Ein dicker Pullover fürs Eigenheim
Ein Grossteil der Häuser in der Schweiz braucht für Heizung und Warmwasser ein Mehrfaches der Energie, die dafür nötig wäre. Die richtige Sanierung senkt Verbrauch und Nebenkosten und schont die Umwelt.
Veröffentlicht am 23. März 2010 - 17:51 Uhr
Die Liegenschaften in der Schweiz stecken im Renovationsstau. Im Schnitt sind unsere Häuser 45 Jahre alt, ein Grossteil stammt gar aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Gemäss Untersuchungen der Research-Abteilung der Credit Suisse wurden bis heute nur gerade 60 Prozent dieser Häuser aus der Vorkriegszeit umfassend erneuert. Ähnlich sieht es bei jenen Bauten aus, die vor 30 oder 40 Jahren erstellt wurden. Das hat optische Mängel und Einschränkungen beim Wohnkomfort zur Folge. Bei vielen Häusern ist die Isolation von Aussenwänden und Dächern zu dünn oder gar nicht vorhanden, durch alte, schlecht schliessende Türen und Fenster geht viel Wärme verloren, und das Warmwasser wird mit ineffizienten Elektroboilern erzeugt.
Kein Wunder, geht rund die Hälfte der in der Schweiz verbrauchten Energie auf das Konto von Heiz- und Warmwasseraufbereitungsanlagen – die auch für 40 Prozent des gesamtschweizerischen CO2-Ausstosses verantwortlich sind.
Entsprechend gross ist das Sparpotential einer energetischen Sanierung: Der Energieverbrauch lässt sich locker halbieren oder gar auf einen Drittel reduzieren. Ausserdem verbessern sich durch eine Sanierung auch das Raumklima und der Wohnkomfort. Zudem zahlen sich die Investitionen in die Gebäudehülle aus, vorausgesetzt, man führt die Arbeiten im Rahmen einer sowieso anstehenden Überholung des jeweiligen Bauteils durch.
Das belegen Untersuchungen der Beratungsfirma TEP Energy aus Zürich, eines Spin-off-Unternehmens der ETH, in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Architekturbüro Meier + Steinauer Partner. Ein Beispiel: Der Neuanstrich eines Einfamilienhauses kostet mit Gerüst rund 80 Franken pro Quadratmeter Fassade. Lässt man im gleichen Zug eine 20 Zentimeter dicke Isolation anbringen, beträgt der Aufpreis dafür zwischen 140 und 150 Franken pro Quadratmeter. Schreibt man diese Mehrkosten über 30 Jahre ab und verzinst das eingesetzte Kapital zu 3,5 Prozent, entstehen pro Quadratmeter Fassade jährliche Kosten von Fr. 6.70. Setzt man diese in Relation zur Energie, die man dank der Isolation einspart, resultiert bei den gegenwärtigen Heizölpreisen von rund 80 Franken für 100 Liter ein Nullsummenspiel – die Einsparungen auf der Energieseite machen die Mehrinvestitionen für die Isolation innert 30 Jahren wett. Steigt der Heizölpreis auf 100 Franken pro 100 Liter – ein Wert, der laut vielen Prognosen als realistisch gilt –, spart man bereits Fr. 1.50 pro Quadratmeter Fassade und Jahr. Bezieht man mögliche Fördergelder sowie die Steuereinsparungen in die Rechnung mit ein, zeigt sich bereits beim heutigen Heizölpreis ein Plus von Fr. 3.90. Das bedeutet: Über die gesamte Amortisationszeit resultiert ein Gewinn.
Investitionen in die Gebäudehülle wirken sich jedoch nicht nur auf das eigene Portemonnaie positiv aus, sondern auch auf die Umwelt. Denn dank dem geringeren Energieverbrauch sinkt auch der CO2-Ausstoss: Ein umfassend saniertes Einfamilienhaus produziert jährlich bis zu zwei Tonnen weniger von diesem schädlichen Treibhausgas.
