Böses Ende für schwarze Konten
Noch nie reichten so viele Steuerzahler eine Selbstanzeige ein wie 2017. Umstritten ist jedoch, bis wann eine solche Meldung straflos bleibt.
aktualisiert am 25. Januar 2018 - 17:17 Uhr
Das Jahr 2017 war für viele kantonale Steuerämter mit einer zusätzlichen Belastung verbunden. Alleine im Kanton Zürich wurden 6150 Selbstanzeigen verzeichnet. Im Vergleich zum Vorjahr 2016 ist dies fast eine Verdreifachung. Auch die Kantone Basel-Stadt (1342 Fälle) sowie Schwyz (772 Fälle) und St. Gallen (1295 Fälle) melden eine Zunahme um das Dreifache beziehungsweise um das Doppelte. Auch der Kanton Bern meldete zuletzt eine Verdreifachung bei den Selbstanzeigen mit 4550 Fällen im Jahr 2017.
Dies alles hängt mit dem Abkommen über den automatischen Informationsaustausch (AIA) zusammen, das am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist. Mittlerweile hat es die Schweiz auf über 100 Staaten ausgeweitet, wobei das Ausland Daten von Schweizer Kontoinhabern an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) weiterleitet. Umgekehrt gibt die Schweiz Daten von allen ausländischen Kontoinhabern an deren Wohnsitzland weiter, samt Kontostand und Zinseinkünften. Kein Wunder also, sahen sich im letzten Jahr viele Steuerpflichtige dazu veranlasst, ausländische Vermögenswerte schnell noch straffrei anzumelden.
Für die kantonalen Steuerverwaltungen bedeuten die Offenlegungen hohe Mehreinnahmen. Im Kanton Zürich konnten Vermögen von über 1,3 Milliarden Franken aufgedeckt werden, die künftig immer wieder in den Steuererklärungen auftauchen werden. Im Kanton Luzern machen die durch Selbstanzeigen deklarierten Vermögen einen Gesamtsteuerertrag von rund 15,5 Millionen Franken aus, was durchschnittlich deutlich mehr ist als in den Vorjahren. Gemäss einer Berechnung der «NZZ am Sonntag» wurden seit 2010 über 31 Milliarden Franken an unversteuerten Vermögen durch Selbstanzeigen offengelegt.
Auffallend ist, dass 2017 ein wesentlicher Anteil der gemeldeten Vermögen italienische, portugiesische und spanische Liegenschaften betrifft. Vielen war offenbar nicht bewusst, dass ein Häuschen in der Heimat in der Steuererklärung angegeben werden muss. Zwar muss Wohneigentum nur vor Ort versteuert werden, in der Schweiz kann jedoch durch die Deklaration trotzdem ein höherer Steuersatz resultieren. Zu beobachten ist auch, dass die angezeigten Beiträge pro Fall eher klein ausfielen. «Wie bereits abzusehen war, wurden 2017 mehrheitlich nicht mehr die ganz grossen Fische gefangen», sagt Markus Weber, Steuerexperte und Partner beim Beratungsunternehmen Deloitte.
Jede in der Schweiz steuerpflichtige Person darf seit 2010 einmal im Leben eine straflose Selbstanzeige für undeklarierte Einkommen und Vermögenswerte machen. So werden «nur» die Nachsteuern für die letzten zehn Jahre und die Verzugszinsen fällig, Busse und Strafandrohung fallen dagegen weg.
Nach Art. 175 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer wird nur dann von einer Strafverfolgung bei der Selbstanzeige abgesehen, wenn die Hinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt ist und die steuerpflichtige Person die Meldung von sich aus macht.
Seit der automatische Informationsaustausch am 1. Januar 2017 in Kraft ist, werden die Daten Schweizer Kunden von den ausländischen Banken gesammelt. Waren es zu Beginn noch 38 Staaten (darin alle EU-Mitgliedsstaaten) sind es seit Anfang 2018 über 100 Länder. Die 38 Staaten, die anfänglich das AIA-Abkommen unterzeichnet haben, können ab 1. Januar 2018 die Daten an die ESTV schicken. Bis zum 30. September 2018 müssen alle Daten in der Schweiz eingetroffen sein. Ab dem 1. Oktober stellt die ESTV die Informationen für die kantonalen Steuerämter zum Download bereit. Ab dann liegt es in der Hand der Steuerkommissäre, wie schnell, und vor allem wie umfangreich, die Daten geprüft werden.
