Auch billig kann gut sein
Die Immobilienpreise steigen rasant - da fallen Anbieter von günstigem Wohnraum umso mehr auf. Wie schaffen sie es, billiger zu bauen als andere?
Veröffentlicht am 27. Dezember 2006 - 16:34 Uhr
An gewissen Orten in der Schweiz wird ein Dach über dem Kopf bald unbezahlbar. Laut dem Beratungsunternehmen Wüest & Partner haben sich zum Beispiel in Zürich Eigentumswohnungen in den letzten fünf Jahren um 30 Prozent verteuert, in Genf sogar um 50 Prozent. Dem Preis kommt bei der Wohnungssuche wieder mehr Gewicht zu.
Dies bestätigt Manfred Löer, Direktor der Immobilienfirma Suisse Promotion: «Ein Indiz ist die Tatsache, dass sich die Leute bei den Wohnflächen wieder bescheiden.» Löer ist überrascht, dass sich junge Paare melden, die mit zwei Kindern eine 3-Zimmer-Eigentumswohnung kaufen wollen - um bloss keinen allzu hohen Schuldenberg aufzutürmen.
Suisse Promotion hat derzeit in der ganzen Schweiz 1'400 Eigenheime in Planung und Bau, darunter etwa in Zürich 3,5-Zimmer-Eigentumswohnungen ab 380'000 Franken - 10 bis 20 Prozent unter den gängigen Marktpreisen, «und zwar ohne Einbussen beim Standard im Innenausbau», wie Löer für seine Firma wirbt.
Wie geht das? Suisse Promotion und andere Anbieter im preisgünstigen Segment erzielen die Einsparungen vor allem durch die Menge: «Es ist ein Unterschied, ob wir 10 oder 100 Wohnungen bauen. Der Aufwand von Baubewilligung bis Detailplanung schlägt bei mehr Einheiten weniger zu Buche», sagt Löer.
Die Menge machts günstiger
Grösse bringt Mengenrabatte, fällt aber auch sonst ins Gewicht: Areale mit mehreren tausend Quadratmetern Fläche kommen nur für wenige Investoren überhaupt in Betracht. Und wenn der Kreis der bietenden Firmen überschaubar bleibt, treibt dies die Preise nicht so stark in die Höhe wie sonst. Umgekehrt müssen sich die Käufer solcher Wohnungen aber im Klaren sein, dass man in dicht bebauten Grosssiedlungen nicht dasselbe Mass an Individualität erwarten kann wie im frei stehenden Einfamilienhaus.
Im Mietwohnungsbau zählt der Bauunternehmer Leopold Bachmann zu den preisgünstigsten Anbietern. In Zürich-Affoltern hat er derzeit 520 Mietwohnungen im Bau, die ebenfalls 10 bis 20 Prozent günstiger sind als der Rest des Marktes. Das Rezept des ausgebildeten Bauingenieurs: «Entscheidend ist das Tempo auf der Baustelle.» Spatenstich für das Grossprojekt war im Juni 2006, und bereits auf den 1. April 2007 will Bachmann die Wohnungen vermieten. Damit kann er mit einer geringeren Marge als seine Konkurrenz kalkulieren; er spart in grossem Umfang Baukreditzinsen und erzielt auch rascher Erträge. Bachmann verfügt zudem über langjährige Erfahrung, wenns darum geht, Abläufe und Ausstattungsmerkmale auf ihr Optimierungspotenzial zu analysieren. «Auf manche Details und Luxus, die dem Mieter keinen Nutzen bringen, verzichten wir», sagt Bachmann. So findet er es überflüssig, in der Tiefgarage einen aufwändigen Überzug aus Asphalt anzubringen. Stattdessen genüge Beton aus einem Guss.
Die Balance von Kosten und Nutzen
Einem ausgewogenen Verhältnis von Kosten und Nutzen kommt beim Bauen oberste Priorität zu; Fachleute halten sich dabei an Kennwerte wie «Baukosten pro Kubikmeter umbauten Raums». Für Einfamilienhäuser im preisgünstigen Bereich sind etwa 560 Franken pro Kubikmeter zu budgetieren, sagt Martin Sturm vom Architekturbüro Jörg+Sturm in Langnau BE. «Wir können auch ein Einfamilienhaus für nur 480 Franken pro Kubikmeter erstellen», ergänzt Sturm. «Dann ist der Spielraum für Käufer allerdings eingeschränkt.»