Ökologische Aspekte waren auch für die vierköpfige Familie Gerspach-Keller aus Dättwil bei Baden im Kanton Aargau mit ein Grund, ihr 75 Jahre altes Holzchalet energetisch zu sanieren. «Der Schutz der Umwelt ist uns ein wichtiges Anliegen», sagt Paul Keller. Als er und seine Frau Inge das Haus 1986 kauften, gab vor allem die Lage am Rand der Landwirtschaftszone den Ausschlag, der Blick ins Grüne. Der Energieverbrauch hingegen war damals kein grosses Thema. Die ersten Renovationsarbeiten galten denn auch vor allem den Innenräumen: Die Familie wuchs und brauchte mehr Platz. Deshalb riss das Paar Wände heraus und setzte eine Lukarne aufs Dach.
Mit den Jahren wurden die Kinder grösser, und im Haus fehlte es erneut an Platz. Gerspach-Kellers fassten den Plan, es mit einem Anbau zu ergänzen. Im Gespräch mit ihrem Architekten und Energieberater beschlossen sie, die Hauserweiterung gleich mit einer umfassenden energetischen Sanierung nach Minergie-Standard zu kombinieren. Aussenwände und Dach wurden zwölf Zentimeter dick isoliert, ebenso die Kellerdecke. Dazu kamen dreifach verglaste Fenster, eine Komfortlüftung und ein Sonnenkollektor für die Warmwasseraufbereitung und zur Unterstützung der Heizung.
Der neue Gebäudeteil erhielt eine dicke Wärmedämmung. Die Leistung der bestehenden, relativ neuen Ölheizung reicht problemlos aus, um auch den 35 Quadratmeter grossen Anbau zu heizen. Denn dank den energetischen Massnahmen liegt der heutige Energieverbrauch des Hauses trotz 30 Prozent mehr Wohnfläche einen Drittel unter dem früheren Wert. Umgerechnet auf den Quadratmeter Wohnfläche, spart Familie Gerspach-Keller gar 60 Prozent Heizenergie ein. «Neben dem tieferen Energieverbrauch freuen wir uns vor allem über den wesentlich höheren Wohnkomfort im erneuerten Haus», sagt Paul Keller.
Die Kombination der energetischen Sanierung mit ohnehin geplanten Umbau- oder Erneuerungsarbeiten am Haus ist eine sinnvolle Massnahme: «Oft lohnt es sich, im Rahmen einer geplanten energetischen Sanierung auch noch andere Arbeiten am Haus auszuführen», sagt der Architekt und Energieplaner Willi Rohr. Das sorgfältig abzuklären ist Teil des empfohlenen gezielten Vorgehens bei der Sanierung. «Ohne umfassende Analyse des Hauses besteht das Risiko von Fehlinvestitionen», warnt Rohr. Ein typisches Beispiel dafür ist die Ersetzung von Fenstern: Neue Fenster sind aus energetischer Sicht zwar sinnvoll und lassen sich relativ einfach und schnell einbauen. Ist aber bereits eine Erneuerung und Isolierung der Fassade geplant, müssen die neuen Fenster schon darauf abgestimmt sein. Beispielsweise mit breiteren Rahmen, die später Platz für eine Isolation der Fensterlaibungen bieten.
Ein weiterer Fehler wird oft bei der Wahl des Zeitpunkts für den Austausch der Heizanlage gemacht: Oft wird diese schon ausgewechselt, bevor die Gebäudehülle saniert ist. Eine neue Heizung braucht zwar in der Regel weniger Energie oder ist dank dem gewählten System ökologischer. Wird aber die Hülle erst nach dem Tausch saniert, besteht das Risiko, künftig eine überdimensionierte Heizanlage im Keller stehen zu haben (siehe «Wärme: Schluss mit Stromfressern»). Denn je nach Zustand des Hauses sinkt der Energieverbrauch nach der Erneuerung der Hülle schnell einmal auf die Hälfte. «Oft ist es sinnvoll, die alte Heizanlage, selbst wenn sie nicht mehr allzu effizient arbeitet, noch einige Zeit weiterzubetreiben, bis die Hülle erneuert ist», sagt Christian Zeyer. Der Ingenieur und Energieberater leitet beim WWF Sanierungskurse für Hausbesitzer (siehe nachfolgender Hinweis «Kurse»).
