Doppelt gestraftes Opfer
Ein Schäfermischling griff schon zweimal Personen an und verletzte sie. Im ersten Fall muss der Tierhalter keine Verantwortung übernehmen.
Veröffentlicht am 7. Mai 2004 - 18:32 Uhr
Der Gemeinderat von Quarten SG fackelte nicht lange: Er verknurrte Paul Gerster am 27. November 2003 dazu, mit seinem Schäfermischling Baschti einen Erziehungskurs zu besuchen. Zudem muss Gerster Baschti künftig an der Leine führen und ihm einen Maulkorb anschnallen, wenn er mit ihm spazieren geht (Beobachter Nr. 1).
Am 10. September 2003 hatte der Hund Christian Picco, Arzt aus Unterterzen, in die linke Kniekehle gebissen. «Ich stand mit dem Velo auf dem offiziellen Radweg, zirka 50 Meter von Gersters Haus entfernt, als sich der Hund auf mich stürzte», erklärte Picco dem Beobachter.
«Baschti sei ein lieber Hund»
Als vollkommen berechtigt empfindet Cecile Lieberherr aus Quinten die Sanktion gegen Gerster. Trotzdem bleibt bei ihr eine Portion Bitterkeit zurück. Denn Baschti biss sie acht Monate zuvor – in der Silvesternacht 2002 – ins Gesicht. Trotz Anzeige wurde keine Sanktion gegen den Tierhalter ausgesprochen.
Ort der Attacke war der Stammtisch des Restaurants Hirschen in Murg, das damals von Paul Gerster geführt wurde. Cecile Lieberherr sass neben dem Hundebesitzer, dazwischen lag, nicht angeleint, Baschti. Lieberherr: «Gerster erklärte mir, Baschti sei ein lieber Hund, worauf ich ihm den Rücken streichelte.» Baschti sprang jäh auf und biss sie ins Gesicht.
In den frühen Morgenstunden des Neujahrstages wurde die Patientin im Spital ambulant behandelt und dann nach Hause entlassen. Mit rasenden Schmerzen kehrte sie tags darauf ins Krankenhaus zurück. Eine zweite Behandlung war notwendig. Cecile Lieberherr verbrachte acht Tage im Spital.
Gerster weigerte sich, die Kosten für den Hundebiss zu übernehmen. Eine Versicherung für seinen Hund hatte er nicht abgeschlossen. Sein Anwalt behauptete gar, der Hund habe Cecile Lieberherr nicht gebissen, sondern nur mit der Pfote gekratzt. Der Bericht des Spitals erwähnte jedoch ausdrücklich Bisswunden im Gesicht.
Zur Kasse gebeten wurde der Halter nicht. Für das Untersuchungsamt Uznach, Zweigstelle Flums, hatte Gerster an Silvester keinen Grund, besondere Vorsichtsmassnahmen wegen Baschti zu ergreifen.
Der Hund habe zuvor nie Menschen attackiert, und die Kämpfe mit anderen Hunden hätten «den Rahmen des Normalen» nicht gesprengt. Cecile Lieberherr habe «aus freien Stücken» den Kontakt zu Baschti gesucht, was immer mit «gewissen Unabwägbarkeiten» verbunden sei. Ihre Klage wurde abgelehnt.
Weiterhin ohne Maulkorb unterwegs
Die höhere Instanz, die Anklagekammer des Kantons St. Gallen, bestätigte den Entscheid. Dass inzwischen der Unterterzer Arzt Christian Picco gebissen wurde, änderte die Sache nicht. Denn das Untersuchungsamt habe nur aufgrund der damals vorliegenden Fakten entscheiden können.
Cecile Lieberherr kommt sich verschaukelt vor: «Es hat sich nun gezeigt, dass dieser Hund gefährlich ist. Trotzdem muss ich Gerichts- und Anwaltskosten von rund 1800 Franken zahlen. Da stimmt doch etwas nicht.»
Ein Dorfbewohner doppelt nach: «Baschti ist ein guter Wachhund, in seiner Nähe würde ich mich nie aufhalten.» Begrüsst werden hingegen die Sanktionen des Gemeinderats gegen Hund und Halter. Paul Gerster, der mit dem Beobachter nicht spricht, erklärte gegenüber dem «Sarganserländer», er nehme den Hund zwar an die Leine, binde ihm aber keinen Maulkorb um. Die Teilnahme am Erziehungskurs überlege er sich noch.