Sparen lasse sich, wenn der Auftraggeber bereit sei, sich auf das wirklich Wesentliche zu konzentrieren. «So wird zum Beispiel viel zu viel in die äussere Erscheinung investiert, etwa wenn überall beim Übergang von Materialien Fuss- und Abdeckleisten sowie Kittfugen angebracht werden, die es eigentlich gar nicht braucht.» Wichtig sei auch, dass man sich mit dem Architekten in der Planung auf ein Projekt einige und der Bauherr auf nachträgliche, kostentreibende Änderungen verzichte.
Hauskäufer und Mieter sind also gut beraten, sich von hohen Preisen im Topsegment oder klingenden Strassennamen nicht blenden zu lassen. «Die Verkaufspreise sind in erster Linie von Angebot und Nachfrage auf dem lokalen Markt abhängig», sagt Rolf Truninger von der Beratungsfirma Qualicasa. Stolze Summen sind für ihn also kein Gütesiegel für Bauqualität; umgekehrt müssen preiswerte Häuser nicht von minderer Qualität sein. Truninger: «Diverse Vergleiche haben gezeigt, dass der Preis oft wenig oder nichts mit der gebotenen Qualität zu tun hat.»
Wo selbst im Billigsegment nicht gegeizt werden sollte
- Fläche und Flexibilität: Winzige Zimmer von acht oder zehn Quadratmetern vermitteln nicht nur ein Gefühl der Enge, sie sind auch schlecht nutzbar. Zimmer sollten je nach Bedarf als Kinder-, Schlaf-, Gästezimmer oder Arbeitsraum zu gebrauchen sein; Minimalanforderung sind 14 bis 16 Quadratmeter.
- Privater Aussenraum: Balkon oder Terrasse sind den Menschen heute viel wert. Damit ein Balkon seinen Zweck erfüllt, sollte er mindestens zwei Meter tief und vier Meter breit sein.
- Stauraum: Vor allem in Mehrpersonenhaushalten und Familienwohnungen sind Nebenräume von grossem Nutzen, also braucht es einen separaten Abstellraum, aber auch Einbauschränke beim Eingang oder im Korridor.
- Elektroinstallationen: Bei Steckdosen und Anschlüssen sollte man nicht knausern. Wichtig sind mehrere Stromanschlüsse, vor allem im Wohnzimmer; zudem sollte jedes Zimmer über Anschlüsse für Telefon, TV und Internet verfügen oder zumindest mit entsprechenden Leerrohren ausgestattet sein.
- Heizung: Schlechte Wärmedämmung in Kombination mit einer konventionellen Ölheizung mit grossem Tank ist nicht mehr zeitgemäss. Ein gutes Haus sollte alternative Konzepte einbeziehen (Erdsonde, solare Warmwassererwärmung, Lüftung mit Wärmerückgewinnung).
- Fenster: Ihnen kommt entscheidende Bedeutung zu, vor allem hinsichtlich Tageslicht. Im Trend sind grosse, raumhohe Verglasungen. Ebenso zählt der Dämmwert; ein gutes Fenster sollte einen so genannten U-Wert von 0,9 oder weniger aufweisen.
- Nasszellen: Zwei Badzimmer, eines mit Dusche, eines mit Badwanne, sind heute Standard, selbst in Altbauwohnungen.
- Austauschbarkeit von Bauteilen: Um spätere Reparaturen und Anpassungen nicht unnötig zu erschweren und zu verteuern, sollten Bauteile und Apparate leicht austauschbar sein (beispielsweise Wasser- oder Elektroleitungen in zugänglichem Schacht statt einbetoniert).
- Preis-Leistungs-Verhältnis: Hauskäufer müssen sich davon leiten lassen, wie viel Wohn- und Lebensraum sie für ihr Geld erhalten. Dafür gibt es Orientierungshilfen: Im Einfamilienhausbau ist ein preiswertes Objekt ab 560 Franken pro Kubikmeter möglich, im Mehrfamilienhausbau ab etwa 500 Franken. Bezogen auf die Fläche (definiert als Hauptnutzfläche HNF gemäss SIA-Norm), ist im Einfamilienhausbau von 3'200 Franken pro Quadratmeter auszugehen, im Mehrfamilienhausbau von 2'900 Franken.