Wenn er seine Flieger steigen lässt, hat Bruno Gerber oft Zuschauer. An Touristen fehlt es in seinem Wohnort Scuol im Unterengadin nicht. «Zu Beginn sind sie skeptisch und belächeln mich, als wäre ich ein Kind. Nach einer Viertelstunde sind sie aber ganz fasziniert und beginnen Fragen zu stellen.»

Der 48-Jährige kann eine Stunde lang ohne Punkt und Komma über
Papierflieger sprechen. Wer diese für «Kinderzeug» hält, wird eines Besseren belehrt: Es ist eine Art Kunsthandwerk, ähnlich der japanischen Origami-Technik. Gerber besitzt stapelweise Bücher über Papierflieger. Doch in Sachen Technik könne kaum jemand sein Niveau halten – sagt er über sich selbst.

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Anleitung 1: Libelle

Einfach. Minimales Modell

2 Das Blatt in der Hälfte knicken, diese erneut in der Hälfte und die oberste Zone nochmals in der Hälfte knicken.

3 Die Falzungen anfangs etwas schmaler machen, um die Papierdicke zu berücksichtigen.

4 Die Abwinkelung der Flügel etwa um ein Drittel ihrer Breite und etwas schief falten.

5 Kurskorrektur (Seitensteuer) an den seitlichen Aussenkanten anbringen. Nur in den Wind legen!

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Gerber arbeitet als Koch, die Freizeit verbringt er mit der Papierfliegerei. Stolz macht ihn, dass er inzwischen sogar ein Buch zum Thema verfasst hat. Besonders stolz, da er ein leichtes Handicap hat und in Schulfächern wie Rechnen und Lesen limitiert war. Auch einen Computer kann er nicht bedienen.

Seine Fähigkeiten liegen anderswo. Als Bub begann er Papierflieger zu basteln, hatte bald die verfügbare Literatur zum Thema gelesen und merkte: «Da müsste mehr drinliegen.» Er begann Modelle zu entwickeln. Heute hat Bruno Gerber mehr als 100 Typen im Repertoire, die er auswendig in wenigen Minuten falten kann. Doch er tüftelt stets an neuen Modellen. Die Faszination, «dass man aus einem simplen Blatt Papier so viel machen kann», lässt ihn einfach nicht los.

Gerber verwendet praktisch ausschliesslich A4-Blätter, übliches Kopierpapier. Nur für ganz wenige Modelle braucht er dickeres oder dünneres Papier. Zu seiner «Winterkollektion» gehören etwa Kleinstflieger, die er aus Seidenpapier fertigt. Sie fliegen auch bei minimalem Aufwind.

Bruno Gerber ist Purist. Im Gegensatz zu anderen «Entwicklern» arbeitet er nur mit der Falttechnik: keine Schere, kein Leim, kein Sperrholz. Doch das kommt gut an. Die Leute hätten gemerkt, dass das «Papierfliegerlen» ein «guter Ausgleich zum Handy ist». Und dazu eine denkbar günstige Freizeitbeschäftigung. Gerber gibt Kurse für Schüler oder angehende Lehrer. Die kommen gelegentlich ins Schwitzen und fragen, ob er keine einfacheren Modelle habe, sagt Gerber schmunzelnd.

Anleitung 2: Schwalbe

Grundform für viele Modelle

1 Ein A4-Blatt längs zusammenfalten und wieder öffnen.

2 Die linke Ecke in der Diagonalen zur rechten Kante falten. Wieder öffnen.

3 Analog die rechte Ecke in der Diagonalen zur linken Kante falten. Wieder öffnen.

4 Das Blatt wenden. Über das gefaltete Kreuz herabfalten. Wieder öffnen.

5 Das Blatt erneut wenden. Die Bergfalte an den Kanten fassen und gegen die Mitte herabfalten. Glattstreichen.

6 Die Schwalbe ist fertig.

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Man muss guten Aufwind erwischen

In seiner 30-jährigen Karriere hat er viel über die Technik des Fliegens gelernt. Entscheidend für die Flugeigenschaften ist das Trimmen der Flügel, die Feineinstellung im richtigen Winkel. Doch wie gut ein Modell fliegt, hängt auch vom Wetter ab. «Am besten fliegen sie im Frühling und im Herbst, wenn bei Sonnenschein eine regelmässige Strömung entsteht.»

Entscheidend ist, einen guten Aufwind zu erwischen. Ideale Flugbedingungen herrschen an Abhängen, von denen es in Scuol viele gibt. Flachländern empfiehlt Gerber, die Flieger von einer Mauer herab oder aus einem Fenster zu starten. Allerdings dürfte Gerbers Rekord kaum zu überbieten sein. Einer seiner Flieger blieb atemberaubende 18 Minuten in der Luft.

Und welches ist sein Lieblingsmodell? Diese Frage ist für ihn, «wie wenn man einen Vater nach seinem Lieblingskind fragt». Je nach Wetter bevorzuge er ein anderes Modell. Echte Kinder hat er nicht, auch keine Partnerin. «Ich müsste eine Frau haben, die mein Hobby aushält.» Denn er verbringt selbst seine Ferien mit dem Fliegen. Dann aber eher mit Modell- oder Segelflugzeugen. Das ist sein Ausgleich zum Papierfliegen.

Anleitung 3: Dädalus

Komplex. Gute Flugeigenschaften

1 Aus der Schwalbe (siehe Anleitung oben) formt man den Kragen.

2 Die linke obere Ecke des Kragens zur Mittellinie, gleichzeitig die Spitze oben in der Mitte nach unten klappen.

3 Links und rechts die schrägen Flügelvorderkanten um etwa eine Daumendicke herabfalten. Die neuen Kanten sollen sich unter der Mitte des Übereckquadrats treffen.

4 Die untere Hälfte des Übereckquadrats unter Auseinanderklaffen des darunterstehenden senkrechten Wändchens...

5 ... herabfalten. Auf der neuen Linie...

6 ... wieder hochklappen, gleichzeitig die klaffende Figur von vorhin zu einer schmalen Raute zusammenfalten.

7 Beide seitlichen Flügel mittels Faltung unter das eben aufgeklappte Dreieck schieben.

9 Die S-Schweifung soll gegen den Rumpf hin einen leichten Knick aufweisen.

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Buchtipp

Bruno Gerber, Ruth Baur: «Werkstatt Papierflieger»; 44 neue Papierflugmodelle mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen. AT-Verlag, 120 Seiten, CHF 26.90

Autor: Daniel Bütler
Foto: Mayk Wendt, AT Verlag
Illustrationen: Ruth Baur, AT Verlag