Vermieten verboten
Stirbt ein zahlungsunfähiger Mieter, hat der Vermieter das Nachsehen: Das Konkursamt sperrt die Wohnung oft für Monate – ohne dass der Mietzinsausfall ersetzt würde.
Veröffentlicht am 20. Januar 2009 - 08:42 Uhr
Fritz Buck (Name geändert) brach auf dem Weg zu seiner Wohnung im Treppenhaus zusammen und war auf der Stelle tot. Er hinterliess eine von ihm getrennt lebende Frau, zwei erwachsene Kinder und einen Berg Schulden – seine Nachkommen hüteten sich daher, das Erbe anzutreten. Das Nachsehen hatte schliesslich Helene Haas, Eigentümerin von Bucks Wohnung im luzernischen Rothenburg. «Die Angehörigen sicherten mir zuerst zu, sie würden die Wohnung kündigen und räumen, damit ich sie weitervermieten könne», sagt sie. Doch es kam keine Kündigung. Als die Vermieterin nachfragte, sagten ihr die Nachkommen, sie würden das Erbe ausschlagen und könnten die Wohnung daher nicht antasten.
So fand sich Helene Haas in einer absurden Situation: Sie war Eigentümerin einer unbewohnten Wohnung, durfte sie aber nicht vermieten. «Die Gemeindebehörden teilten mir mit, dass die Wohnung vorläufig gesperrt sei», so Haas. Erst wenn das Privatkonkurs-Verfahren gegen den verstorbenen Mieter abgeschlossen sei, dürfe sie wieder darüber verfügen. Doch das sollte dauern: Erst acht Monate nach Bucks Tod gab das Konkursamt die Wohnung frei. Einen neuen Mieter fand Haas zwar schnell, doch bis der einziehen konnte, vergingen drei weitere Monate. Fast ein Jahr lang war die Wohnung somit unbewohnt, die Mietzinsausfälle beliefen sich auf rund 15'000 Franken. «Alles, was ich bekam, waren 190 Franken aus dem Konkurs des verstorbenen Mieters», sagt die konsternierte Vermieterin. «Den Rest musste ich mir ans Bein streichen.»
«Fälle wie dieser sind in Nachlasskonkursen häufig», weiss Peter Voser, Notar und Konkursverwalter in der Stadt Zürich. Denn: Stirbt ein Mieter, heisst das noch lange nicht, dass das Mietverhältnis aufgelöst ist – es geht vielmehr über auf die Erben. Bis aber die Nachkommen ermittelt sind und klar ist, ob sie das Erbe überhaupt annehmen, kann viel Zeit vergehen. Zeit, in der Vermietern die Hände gebunden sind, weil nicht klar ist, wer für die Hinterlassenschaft des verstorbenen Mieters zuständig ist. Beschleunigen lässt sich der Vorgang höchstens, wenn eine grosse Verschuldung des Mieters völlig offensichtlich ist – die Behörden können dann davon ausgehen, dass niemand den Nachlass antreten will, und den Konkurs schnell eröffnen. Vermietern, denen auch dies zu lange dauert, bleiben nur noch die Instrumente des Mietrechts, um wieder über ihre Wohnung verfügen zu können (siehe unten: «Das sieht das Mietrecht vor»).
Grundsätzlich gilt für betroffene Vermieter: Hände weg von Nacht-und-Nebel-Aktionen. «Wer eigenmächtig die Wohnung eines verstorbenen Mieters räumt und die Einrichtung entsorgt, macht sich strafbar», sagt Peter Voser. Er rät auch davon ab, die Einrichtung im Alleingang zu inventarisieren und einzulagern. «Das müsste unter behördlicher Aufsicht geschehen. Doch so lange nicht klar ist, wer für den Nachlass zuständig ist, überwacht keine Behörde eine solche Inventarisierung.»
Handeln sollten Vermieter daher erst, wenn ein Konkursverfahren gegen den zahlungsunfähigen verstorbenen Mieter eröffnet ist, und auch dann nur mit dem Segen des Konkursamts. «Wenn klar ist, dass niemand das Erbe annimmt und das Konkursamt sich um den Fall kümmern muss, können Vermieter die Wohnungseinrichtung nach Rücksprache mit dem Amt zwischenlagern», sagt der Experte. So können sie die Wohnung rascher vermieten, als wenn sie bis zur Liquidation der Vermögenswerte des Verstorbenen warten. Sie müssen den Umzug der Einrichtung jedoch selber bezahlen. Vermieter, denen das Konkursverfahren zu lange dauert, können auch hier auf das Mietrecht ausweichen.
Insgesamt bleibt Vermietern also nur wenig Spielraum. Peter Voser erinnert daran: «Jeder Mietvertrag ist mit einem Risiko verbunden.» Eine Möglichkeit haben Vermieter jedoch, um das Risiko etwas abzufedern: Sie können beim Abschluss des Vertrags eine Kaution verlangen, die bis zu drei Monatsmieten hoch sein darf.
Das sieht das Mietrecht vor
Wenn ein zahlungsunfähiger Mieter stirbt, kann ihm der Vermieter die Wohnung gemäss Artikel 257d OR wegen Zahlungsverzug ausserordentlich kündigen. Dazu muss er – auch wenn es absurd klingt – dem verstorbenen Mieter und gegebenenfalls der Konkursverwaltung schriftlich eine Zahlungsfrist von mindestens 30 Tagen setzen und androhen, das Mietverhältnis zu kündigen, falls der Mietzins nicht beglichen wird. Nach Ablauf dieser Frist kann der Vermieter nach einer erneuten Frist von mindestens 30 Tagen den Mietvertrag auf Ende eines Monats kündigen. Um über die Wohnung dann auch wirklich verfügen zu können, muss der Vermieter bei den Behörden eine Ausweisung verlangen.