Eine gelungene energetische Haussanierung setzt also einiges an Wissen und Planung voraus. Damit die Erneuerung zu einem befriedigenden Resultat führt, lohnt sich deshalb folgendes Vorgehen:
- Schritt 1: Energieverbrauch. Der aktuelle Energieverbrauch von Heizung und Warmwasser zeigt an, ob energetische Massnahmen überhaupt dringlich sind. Dazu berechnet man die sogenannte Energiekennzahl. Sie gibt an, wie hoch der Energieverbrauch pro Quadratmeter beheizter Wohnfläche ist. Die einfache Rechnung kann mit dem Taschenrechner oder dem automatischen Rechner auf der Internetseite www.energiekennzahl.ch durchgeführt werden: Ermitteln Sie aufgrund der Abrechnungen für Heizöl, Gas, Fernwärme oder Strom (je nach Heizsystem) den jährlichen Verbrauch in Kilowattstunden (kWh) für Heizung und Warmwasser. Diesen dividieren Sie durch die Fläche aller beheizten Räume im Haus in Quadratmetern (m2). Umfassend sanierte Liegenschaften bringen es heute auf Werte zwischen 60 und 100 kWh/m2. Anhand dieser Vergleichszahlen sehen Sie schnell, ob bei Ihrem Haus Massnahmen nötig sind.
- Schritt 2: Energieberatung. Liegt Ihr Energieverbrauch klar über 100 kWh/m2, sollten Sie einen Energieberater beiziehen. Dieser analysiert Ihr Haus und erstellt Ihnen den Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK), der ähnlich der Energieetikette zeigt, wie Ihr Haus im Vergleich dasteht. Der Berater erklärt Ihnen auch, wo Sie den Hebel bei der Sanierung ansetzen können.
- Schritt 3: Detaillierte Planung. Sind umfangreichere Sanierungsarbeiten nötig, sollten Sie unbedingt eine versierte Fachperson für die Planung der Arbeiten und die Leitung der Ausführung beiziehen, beispielsweise eine Architektin mit Weiterbildung im Energiebereich. Mit ihr zusammen können Sie die Sanierung detailliert planen, eventuelle Etappen festlegen und prüfen, welche weiteren baulichen Massnahmen im Rahmen der energetischen Sanierung sinnvoll wären. Etwa die Erneuerung der Küche, die Erweiterung des Wohnraums oder der Ausbau des Dachstocks.
- Schritt 4: Finanzierung. Steht die Grobplanung, geht es an die Ermittlung der Kosten für die Sanierung und die Planung der Finanzierung. Je nach finanzieller Lage können Sie die Arbeiten aus dem eigenen Sack bezahlen oder über eine Aufstockung der Hypothek finanzieren (siehe Artikel zum Thema «Finanzierung: Geld für Haus und Umwelt»). Gleichzeitig sollten Sie prüfen, ob und welche Fördergelder Ihnen zustehen (siehe im Artikel zum Thema «Finanzierung: Geld für Haus und Umwelt» den Hinweis «Fördertöpfe: So erhalten Sie öffentliche Beiträge»). Im Rahmen der Finanzierung sollten Sie sich überlegen, ob Sie die Arbeiten etappieren oder am Stück durchziehen wollen. Sind die Finanzen knapp, werden Sie sich eher für eine Etappierung entscheiden, reichen die Ersparnisse, empfiehlt sich eine Ausführung in einem Zug. So leben Sie nur kurz auf einer Baustelle und erhalten eine Erneuerung aus einem Guss.
- Schritt 5: Ausführung. Steht die Planung, sind die Finanzen geregelt und die Zusagen für die Fördergelder eingeholt, ist der Zeitpunkt gekommen, die Ausführung an die Hand zu nehmen und die entsprechenden Handwerker zu beauftragen. Kleinere Arbeiten können Sie selber in Auftrag geben und koordinieren, bei einer umfangreicheren Sanierung lohnt es sich, eine Architektin beizuziehen.
60 bis 80 Prozent des jährlichen Warmwasserbedarfs in einem Einfamilienhaus können mit Hilfe eines Sonnenkollektors gedeckt werden. Pro Person im Haushalt werden 1 bis 1,5 Quadratmeter Kollektorfläche benötigt. Ein Kollektor samt zugehörigem Speicher lässt sich bei den meisten Häusern schnell und einfach nachrüsten.
- Diese Massnahme wird von verschiedenen Kantonen und Gemeinden sowie Energielieferanten finanziell unterstützt (www.energiefranken.ch).
Rund 20 Prozent der Energie gehen bei älteren Einfamilienhäusern durchs Dach verloren. Eine 20 Zentimeter dicke Isolation halbiert diesen Verlust. Wird der Dachstock nicht als Wohnraum genutzt, genügt es, den Estrichboden zu isolieren.
