Pfusch ist im Preis inbegriffen
Generalunternehmer versprechen, sich beim Hausbau um alles zu kümmern. Nicht immer halten sie sich daran.
Veröffentlicht am 16. August 2005 - 12:11 Uhr
Daniel Kindler wollte seiner Frau und den beiden Kindern etwas Tolles bieten: ein hübsches Reiheneinfamilienhaus in Biel-Benken im Baselbiet zum Preis von 800000 Franken. Doch je weiter die Bauarbeiten vorankamen, umso mehr schlug die Vorfreude in Frust um. Zeugnis legen fünf Ordner ab – prall gefüllt mit eingeschriebenen Briefen, Unterlagen und stapelweise Fotos von Baumängeln. Dokumentiert ist Pfusch der gröberen Sorte:
- Das Lüftungsrohr aus der Nasszelle im Untergeschoss führte nicht ins Freie, sondern endete irgendwo im Beton.
- Der Heizungsraum verfügt bis heute nicht über die behördlich vorgeschriebene Frischluftzufuhr.
- Eine Glastür für 3500 Franken haben Kindlers zwar bestellt und bezahlt, aber nie in der richtigen Ausführung erhalten.
- Heizungsraum und Keller wurden mehrmals überschwemmt.
- Feuchtigkeitsprobleme in der Tiefgarage mussten die Käufer der Reihenhäuser auf eigene Kosten beheben lassen.
Wer soll bezahlen?
Gebaut hat das Haus die Firma Immopta AG in Füllinsdorf BL, die als Generalunternehmerin eine Gesamtleistung von der Planung bis zur schlüsselfertigen Übergabe verspricht. In den Ohren von Daniel Kindler klingt das wie ein Hohn. «Sobald wir den Vertrag unterzeichnet und die erste Anzahlung geleistet hatten, kümmerte sich die Firma kaum noch um das Projekt», so sein Vorwurf. Die meisten Reklamationen verliefen im Sand, so dass Kindlers für die nötigen Nachbesserungen im Umfang von 75000 Franken selber aufkommen mussten.
Rolf Odile, Direktor der Immopta AG, spielt die Probleme jedoch herunter: «Bei jedem Hausbau gibt es ein paar Kleinigkeiten an Mängeln. Das ist leider eine Realität.» Doch wer soll das bezahlen? Unter Verweis auf den Werkvertrag zwischen ihm und den Hausbesitzern stellt sich Odile auf den Standpunkt, dass er als Generalunternehmer (GU) in keiner Weise haftbar gemacht werden könne. Im fraglichen Passus heisst es, der GU trete «sämtliche Rechte an den Garantiescheinen an die Werkbesteller ab». Es sei somit Sache der Bauherrschaft, Garantieansprüche gegenüber jedem einzelnen Unternehmer und Lieferanten durchzusetzen, so der Immopta-Chef. Diese Abtretung von Rechten verteidigt Odile damit, dass letztlich ohnehin der einzelne Unternehmer oder Handwerker für Ausführungsmängel und Materialfehler geradestehen müsse.
Hubert Stöckli, Rechtsprofessor an der Universität Freiburg, warnt vor solchen Bestimmungen, mit denen sich ein Generalunternehmer aus der Verantwortung stehlen will: «Von solchen Werkverträgen sollte man die Finger lassen.» Laut Stöckli sind allerdings verschiedene Nuancen einer Abtretung von Mängelrechten zu unterscheiden: Im Fall der Familie Kindler könne der Generalunternehmer sehr wohl haftbar gemacht werden, denn abgetreten seien ja die Rechte an den Garantiescheinen, nicht die Mängelrechte an sich. Wenig Chancen hat der Hauskäufer demgegenüber bei Vertragsklauseln, mit denen der GU sowohl die Mängelrechte abtritt als auch die eigene Haftung ausschliesst. Gängige Praxis ist dies etwa bei einem Winterthurer Generalunternehmer, der im Kleingedruckten seines Standardvertrags festhält, dass «jede Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel im Sinne des Obligationenrechts wegbedungen» sei.
Wie der Berner Architekt und Bauexperte Guy Lanfranconi feststellt, handelt es sich dabei keineswegs nur um Einzelfälle. Bei einer «grossen Zahl» von Generalunternehmern reisse die Unsitte ein, solch tückische Vertragsklauseln zu verwenden. In der Praxis versetzt die Abtretung der Mängelrechte durch den GU die Hauskäufer nämlich in eine denkbar schlechte Position: Oft wissen sie gar nicht, gegen wen sie ihre Mängelrechte ausüben können oder welche Vereinbarungen der GU mit den einzelnen Handwerkern getroffen hat.
Selbst Beat Büchler vom Verband Schweizerischer Generalunternehmer (VSGU) lehnt solche Klauseln ab: «Die Behebung von Mängeln gehört zu den Aufgaben des Generalunternehmers.» Der vom VSGU herausgegebene Mustervertrag hält denn auch ausdrücklich fest, dass sich die Mängelhaftung des GU auch auf die Leistungen und Lieferungen seiner Subunternehmer und Lieferanten erstreckt.
Rechtsprofessor Peter Gauch, der führende Experte für privates Baurecht in der Schweiz, vertritt gar die Auffassung, dass eine umfassende Abtretung von Mängelrechten gänzlich unzulässig sei. Abtretbar ist für Gauch allenfalls das Nachbesserungsrecht, nicht aber das Recht auf Minderung oder Wandlung (siehe Nebenartikel «Hauskauf: Pochen Sie auf Ihr Mängelrecht!»).
Grobes Verschulden
Hubert Stöckli von der Universität Freiburg macht darauf aufmerksam, dass einer solchen so genannten Freizeichnung ohnehin Grenzen gesetzt sind: «Ein derartiger Haftungsausschluss ist nach Gesetz nur für leichtes Verschulden möglich.» Wenn also Mängel auftreten, die auf mittleres oder grobes Verschulden zurückzuführen sind, so muss ein Generalunternehmer trotz Haftungsausschluss die Verantwortung dafür tragen. Als mittleres oder grobes Verschulden sind Fehler einzustufen, die bei üblicher, sorgfältiger Planung und Ausführung vermeidbar wären. Ein Lüftungsrohr, das – wie im Fall Kindler – im Beton endet, wäre vermutlich als grobes Verschulden zu taxieren.
Ob Daniel Kindler gegen den verantwortlichen Generalunternehmer rechtlich etwas ausrichten kann, ist noch offen. Doch er hat seine Lektion gelernt: «Wenn ich je wieder bauen würde, dann nur mit sehr ausgewählten Unternehmern, die erstklassige Referenzen vorlegen können.» Ausserdem würde er sich einem Fachmann oder Treuhänder anvertrauen, der für eine rigorose Kosten- und Ablaufkontrolle auf der Baustelle sorgt.