Richter erlauben Schikanen
Die Gemeinde darf einer Einwohnerin Steine in den Weg legen, um den Verkauf ihres Grundstücks zu behindern. Das sagen auch die Gerichtsinstanzen. Die Betroffene kämpft weiter.
Veröffentlicht am 20. August 2013 - 09:45 Uhr
Man sieht Denise Erdös ihre Tatkraft auf den ersten Blick nicht an. Seit Jahren muss sie sich gegen Schikanen der Gemeinde wehren. Die 68-Jährige tut es mit unbeugsamem Kampfeswillen. Es geht um ihr Grundstück in Schwellbrunn AR, mehr als 6000 Quadratmeter gut gelegenes Land.
2007 teilte ihr die Gemeinde mit, dass ihr Land gemäss Baugesetz 2013 ausgezont werde, falls es bis dahin nicht bebaut werde. Der Termin setzte Erdös unter Druck, sie beantragte eine Fristverlängerung. Diese wollte die Gemeinde nur in Erwägung ziehen, wenn Erdös den Bau einer Erschliessungsstrasse durch ihre Parzelle zum dahinterliegenden Gebiet «Unterholz» zulasse. Dort wollte die Gemeinde eine grössere Überbauung ermöglichen. Im Richtplan war die Erschliessung jedoch über die gemeindeeigene Nachbarparzelle vorgesehen.
Im Fall einer Einzonung des Gebiets «Unterholz» würde die Parzelle Erdös nicht mehr die Grenze zur Landwirtschaftszone bilden. Das machte die Auszonung der Parzelle sehr unwahrscheinlich und die behördliche Ankündigung derselben mehr als fragwürdig. Entsprechende Aufklärung erhielt Denise Erdös nicht.
Erdös intensivierte die Verkaufsbemühungen. Ohne Erfolg. «Wiederholt sprangen Interessenten im letzten Moment ab», sagt Erdös. Den möglichen Grund erfuhr sie nur durch Zufall: Eine Kaufinteressentin berichtete, die Gemeinde stelle den Bau der Strasse durch die Parzelle Erdös als beschlossene Tatsache dar. Eine Baubewilligung werde nur erteilt, wenn der neue Besitzer sich nicht dagegen wehre. Die Interessentin bekam gar einen Plan der Gemeinde, auf dem die Strasse mit Kugelschreiber eingezeichnet war.
«Das war für mich ein Schock», sagt Erdös. Böse Erinnerungen an einen Zwist mit der Gemeinde im Jahr 2000 wurden wach. Damals hatten Arbeiter auf ihrem Grundstück begonnen, einen Graben auszuheben, um eine Wasserleitung zu verlegen. «Ich traute meinen Augen nicht, als ich nach Hause kam», sagt Erdös. Sie war nicht um ihre Meinung gefragt worden. Auch auf eine Baueingabe hatten die Schwellbrunner Behörden verzichtet.
Erdös nahm sich einen Anwalt und forderte per Einschreiben den sofortigen Stopp der Arbeiten. Sechs Jahre dauerte der Streit, bis 2006 der Gemeindepräsident und der Bausekretär schriftlich bestätigten, dass für die Leitung weder wie vom Gesetz vorgesehen ein Grunddienstbarkeitsvertrag noch ein Grundbucheintrag bestanden. Die Gemeinde verpflichtete sich, diese «Pendenz» zu erledigen. Auf den Anwaltskosten von 16 000 Franken blieb Erdös sitzen. Der Streit hatte den Verkauf des Grundstücks praktisch verunmöglicht. Niemand kauft Land ohne klar geregelte Dienstbarkeiten. Entsprechend alarmiert war Erdös 2007, als sie vom Vorgehen der Gemeinde hörte.
Um Klarheit zu gewinnen, beauftragte Erdös ein Detektivbüro. Zwei Detektive erkundigten sich inkognito bei der Gemeinde nach Bauland. Beiden zeigte der Bausekretär bereitwillig gemeindeeigenen und weiteren Baugrund. Erst als die Detektive insistierten, erhielten sie auch Informationen über die Parzelle Erdös. Der Bausekretär machte jedoch abwertende Bemerkungen über das Grundstück. Es sei zu teuer, das Haus alt, und überhaupt habe die Gemeinde wegen der Erschliessungsstrasse «den Finger auf der Parzelle».
Erdös erstattete Strafanzeige gegen den Gemeindepräsidenten, den Bausekretär und zwei weitere Personen – wegen Amtsmissbrauchs, Urkundenfälschung sowie unlauteren Wettbewerbs. Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden eröffnete ein Verfahren. Die Gemeindevertreter, die zwei Detektive und zwei involvierte Immobilientreuhänder wurden einvernommen.
Die Detektive bestätigten Erdös’ Darstellungen voll und ganz. Einer der Treuhänder sagte aus, man habe gemerkt, dass die Gemeinde gegenüber dem Grundstück «nicht sehr positiv» gestimmt sei. Er äusserte die stille Vermutung, die Gemeinde habe selber Interesse an der Parzelle gehabt. Der zweite Immobilienunternehmer bestätigte, die Interessenten seien wegen der geplanten Strasse abgesprungen.
Der ausserrhodische Staatsanwalt Bruno Werlen kam trotzdem zum Schluss, bei keinem der Beschuldigten liege ein strafbares Verhalten vor. Es sei sogar die Pflicht des Bausekretärs gewesen, Interessenten auf den eventuell geplanten Bau der Strasse hinzuweisen. Beim abgegebenen Plan handle es sich lediglich um einen Entwurf und nicht um eine offizielle Urkunde. Ein 25-jähriges Haus als alt zu bezeichnen sei zulässig. Der geforderte Preis möge realistisch sein, wirklich günstig oder billig sei er nicht. Auch diese Wertungen des Bausekretärs seien nicht zu beanstanden.
Gegen diese Verfügung prozessierte Erdös bis vor Bundesgericht. Dieses bestätigte in weiten Teilen die Sicht des Staatsanwalts. Die Beschuldigten hätten sich nicht strafbar gemacht. Einzig im Fall des Bausekretärs ordnete man an, den Verdacht auf unlauteren Wettbewerb zu untersuchen. Der Bausekretär will sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äussern.
Hansueli Reutegger, amtierender Gemeindepräsident und seit 2006 im Gemeinderat, sagt zum Fall: «Für das Versehen mit der Wasserleitung haben wir uns entschuldigt. Im Übrigen haben wir unsere Pflicht immer wahrgenommen. Wir wollen niemandem Steine in den Weg legen und haben ein grosses Interesse daran, dass hier gebaut wird.»
Im Juni teilte Staatsanwalt Werlen den Parteien mit, er werde das Verfahren gegen den Bausekretär einstellen. Erdös hat auch diese Verfügung angefochten. Aufgeben kommt für sie nicht in Frage.