Die Schreinerei Steiner in Erlen TG hat das Pech, vor drei Jahren den falschen Leim benutzt zu haben. Der Kontaktkleber «Brigatex K plus» verlor wegen eines Produktionsfehlers nach ein bis zwei Jahren seine Haftungsfähigkeit. «Plötzlich lösten sich an vielen verleimten Werkstücken Kunstharzplatten», erzählt Schreinermeister Eugen Steiner. Er merkte schnell, dass es am Leim liegen musste, und meldete die Schäden der Herstellerfirma Collano AG im luzernischen Sempach. «Collano nahm die Schuld auf sich, gab mir aber lange das Gefühl, ein Einzelfall zu sein.» Als er bei seinen Berufskollegen nachfragte, wurde bald klar, dass viele mit den Folgen des fehlerhaften Leims zu kämpfen hatten.

Die Schreinerei Koch in Sommeri TG etwa sah sich konfrontiert mit Tischplatten, die sich von Pulten lösen, oder mit Küchenabdeckungen, die nicht mehr haften. Schreinermeister Urs Koch meldete seine Schäden im Jahr 2005 der Collano AG und erhielt die Weisung, alles zu reparieren und per Ende Jahr in Rechnung zu stellen. Koch machte sich an die Arbeit.

Die böse Überraschung kam am 20. Dezember 2005 in Form eines Briefes von Collano an geschädigte Schreinereien: Die Klebstofffirma bezahle ab sofort nur noch einen Drittel der Schäden, die bereits gemeldet, aber noch nicht in Rechnung gestellt worden seien. Für Schäden aus dem Jahr 2006 werde Collano gar nichts zahlen. Urs Koch sollte demnach statt der erwarteten 6’000 Franken nur 2’000 Franken erhalten. Er verstand die Welt nicht mehr.

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Wer übernimmt den Schaden?



Paul Meier, der bei Collano für die Abwicklung der Brigatex-Fälle verantwortlich ist, sagt dazu: «Wir schränkten unsere Zahlungen Ende 2005 per sofort ein, weil wir vom Ausmass des Schadens überrascht wurden.» Bis heute hätten rund 200 Schreiner über 600 Schadensfälle gemeldet. Die gesamte Schadenssumme schätzt Meier auf gut zwei Millionen Franken. 1,5 Millionen Franken übernahm die Versicherung. Für den Rest muss die Klebstofffirma mit einem Jahresumsatz von 115 Millionen Franken selber aufkommen.

Der Brigatex-Leim war 2001 bis 2003 hergestellt worden. Während die Collano AG für ihr Produkt nur ein Jahr haftet, dauert die Garantiefrist der Schreiner gegenüber Kunden für versteckte Mängel fünf Jahre. «Rechtlich ist da nichts zu machen. Es herrscht bei unbeweglichen Bauwerken nun mal eine Asymmetrie der Fristen zwischen Handwerkern und der Firma», sagt Thomas Koller, Professor für Privatrecht an der Universität Bern.

Das sei das unternehmerische Risiko der Schreinereien, so Meier von Collano: «Unsere Garantiefrist ist längst abgelaufen, wir waren bis Ende 2005 kulant.» Den Geschädigten hätte klar sein müssen, dass es mal ein Ende habe: «Wir haben keinem dieser Schreiner schriftlich zugesagt, dass wir seinen Schaden übernehmen», so Meier. «Wir verstehen, dass die Schreiner wütend sind, aber wir mussten einen Schlussstrich ziehen.»

Während Urs Koch das «Drittel»-Angebot der Collano AG erzürnt ausschlug, liess sich Eugen Steiner rund 10’000 Franken auszahlen. 350 Arbeitsstunden oder 20’000 Franken muss er sich zähneknirschend ans Bein streichen. Und der Schreiner wird auch weiterhin mit Brigatex verleimte Möbel reparieren: «Was sich Collano mit seinen Kunden erlaubt, kann ich mir bei meinen nicht leisten.»