Vertrödelte Zeit als Zivilschützer
Marc Meschenmoser hatte acht Tage Dienst am Zürcher Kantonalschützenfest: Einen Nutzen sah er nicht darin. Hier sein Erlebnisbericht.
Jetzt kommt der dienstliche Befehl: «Gehörschutz
auf! Feuer frei und gut Schuss!» Punkt acht Uhr erfolgt
der Startschuss des Standchefs für das Zürcher Kantonalschützenfest.
Damit beginnt an diesem Sommertag für uns Zivilschützer
der WK Block 1 im Schiessstand Zürich-Höngg. Hinter
jedem Schützen und den wenigen Schützinnen sitzen
wir als so genannte Warner.
Knapp drei Meter vor uns kämpfen die Teilnehmer mit
Sturmgewehr, Karabiner oder Standardwaffe um persönliche
Ehre, Kranzabzeichen und Gratisferien für die Besten.
Bis 380 Franken haben sie dafür ausgegeben, trotz etlichen
Sponsoren wie der Munitionsfirma Ruag oder der Gilde der Bombenwerfer
Zürich.
Laut Empfehlungen des Bundes sollten Kantone bei kommerziellen
Anlässen auf den Ausbildungsnutzen für den Zivilschutz
achten. Beim Schützenfest beschränkte sich dieser
auf fünf Minuten: Der Einsatzleiter erklärt anhand
des Schiessbüchleins, wo und in welcher Reihenfolge der
Scanner über die vier Codes geführt werden muss.
Das wars auch schon.
Die Handgriffe erfolgen wie im Schlaf
«Zuerst Sektion, dann schiesse ich wohl die Ehrengaben»,
raunt mir der Bartträger zu. Ich nehme das Schiessbüchlein,
lese mit dem Scanner den Namenscode ein, gefolgt von «Stgw
57», «Position liegend», und der Disziplin
«Sektion». Dann den gedruckten Resultatstreifen
abschneiden und einkleben. Schon nach einer Viertelstunde
erfolgen die Handgriffe wie im Schlaf: scannen, scannen, scannen,
scannen, Resultate abschneiden, einkleben. Rund 200 Mal, von
morgens acht bis abends sieben Uhr.
Das macht während acht Tagen 80 Meter Resultatstreifen
pro Zivilschützer und insgesamt 120000 Schüsse.
Derweil beschäftigt sich mein Banknachbar mit Zeitunglesen,
andere schreiben SMS oder reinigen ihre Fingernägel.
Der Geruch von abgefeuerter Karabinermunition weht in unsere
Nasen, während sich das alte Sturmgewehr 57 am lautesten
in Erinnerung ruft. Doch die 128 Zivilschützer sind freiwillig
in den zwei Schiessständen Albisgüetli und Höngg
«um weniger Militärpflichtersatz zu bezahlen»,
wie Ivo klarstellt.
Am zweiten von drei Wochenenden legt sich der Ansturm der
Schützenvereine, worauf ein Zivilschützer beschliesst,
am Abend eine halbe Stunde früher zu gehen. Das Organisationskomitee
indes ist voll des Lobes: Zum Dank überreicht es uns
eine blau-weisse Ehrenschleife mit Münze der Stadtzürcher
Schützengesellschaft von 1851. Die Organisatoren lassen
keine Zweifel: Dieser Premiere werden weitere Einsätze
für Zivilschützer als Warner folgen. Andere Kantonalverbände
hätten Interesse gezeigt, bei ihren Schützenfesten
künftig ebenfalls die Männer in Blau einzusetzen.