- Der Bund unterstützt diese Massnahme finanziell (www.dasgebaeudeprogramm.ch).
Ein angepasstes Beleuchtungskonzept und der Ersatz alter Haushaltsgeräte durch solche der Klassen A, A+, A++ oder AAA senken den Stromverbrauch um bis zu 50 Prozent.
- Sparsame Lampen und Geräte sind auf www.topten.ch zu finden. Einzelne Elektrizitätswerke unterstützen den Kauf solcher Geräte finanziell (www.energiefranken.ch).
Durch ältere Fenster verpufft überproportional viel Energie. Wichtig ist es, den Austausch mit einer allfällig geplanten Fassadensanierung zu koordinieren.
- Fördergelder des Bundes (www.dasgebaeudeprogramm.ch)
Je nach Alter und Zustand der Haustür kann schon eine zusätzliche Dichtung die Energiebilanz verbessern. Am effizientesten sind Dichtungen, die vom Schreiner in einer extra ausgefrästen Rille im Rahmen angebracht werden. Ist der Zustand der Tür zu schlecht, lohnt sich der Austausch oder der Anbau eines Windfangs, der auch Platz für eine Garderobe bietet. Für eine neue Tür ist mit Kosten um die 4000 Franken zu rechnen, ein Windfang kostet einiges mehr.
Durchflussbegrenzer und Mischaufsätze für Wasserhahnen helfen bei gleichem Komfort, den Warmwasserverbrauch zu reduzieren. Sinnvoll sind sie vor allem dort, wo Wasser während längerer Zeit läuft – also am Spültrog oder in der Dusche.
Rund 30 Prozent der Energie gehen durch die Wände verloren. Eine Isolationsschicht von 15 bis 20 Zentimeter Dicke senkt den Energieverbrauch entsprechend. Die Isolierung der Aussenseite ist vorzuziehen, da sie keinen Wohnraum beansprucht und bauphysikalisch besser ist. Bei denkmalgeschützten oder Reihenhäusern ist das oft nicht möglich.
- Fördergelder (www.dasgebaeudeprogramm.ch)
Auch die Isolierung der Kellerdecke gegen die beheizten Räume hin ist sinnvoll. Diese Arbeit kann auch von Laien ausgeführt werden. Baumateriallieferanten verkaufen fertige Systeme dazu. Etwa Steinwollplatten, die an die Decke geklebt oder gedübelt werden können.
- Fördergelder des Bundes (www.dasgebaeudeprogramm.ch)
Nach einer Sanierung ist die Heizanlage womöglich überdimensioniert. Grund genug, alternative Systeme in Betracht zu ziehen.
- Der WWF hilft beim Vergleich verschiedener Systeme (www.wwf.ch/heizen). Einige Kantone und Gemeinden fördern den Einbau alternativer Anlagen (www.energiefranken.ch).
Sind die Leitungen im Keller nicht isoliert, geht dort viel Wärme verloren. Im Baumarkt sind fertige, rohrförmige Isolierhüllen erhältlich, die mit etwas handwerklichem Geschick selber angebracht werden können.
Viele Heizkörper sind mit alten Ventilen ausgestattet, die dem Heizkörper auch Wärme zuführen, wenn die gewünschte Temperatur bereits erreicht ist. Thermostatventile hingegen erkennen die Raumtemperatur und regeln den Wärmezufluss. Sie sparen bis zu 20 Prozent Heizenergie.
Kurse
Klimagerecht sanieren: Der WWF Schweiz führt regelmässig Kurse für Hausbesitzer durch, in denen gezeigt wird, wie man die energetische Sanierung eines Hauses richtig anpackt. Informationen zu den nächsten Kursen finden Sie unter www.wwf.ch/...
Weitere Infos
www.geak.ch: Gebäudeenergieausweis
www.energiekennzahl.ch: Berechnung der Energiekennzahl Ihres Hauses
www.dasgebaeudeprogramm.ch: Fördergelder von Bund und Kantonen
www.energiefranken.ch: Überblick über alle Fördergelder
www.bauschlau.ch, www.energie-schweiz.ch: Tipps rund ums Energiesparen bei Gebäuden
www.ig-altbau.ch: Spezialisten für die Altbausanierung