Eine weitere Besonderheit bei der Bilanz der Selbstanzeigen ist, dass im Kanton St. Gallen im letzten Jahr beinahe 60 Prozent (178,4 Millionen Franken) der offengelegten Schwarzgelder in Banken und Stiftungen des Fürstentum Liechtenstein angelegt waren. Das AIA-Abkommen zwischen der Schweiz und dem Fürstentum trat jedoch erst gerade am 1. Januar 2018 in Kraft. Ein erstmaliger Datenaustausch erfolgt im Jahr 2019.
Steuerexperte Markus Weber geht davon aus, dass auch im Jahr 2018 bis zum Herbst weitere Selbstanzeigen im Kanton Zürich eingereicht werden. Für Steuerpflichtige im Kanton Schwyz dürfte der Zug aber schon letztes Jahr abgefahren sein. Die Innerschweizer sind am striktesten. Dort geht die Steuerverwaltung davon aus, dass mit Einführung des AIA ab 1. Januar 2017 keine straflose Selbstanzeige mehr möglich ist, weil diese nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus strafrechtlichem Druck erfolgt.
Der Kanton St. Gallen hat einen anderen Ansatz gewählt. Die Frist, in der eine straflose Selbstanzeige möglich ist, ist dann vorbei, wenn die Eidgenössische Steuerverwaltung über die ausländischen Steuerdaten verfügt. Reicht ein St. Galler Steuerzahler beispielsweise am 15. Juli 2018 eine Selbstanzeige ein und waren die Daten zu diesem Zeitpunkt bereits beim Bund, betrachten die Ostschweizer eine Selbstanzeige als strafrechtlich relevant. Dies auch, wenn der Steuerkommissär die Steuerdaten frühestens erst ab dem 1. Oktober 2018 abrufen kann.
«Letztlich wird wohl ein Gericht darüber befinden müssen, welches Datum entscheidend sein wird»
Joel Weibel, Spezialist Kommunikation, Eidgenössische Steuerverwaltung
Nach Ansicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung ist der 30. September 2018 entscheidend. Bis zu diesem Tag müssen nämlich spätestens die ausländischen Steuerdaten vorliegen. Spätere Selbstanzeigen erfolgen nicht mehr aus eigenem Antrieb, weil die Kantone nach diesem Datum die Informationen herunterladen können.
Weitaus am kulantesten zeigt sich der Kanton Zürich. Hier ist eine straflose Selbstanzeige noch möglich, solange der zuständige Steuerkommissär beim Abgleich der ausländischen Angaben mit jenen in der Zürcher Steuererklärung nicht auf eine Differenz stösst. Dies kann auch noch viel später sein als am 1. Oktober. Rechtsanwalt Thomas Bachmann setzt sich in der Zeitschrift «Steuer Revue» mit dem Begriff der Kenntnis genauer auseinander und unterstützt die Zürcher Haltung. Der Leiter für Recht und Steuern der Treuhandgesellschaft Fiduconsult in Freiburg setzt für die Kenntnisnahme eine «kognitive Leistung eines Steuerbeamten» voraus. Diese sei nicht schon dann gegeben, «wenn die entsprechenden Daten bloss auf einem Server zur Verfügung stehen», hält Bachmann fest.
Bis zu welchem Zeitpunkt eine Selbstanzeige straflos bleibt, hängt deshalb ganz von der Anwendung des Begriffs «Kenntnisnahme» bei den Kantonen ab. Unklar dürfte auch sein, wie genau die Steuerbeamten die ihnen zur Verfügung gestellten Steuerdaten ab dem 1. Oktober prüfen werden.
Laut Joel Weibel von der ESTV wird es daher absehbar sein, «dass ein Gericht letztlich über das Datum der Kenntnisnahme entscheiden wird». Auch Steuerexperte Markus Weber von Deloitte tippt darauf, dass diese Frage am Schluss von einem Gericht beurteilt werden muss, «da noch erhebliche Unterschiede in den Sichtweisen bestehen».
Bei Steuerdelikten versteht der Staat keinen Spass. Lassen Sie sich als Mitglied des Beobachters den Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug erklären und erfahren Sie, wann eine Selbstanzeige straflos bleibt und welche Auskunftspflicht Steuerpflichtige gegenüber den Steuerbehörden haben.
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