Mietrecht: Ende des Vermieterlateins
Was tun, wenn ein gekündigter Mieter nicht ausziehen will oder seine Habe einfach in der Wohnung liegen lässt? Für Vermieter sind solche Fälle oft harte Knacknüsse.
Veröffentlicht am 7. Juni 2002 - 00:00 Uhr
«Eine Kuh macht muh, aber viele Kühe machen Mühe» – Peter Tanner aus Niederuzwil SG kann über diesen Spruch nicht mehr lachen, seit er sich unfreiwillig um eine Horde Tiere kümmern musste. Eingebrockt hat ihm diesen Kleinzoo – unter anderem Kühe, Ziegen, Schweine, Gänse und ein Pferd – sein ehemaliger Mieter. Tanner besitzt im Kanton Schaffhausen ein altes Bauernhaus. Er hat es vermietet, allerdings nicht zwecks landwirtschaftlicher Nutzung. Der Mieter hat diese Einschränkung missachtet. Nicht nur das: Er hat während Monaten keinen Rappen Mietzins mehr bezahlt. Tanner: «Ich war doppelt geschädigt. Zum einen fehlten mir die Mietzinseinnahmen, und zum anderen konnte ich das Haus so nicht weitervermieten. Es war eine absolute Katastrophe.»
Was Tanner erlebt hat, ist sicher ein Extremfall. Anfragen wegen ausstehender Mietzinse oder Mietern, die trotz gültiger Kündigung nicht ausziehen wollen, sind im Beobachter-Beratungszentrum jedoch keineswegs selten. Da von der Kündigung bis zur effektiven Zwangsräumung viel Zeit vergehen kann, müssen geplagte Vermieter frühzeitig reagieren.
Zeitspiel bei der Räumung
Aber nicht immer ist die schlechte Zahlungsmoral der Grund für ausstehende Mietzinse. Deshalb sollte der Vermieter zuerst einmal Kontakt mit dem Mieter aufnehmen. Kann dieser den Zahlungsrückstand auch anderweitig – etwa mit Hilfe des Sozialamts – nicht begleichen oder ist er offensichtlich nicht dazu bereit, so bleibt dem Vermieter nichts anderes übrig, als schriftlich eine Zahlungsfrist anzusetzen und die Kündigung anzudrohen.
Bei Wohn- und Geschäftsräumen beträgt diese Frist mindestens 30 Tage. Begleicht der Mieter die Schuld bis zu diesem Zeitpunkt nicht, kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen – bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer weiteren Frist von 30 Tagen auf ein Monatsende. Wie bei einer ordentlichen Kündigung muss der Vermieter ein amtlich bewilligtes Formular verwenden und bei Familienwohnungen beiden Ehegatten eine separate Kündigung zustellen.
Der Mieter kann diese Kündigung innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt bei der zuständigen Schlichtungsbehörde anfechten. Dort muss er entweder nachweisen, dass der behauptete Zahlungsrückstand nicht besteht oder dass er die Schulden rechtzeitig bezahlt hat.
Aber selbst dann, wenn der Mieter die Kündigung nicht angefochten hat oder die Anfechtung von der Schlichtungsbehörde abgewiesen worden ist, hat der Vermieter keine Gewähr, dass der Mieter seine Wohnung auch tatsächlich termingerecht räumt. Das musste auch Peter Tanner erfahren: «Wir haben an der Schlichtungsverhandlung einen neuen Auszugstermin vereinbart. Trotz seinen Versprechungen ist der Mieter aber nicht ausgezogen.» Tanner hatte keine andere Wahl, als erneut an das Gericht zu gelangen, um die Zwangsräumung zu beantragen.
Die Ausweisung ist kantonal geregelt; oft findet sie in einem so genannten Befehlsverfahren statt. Da der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle spielt, gibts kein ordentliches Beweisverfahren. Der Vermieter muss die Sachlage also bereits bei der Verhandlung beweisen können. Peter Tanner konnte anhand der Vereinbarung ohne weiteres belegen, dass der Mieter das Bauernhaus hätte verlassen müssen. Dennoch verstrichen bis zum definitiven Räumungsbefehl nochmals gut vier Monate. Tanner: «Mit Rekursen konnte der Mieter immer wieder Zeit gewinnen.»
Eine weitere böse Überraschung erlebte der Vermieter, als er mit der Polizei einen Termin für die Zwangsräumung vereinbaren wollte: «Ganz nebenbei hat mir der Polizist eröffnet, dass ich selber einen Platz für die Tiere und Möbel des Mieters finden müsse. Die Beamten seien nur für den Abtransport des Mieters zuständig.» Zum Glück fand Vermieter Tanner eine Tierschutzorganisation, die sich spontan bereit erklärte, die herrenlosen Tiere kostenlos zu übernehmen.
Alte Möbel für den Vermieter
Dass in Sachen staatliche Unterstützung bei Zwangsräumungen grosse Unterschiede bestehen, ergibt eine Anfrage des Beobachters bei einigen Kantonen. Hanspeter Flury von der Schlichtungsbehörde Schaffhausen hat Verständnis für die Zurückhaltung seines Kantons: «Es ist Aufgabe des Staates, dem Vermieter durch Erlass eines Räumungsbefehls zu seinem Recht zu verhelfen. Wenn der Mieter hingegen die Kosten für die Räumung nicht bezahlen kann, gehört dies zum Unternehmerrisiko des Vermieters.» Ganz anders gehen die zuständigen Behörden im Kanton Zürich vor: Rechtskräftige Räumungsbefehle werden von Gemeinde- oder Stadtammännern auf Kosten des Mieters vollstreckt.
Oft lassen die Mieter ihre Möbel oder einfach nur eine Menge Unrat zurück. Für die Vermieter stellt sich in solchen Fällen die Frage, ob sie die Habe wegwerfen oder gar verkaufen dürfen. Das Gesetz gibt darauf keine eindeutige Antwort, doch die meisten Juristen erachten das eigenmächtige Entsorgen als heikel. Klar ist bloss, dass verderbliche Ware und Abfall beseitigt werden dürfen.
Bei den übrigen Sachen empfiehlt es sich, wenn immer möglich eine Erklärung unterschreiben zu lassen, wonach sich der Mieter bereit erklärt, seine Habe innert einer bestimmten Frist abzuholen, sonst dürfe der Vermieter darüber verfügen. Ist der Mieter jedoch verschwunden, so sollte der Vermieter Gegenstände, die einen gewissen Wert haben, einstweilen aufbewahren. Nach Ansicht von Beat Gut, Mietrechtsexperte und Richter am Bezirksgericht Zürich, kann dem Vermieter allerdings nicht zugemutet werden, die Ware des Mieters während Jahren auf eigene Kosten zu lagern: «Ich würde sie lediglich so lange aufbewahren, bis die Kosten deren Wert übersteigen.»
Peter Tanner hat aus seinen Erfahrungen vor allem eins gelernt: «Wer vor dem Abschluss eines Mietvertrags einen Betreibungsregisterauszug oder eine Referenz des Vormieters verlangt, kann sich viel Ärger ersparen.»