Es führt kein Weg nach Hause
Ein Ehepaar legt einem alten Mann Steine in den Weg – und riskiert dessen Gesundheit. Ein dubioser Jurist hilft dabei.
Veröffentlicht am 6. Dezember 2011 - 08:46 Uhr
Es geschah vor seinen Augen. «Am Samstag, dem 28. November 2009, um 13 Uhr fuhr der Bagger vor und zerstörte die Strasse zu meinem Haus», erzählt Günter Schubert. Sein Auto parkt seither nicht mehr in der Garage, sondern für 40 Franken Monatsmiete auf Gemeindegrund. Sanität oder Feuerwehr haben im Notfall keine Möglichkeit, zu seiner Liegenschaft zu gelangen. Und Günter Schubert selbst muss seither für sämtliche Besorgungen ein steiles Grasbord hochklettern und anschliessend seine Einkäufe über die oft glitschige Böschung runterschleppen. Auch bei Regen, Schnee und Eis. Schon zweimal ist er gestürzt.
Günter Schubert ist 79 Jahre alt und gehbehindert. Seit 1975 lebt er in seinem Einfamilienhaus im ausserrhodischen Gais. Und seit damals führt seine Zufahrt über das Nachbargrundstück, allerdings ohne eingetragenes Wegrecht. Das war gut 30 Jahre lang kein Problem – bis die ehemalige Besitzerin, die neuapostolische Kirche, 2008 das Areal samt Kirche verkaufte und jene Menschen in Schuberts Leben traten, die ihm Selbiges so schwermachen: Herr und Frau Meier*.
Das Ehepaar, beide Mitte 40, kaufte die Liegenschaft, riss die Kirche ab und baute ein Einfamilienhaus. Mitte 2009 liessen sie Günter Schubert über einen gewissen Stephan Frischknecht schriftlich ausrichten, sie machten sich um seine Sicherheit Sorgen, wenn er jeweils über die Baustelle hinweg zu seinem Haus fahre oder gehe. Deshalb sei eine Lösung über die Liegenschaft Dritter zu suchen. Die, so sollte sich später herausstellen, wollten allerdings von einem neuen Zufahrtsweg über ihr Gelände nichts wissen.
Die Fronten verhärteten sich, der Streit endete vor Gericht, wenn auch ohne Entscheid: Am 7. Juli 2010 beschied das Ausserrhoder Kantonsgericht, es erachte sich als nicht zuständig, und wies den Fall an die zuständige Behörde zurück. Der Ball lag ab dann bei der Gemeinde.
Bis dahin hatte Günter Schubert bereits einen Winter mehr schlecht als recht überstanden. War gekraxelt und geschlittert. Musste, um zu seinem Briefkasten zu gelangen, auch mal über Schneemauern klettern. Und hatte sich bei einem Sturz sogar an der Schulter verletzt.
Es folgt ein juristisches Hickhack: Ortsbegehungen, Abklärungen, Einspracheverhandlungen. Erschliessungslösungen über die Parzellen anderer Nachbarn werden gesucht und als unrealistisch verworfen. Meiers reichen eine neue Baueingabe für die Gartengestaltung ein. Und immer wieder entscheiden die zuständigen Gremien, zumindest in wichtigen Teilen, zugunsten von Günter Schubert.
Meiers foutieren sich darum, reichen ihrerseits einen Rekurs nach dem anderen ein und verbieten dem alten Mann weiterhin, ihr Grundstück zu betreten. Sie bauen sogar eine Mauer aus Drahtkörben und Steinen, statt sich an die Auflage zu halten, einen Weg von dreieinhalb Metern Breite und 38 Metern Länge offen zu lassen. In einer schriftlichen Stellungnahme erklärt Sprachrohr Stephan Frischknecht, man habe weitergebaut, «weil der Herr Landammann (jetzt alt Landammann) die Sach- und Rechtslage nicht kannte» und sie «falsch einschätzte».
Günter Schubert kraxelt, schlittert und schleppt nach wie vor. Inzwischen ist es am Departement Bau und Umwelt des Kantons Ausserrhoden, zu entscheiden, ob der Rentner auch diesen Winter ohne Strasse und Auto leben muss. Mit Entscheid vom 4. August verfügt der Kanton schliesslich, «die Wiederherstellung der ursprünglichen Strasse anzuordnen, (so) dass Günter Schubert mit seinem Auto wieder von seiner in der nordwestlichen Ecke des Einfamilienhauses gelegenen Garage hin- und zurückgelangen kann».
Doch es ist wieder nur ein Etappensieg: Meiers haben gegen diesen Entscheid beim Obergericht Beschwerde erhoben. Sie lassen dem Beobachter über ihren Rechtsberater Stephan Frischknecht ausrichten, sogar der Gang bis vor Bundesgericht sei nicht ausgeschlossen.
Günter Schubert, der mittlerweile Unterstützung von der Stiftung SOS Beobachter erhält, hängt sehr an seinem Haus, schliesslich hat er es vor über 30 Jahren selber entworfen und gebaut. «Ich weiss aber nicht, wie lange ich noch so weitermachen kann», sagt er. «Immerhin werde ich bald 80.»
Fast scheint es, als würden Meiers darauf spekulieren: Müsste der alleinstehende Schubert – etwa aus gesundheitlichen Gründen – sein Haus verkaufen, könnte er es ohne gesichertes Zufahrtsrecht wohl nur an Meiers verkaufen. Schliesslich sind sie die Einzigen, die auf normalem Weg zur Liegenschaft gelangen können. Zudem müsste Schubert wohl massiv unter Wert verkaufen.
Von derlei Motiven wollen Meiers, die bislang erfolglos versucht hatten, eine weitere Liegenschaft in der direkten Nachbarschaft zu kaufen, nichts wissen. Zumindest lässt dies ihr umtriebiger Rechtsberater verlauten. Stephan Frischknecht selber ist eng verbandelt mit Meiers. Er sei mit der Familie «freundschaftlich verbunden», erklärt er dem Gericht. Zudem ist er Verwaltungsratsmitglied der Firma der Meiers. Deren Zweck laut Handelsregister: Verwaltung, Kauf und Verkauf von Immobilien sowie Abbruch-, Bagger- und Bauarbeiten. Auch die Firmen-Website ist auf Frischknecht zugelassen.
Vor Gericht musste das Ehepaar Meier allerdings auf Frischknecht verzichten. Das Kantonsgericht sah sich genötigt, bei dem Wirtschaftsjuristen nachzufragen, ob er denn überhaupt ein Anwaltspatent besitze. Dieser musste verneinen: 2004 war ihm von der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen das Anwaltspatent entzogen worden, weil er Schulden in Millionenhöhe hat. Noch im Dezember 2009 schreibt er an die damals zuständige Gerichtsschreiberin, dass er diese Situation «im Verlauf der nächsten Monate bereinigen» wolle. Passiert ist bis jetzt nichts.
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