meisten Tiere von dort stammen aus grossen Zuchtbetrieben.»

In Singapur, Malaysia und Indonesien ist die Zierfischzucht ein wichtiger Produktionszweig. Die Zuchtbecken sind oft so gross wie Fussballfelder. Arbeiter sortieren und verpacken die lebendige Ware in grossen Hallen. Auf die Reise gehen die Fische dann in kleinen, mit Wasser gefüllten Plastiksäcken, die in weisse Styroporkisten verpackt sind. Damit die Tiere den Transport überleben, kommen oft Antibiotika und Beruhigungsmittel zum Einsatz.

Die genaue Zahl der auf Langstreckenflügen eingeführten «Lebendware» ist unbekannt. Denn in der Zollstatistik werden die Fische nicht nach Anzahl Tiere, sondern nach Gewicht abgerechnet: 41 Tonnen Zierfische (ohne Wasser) wurden letztes Jahr legal eingeführt; im Jahr zuvor waren es sogar 76 Tonnen. Eine kleine Hochrechnung, um die Dimensionen abzuschätzen: Wögen die Fische im Durchschnitt zehn Gramm, entsprächen 41 Tonnen über vier Millionen Fischen. Dabei spielt der Schweizer Markt nur eine kleine Rolle: Ornamental Fish International, der Dachverband der Zierfischindustrie, hat berechnet, dass jährlich 1,5 Milliarden Aquarienfische in alle Welt verschickt werden.

Einen Vorteil hat die boomende Zuchtindustrie: Es gelangen immer weniger Fische in den Verkauf, die in der freien Natur eingefangen wurden. Wie hoch der Anteil der Wildfänge an den in der Schweiz verkauften Zierfischen ist, weiss allerdings niemand genau. Felix Weck, Präsident des Verbands Zoologischer Fachgeschäfte, schätzt ihn auf höchstens zehn Prozent. In einer Studie des Bundesamts für Veterinärwesen aus dem Jahr 2001 war hingegen von mindestens 26,5 Prozent die Rede.

In grossem Rahmen gezüchtet werden heute vor allem Süsswasserfische. Sehr hoch ist die Wildfangquote dagegen noch immer bei den Salzwasserfischen. Zudem kritisiert Hans Gonella die brachialen Fangmethoden im Meer: «Oft setzen die Tierfänger starke Gifte ein, um die Fische besser einsammeln zu können.» Nur etwa ein Fünftel schaffe es lebend in die Stuben der Aquarianer, schätzt der Zierfischspezialist und Autor mehrerer Bücher zur Aquaristik.

Ob Süss- oder Meerwasserfische: Deklariert werden die Wildfänge nur in einem Teil der Zoogeschäfte – und auch dort mehr schlecht als recht. Unleserliche Zettelchen oder abgeblätterte rote Punkte, deren Bedeutung der Kunde erst auf Nachfrage erfährt, sind an der Tagesordnung.

Allerdings hapert es nicht nur bei den Fischen mit der Deklaration der Herkunft. Auch andere Haustiere stammen manchmal aus zweifelhafter Quelle, ohne dass die Kunden dies erfahren (siehe «Augen auf in der Tierhandlung»). Besondere Sorgenkinder der Tierschützer sind die Reptilien und Amphibien. Denn auch viele Schlangen, Leguane und Giftfrösche, die hierzulande in den Verkauf kommen, sind Wildfänge. Die Folgen der massenhaften Plünderung sind fatal: Seltene Arten drohen auszusterben, ausserdem geht mindestens die Hälfte dieser Tiere in Gefangenschaft ein.

Eine Zoohandlung, die noch zahlreiche Wildfänge im Angebot hat, ist das Reptilien-Center im zürcherischen Schlieren. In einem dunklen, etwas muffigen Raum stehen 200 Terrarien dicht an dicht; es zirpt, krabbelt und raschelt. Sogar drei kleine Krokodile blecken die Zähne. «Rund 20 Prozent der verkauften Tiere sind Wildfänge, der Rest stammt von Züchtern», sagt die Angestellte Manuela Kunz.

Etwa zweimal pro Jahr steht eine grosse Importlieferung an, dann gilt es die Tiere am Flughafen abzuholen, die Schlangen aus den Stoffsäcken zu nehmen, die Frösche aus den Plastikboxen. «Maximal zwei bis drei Tage dauert die Reise der Tiere», sagt Kunz, «die Ausfälle sind gering.» Immerhin sind die Wildfänge im Reptilien-Center Schlieren eindeutig deklariert.

Längst nicht alle Händler nehmen es bei der Information so genau. «Es gibt unter den Händlern leider noch immer schwarze Schafe, die die Tiere gar nicht oder bewusst falsch anschreiben», sagt Manuela Kunz. Unseriöse Händler bieten ihre Ware besonders gerne an Tierbörsen und im Onlinehandel an.

Wie bei den Fischen gilt auch bei Reptilien und Amphibien: Wer wissen möchte, ob ein Tier «made in Singapore» ist oder aus Wildfang stammt, kann sich derzeit nur auf die Aussagen des Verkäufers verlassen. Und der kann sagen, was er will – überprüfbar sind die Angaben nicht.

Augen auf in der Tierhandlung

2008 wurden laut Zollstatistik rund 127 Tonnen Säugetiere (ohne Nutztiere), fast 17'000 Reptilien sowie 141 Tonnen Tiere «ohne nähere Angaben» in die Schweiz eingeführt. Allerdings deklariert der Handel die Herkunft der Tiere oft nur ungenau oder gar nicht.

  • Nager wie Meerschweinchen, Kaninchen oder Hamster stammen meist aus heimischer, privater Kleintierzucht, in geringem Umfang aber auch aus ausländischen Zuchtfarmen.

  • Reptilien, Amphibien und Spinnentiere können aus Schweizer Zucht, aus Zuchtanlagen im Ausland oder aus Wildfang stammen.

  • Die angebotenen Vögel sind fast ausnahmslos Schweizer Zuchttiere. Wegen der Vogelgrippe ist der internationale Handel zusammengebrochen.


Tipp: Kaufen Sie Tiere nur, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sie aus einheimischer Zucht stammen. Und meiden Sie unbedingt Seltenheiten und Billigangebote.